19. November 1997 • Entwicklung der österreichischen Leistungsbilanz • Ewald Walterskirchen

Das WIFO widmet dem Thema "Leistungsbilanz" einen Schwerpunkt im November-Heft seiner "Monatsberichte". Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß die Höhe des Leistungsbilanzdefizits noch nicht besorgniserregend ist, wohl aber die Entwicklungstendenz in den neunziger Jahren.

Kein enger Zusammenhang zwischen hohem Defizit und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit

Das Defizit in der Leistungsbilanz erreichte 1996 mit 42,4 Mrd. S (1,8% des BIP) einen sehr hohen Wert. Im internationalen Vergleich bietet die österreichische Leistungsbilanz ein ungünstiges Bild: Österreich liegt unter allen EU-Ländern an drittletzter Stelle – nur vor Portugal und Griechenland. Die Höhe des Passivums ist für sich gesehen noch nicht besorgniserregend:

  • Diesem Defizit stehen hohe Kapitalzuflüsse, insbesondere auch hohe Direktinvestitionen seit dem EU-Beitritt gegenüber. Die Währungsreserven sind sogar deutlich gestiegen.
  • Nur ein Teil des negativen Saldos hängt mit der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zusammen: Der Außenbeitrag betrug 1996 laut ÖSTAT nur –13 Mrd. S. Ein größerer Teil des Defizits resultiert aus Faktoreinkommen (z. B. Gewinnüberweisungen) und Transfers (z. B. Nettozahlungen an die EU).

Passivierung der Leistungsbilanz geht auf Reiseverkehr zurück

Besondere wirtschaftspolitische Wachsamkeit verlangt vor allem die Entwicklungstendenz der Leistungsbilanz in den neunziger Jahren. Der Leistungsbilanzsaldo hat sich zwischen 1991 und 1996 um mehr als 40 Mrd. S verschlechtert.

Diese Passivierungstendenz geht auf die Reiseverkehrsbilanz zurück. Bisher wurde den Ausgaben der Österreicher im Ausland zu viel Bedeutung für dieses Defizit beigemessen: Diese machten 1991/1996 nur etwa ein Viertel der Verschlechterung der Reiseverkehrsbilanz aus (wenn man Ausgaben und Einnahmen korrekterweise an einem "normalen" Entwicklungspfad mißt). Der Großteil der Passivierung stammt vom Rückgang der touristischen Exporte (Deviseneinnahmen).

Ohne Reiseverkehr blieb das Defizit in der Handels- und Dienstleistungsbilanz (laut ÖSTAT) 1992/1994 trotz Höherbewertung des Schillings unverändert (46 Mrd. S), 1994/1996 sank der Fehlbetrag auf 36 Mrd. S. Die Verringerung des Passivums dieser verkürzten Bilanz kann jedoch kein Ruhekissen für die Wirtschaftspolitik sein. Da der Reiseverkehrüberschuß sich nicht nennenswert erhöhen wird, kann die Leistungsbilanz wohl nur durch anhaltende Verbesserungen in der Handels- und sonstigen Dienstleistungsbilanz ausgeglichen werden.

Keine Zunahme des Passivums 1997

Die Entwicklung der Leistungsbilanz wird in einzelnen Jahren durch die Konjunktur wesentlich beeinflußt. Wenn die Inlandsnachfrage in Österreich um 1 Prozentpunkt langsamer wächst als im Ausland, verringert sich das Leistungsbilanzdefizit um rund 10 Mrd. S.

1997 wächst die Inlandsnachfrage in Österreich langsamer als die der Handelspartner. Das hat neben dem Exportboom (dank anziehender europäischer Konjunktur und Korrektur der Wechselkurse) das Defizit der Leistungsbilanz noch nach oben begrenzt. Entgegen den bisherigen Prognosen dürfte das Passivum heuer nicht weiter steigen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1997!