10. November 1997 • Sinkender Reiseverkehrsüberschuß • Egon Smeral

Die Reiseverkehrsbilanz lieferte bis Anfang der neunziger Jahre wesentliche Beiträge zum Leistungsbilanzausgleich. In den letzten Jahren wirken sich aber die Strukturdefizite der österreichischen Tourismuswirtschaft sowie die großteils wechselkursbedingte Abnahme der preisbestimmten Wettbewerbsfähigkeit nachteilig auf die Reiseverkehrsbilanz – und dort insbesondere auf die Exportseite (Einnahmen Österreichs) – aus, die Globalisierungsprozesse verstärken den Druck zusätzlich kräftig.

Seit dem Höhepunkt 1991 (70,9 Mrd. S, rund 3½% des BIP) sinkt der Überschuß der Reiseverkehrsbilanz deutlich, er wird heuer mit etwa 17 Mrd. S (¾% des BIP) um mehr als 50 Mrd. S niedriger sein.

Modellrechnungen ergaben; daß etwa 75% der Verschlechterung der Reiseverkehrsbilanz seit 1991 den Exporten zuzurechnen sind und nur rund ein Viertel der Importseite: Die Verschlechterung der Reiseverkehrsbilanz ist also exportseitig dominiert.

Gemäß weiteren Berechnungen auf Basis des Welttourismusmodells ist der Großteil der Exporteinbußen – etwas mehr als drei Viertel – auf Defizite der Angebotsstruktur zurückzuführen; fast ein Viertel der Verluste hängt mit der Verschlechterung der preisbestimmten Wettbewerbsfähigkeit zusammen. In bezug auf die Importsteigerung sind die negativen Struktureffekte zwar geringer, sie dominieren aber die Entwicklung zu fast 60%, während die relative Verbilligung der Auslandsreisen knapp über 40% erklärt.

Die relative Verbilligung der Auslandsreisen wird insbesondere durch die relative Verbilligung der Flugpauschalreisen und der (gewichteten) relativen Lebenshaltungskosten bestimmt. Die Abnahme der relativen Lebenshaltungskosten in den Zielländern stimuliert nicht nur Auslandsreisen, sondern auch Warendirektimporte.

Ähnlich umfaßt der gemessene Struktureffekt neben den touristischen Strukturnachteilen auch die Wirkungen der EU-Integration und der Ostöffnung, die eine temporäre Zunahme der Warendirektimporte zur Folge hatten. Die Steigerung der Reiseverkehrsimporte kann weitgehend auf die erhöhte Auslandsreiseintensität der Österreicher zurückgeführt werden. Nur etwa 10% bis 20% des Importwachstums lassen sich durch vermehrte Warendirektimporte erklären.

Eine Chance zur Erholung für die österreichische Tourismuswirtschaft könnte darin liegen, daß sich die Angebotsstrukturen schon bald spürbar verbessern und daß gestraffte Tourismusorganisationen Marketing- und Vertriebsstrategien wirksam adaptieren.

Ein geeignetes Maßnahmenbündel sollte es Österreich ermöglichen, auch als Industrieland mittelfristig einen Reiseverkehrsüberschuß von etwa ½% bis 1% des BIP zu erwirtschaften. Berücksichtigt man, daß die (nicht in die Reiseverkehrsbilanz gehörenden) Warendirektimporte den Saldo erheblich schmälern, so erscheint der Beitrag der Tourismuswirtschaft zum Leistungsbilanzausgleich immer noch überdurchschnittlich, zumal der hohe soziale und ökonomische Entwicklungsstand der österreichischen Volkswirtschaft im allgemeinen Produktionsformen mit einem relativ hohen Anteil an persönlicher Dienstleistung benachteiligt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1997!