13. Oktober 1997 • Die Übereinstimmung der österreichischen Exportstruktur mit der Dynamik der Exportmärkte • Fritz Breuss, Peter Egger, Jan Stankovsky

Das österreichische Exportangebot stimmt relativ gut mit der Nachfrage zahlreicher osteuropäischer und lateinamerikanischer Länder überein, die zum großen Teil auch eine überdurchschnittliche Nachfragedynamik und hohe Bonität aufweisen. Diese Märkte sind potentielle Schwerpunkte des österreichischen Exports. Nur geringe Übereinstimmung besteht mit der Importnachfrage der meisten dynamischen Märkte in Asien.

1995 und 1996 verzeichnete Österreich ein hohes Leistungsbilanzdefizit. Auch 1997 und 1998 ist nach aktuellen Prognosen keine Entlastung zu erwarten. Der Spielraum für wirksame exportfördernde Maßnahmen ist unter den Bedingungen der EU-Mitgliedschaft beschränkt; die Österreich verbleibenden Instrumente sollen durch eine von der Bundesregierung getragene Export- und Technologieoffensive genutzt werden. Die komparativen Vorteile eines Landes sind größtenteils durch eine Humankapital, Forschung und Entwicklung fördernde Politik bestimmt, die auch für Mitgliedstaaten der EU langfristig autonom steuerbar sein wird.

Das WIFO hat im Auftrag der Oesterreichischen Kontrollbank einen speziellen Ansatz der möglichen Förderung des österreichischen Exports näher untersucht: eine Auswahl jener Märkte, deren intensive Bearbeitung und Erschließung besonders sinnvoll und lohnend erscheint. Insgesamt wurden 69 Länder (dem Aufgabenbereich der OeKB entsprechend Entwicklungsländer und Oststaaten mit einem Importvolumen von mindestens 3 Mrd. $ im Jahr 1994) überprüft, ob sie sich als Schwerpunktmärkte für den österreichischen Export eignen. Sie wurden vorrangig nach der Übereinstimmung ihrer Importstruktur mit dem österreichischen Exportangebot gereiht, um das bestehende Produktions- und Exportpotential Österreichs zu bewerten. Eine gute Strukturübereinstimmung deutet daraufhin, daß Österreich seine komparativen Vorteile gut umsetzen können sollte. Ergänzend wurden die Schwerpunktländer nach ihrer Nachfragedynamik und Bonität sowie nach der Größe des Absatzmarktes beurteilt.

Folgende Überlegungen liegen der Studie zugrunde:

  • Eine Bündelung des österreichischen Angebotes und die Konzentration auf einzelne Märkte bewirken Synergieeffekte sowie ein gewisses Mindestmaß an Marktdurchdringung für eine effiziente Exportsteigerung.
  • Die Wirtschaftspolitik kann u. a. eine Teilnahme Österreichs an Messen und Ausstellungen, Informationskampagnen, Einladungen von Vertretern wichtiger Medien, den Ausbau kultureller Kontakte, Reisediplomatie unterstützen. Eine besondere Rolle spielen Exportgarantien.
  • Die Zahl der Schwerpunktmärkte soll angesichts der begrenzten Ressourcen der österreichischen Wirtschaft nicht groß sein.

Übersicht 1: Schwerpunktländer des österreichischen Exports

Gereiht nach dem Strukturübereinstimmungsindex

 

Struktur-
überein-
stimmungs-
index

Nachfrage-
index1)

Bonitäts-
index2)

Landes-
größe3)

Österreichs
Exporte

Importe aus
Österreich

         

Durchschnitt 1993/94

         

Anteile am österreichischen Gesamtexport in %

Anteile am Weltimport in %

             

Tschechien

31,9

3

1

3

2,53

7,98

Ägypten

32,4

3

3

3

0,20

0,78

Slowakei

33,7

3

2

3

0,88

5,77

Kroatien

34,5

3

3

3

0,72

6,70

Costa Rica

37,4

3

3

4

0,02

0,14

Marokko

38,4

4

3

3

0,05

0,27

Polen

39,0

2

2

2

1,27

2,83

Chile

39,2

2

1

2

0,08

0,33

Israel

39,4

2

2

2

0,26

0,55

Mexiko

39,5

4

3

1

0,22

0,14

Ungarn

40,8

3

2

3

3,74

11,82

Südafrika

41,9

3

2

2

0,32

0,73

Litauen

43,1

5

3

4

0,02

0,60

Peru

44,7

1

3

2

0,03

0,22

Slowenien

44,7

2

1

3

1,51

9,48

Bulgarien

44,8

4

5

3

0,27

2,81

Nigeria

45,1

3

5

3

0,12

0,87

El Salvador

45,3

2

3

4

0,00

0,14

Libanon

45,3

1

3

4

0,06

0,52

Lettland

45,6

5

3

4

0,02

0,73

Kolumbien

46,0

2

2

2

0,05

0,24

Argentinien

46,5

3

3

1

0,16

0,16

Moldawien

46,6

-

4

-

0,00

0,39

Rußland

47,3

5

4

1

1,40

2,45

Guatemala

47,6

3

4

3

0,00

0,11

Venezuela

47,6

4

3

2

0,08

0,18

Saudi-Arabien

47,7

4

2

2

0,46

0,60

Thailand

48,4

1

1

2

0,28

0,27

Iran

48,6

-

4

2

0,62

2,06

China

48,7

1

2

1

0,75

0,31

Brasilien

48,9

3

3

2

0,24

0,25

Estland

48,9

5

3

4

0,01

0,45

Philippinen

48,9

3

2

2

0,07

0,11

Ukraine

49,8

5

5

2

0,14

0,84

Q: Eigene Berechnungen. – 1) 1 . . . sehr gute Nachfragedynamik, 2 . . . mäßig gute Nachfragedynamik, 3 . . . mäßige Nachfragedynamik, 4 . . . mäßig schlechte Nachfragedynamik, 5 . . . sehr schlechte Nachfragedynamik. – 2) 1 . . . sehr gute Bonität, 2 . . . mäßig gute Bonität, 3 . . . mäßige Bonität, 4 . . . niedrige Bonität, 5 . . . sehr niedrige Bonität. – 3) Gemessen am realen BIP 1995 zu Preisen von 1992; 1 . . . über 150.000 Mill. $, 2 . . . 50.000 Mill. $ bis 150.000 Mill. $, 3 . . . 10.000 Mill. $ bis 49.999 Mill. $, 4 . . . unter 10.000 Mill. $.

Nur für 34 der untersuchten Länder stimmt die Importstruktur mit dem österreichischen Exportangebot relativ gut überein. Insgesamt liefert Österreich in diese Länder 16,6% seiner Gesamtexporte an Industriewaren (Übersicht 1).

Unter den potentiellen Schwerpunktländern sind 13 Oststaaten (davon alle 5 Länder Ost-Mitteleuropas). Am besten stimmt die österreichische Exportstruktur mit der Importstruktur Tschechiens überein. Die Slowakei rangiert an dritter, Kroatien an vierter Stelle.

Überraschend groß ist der "Fit" für Lateinamerika (11 Länder). Ein forciertes Engagement Österreichs in dieser Region ist wünschenswert und durchaus vielversprechend. Der Nahe und Mittlere Osten sowie Afrika sind mit 8 Ländern vertreten. Das Ergebnis legt es nahe, dieser von der Exportwirtschaft bisher nur wenig beachteten Region mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Österreich könnte dabei Vorteile aus der neuen Mittelmeerpolitik der EU ziehen, die die Schaffung einer europäisch-mediterranen Zone der politischen Stabilität und Sicherheit auf der Grundlage einer umfassenden Freihandelszone bis zum Jahr 2020 zum Ziel hat. Allerdings ist die Wachstumsdynamik dieser Länder zumeist gering oder die Bonität unzureichend.

In Fernost erweisen sich nur China, Thailand und die Philippinen als Schwerpunktländer – Märkte mit einem hohen Wachstumspotential. Bedauerlich ist, daß das Auseinanderklaffen der Warenstruktur die Exportchancen auf den anderen dynamischen Märkten der Region (u. a. Malaysia, Singapur, Indien) etwas weniger günstig erscheinen läßt.

Dies legt die Vermutung nahe, daß Österreich nur wenig "moderne" Güter exportiert, die von diesen Ländern benötigt werden. Im Sinne eines "benchmarking" wurden daher die österreichischen Indizes für die Strukturübereinstimmung mit jenen Deutschlands und der Niederlande verglichen. Für den Fernen Osten erreicht dabei Österreich in den meisten Fällen einen besseren Übereinstimmungsindex als Deutschland, aber einen schlechteren als die Niederlande. Möglicherweise geht dies zum Teil darauf zurück, daß Österreich in Fernost als Sublieferant deutscher Unternehmen auftritt.

Zur Importstruktur der OECD-Länder und Lateinamerikas paßt hingegen Österreichs Exportstruktur in den meisten Fällen besser als jene von Deutschland, aber schlechter bzw. gleich gut wie jene der Niederlande.

Die starke Marktstellung Österreichs in den Oststaaten könnte zum Teil auf das "passende" österreichische Exportangebot zurückzuführen sein. Deutschland ist allerdings auf diesem Markt ein wichtiger Konkurrent Österreichs. Das österreichische Exportangebot stimmt mit der Importnachfrage der Oststaaten durchwegs besser überein als jenes der Niederlande.

Fritz Breuss, Peter Egger, Jan Stankovsky, Die Übereinstimmung der österreichischen Exportstruktur mit der Dynamik der Exportmärkte, Studie des WIFO im Auftrag der Oesterreichischen Kontrollbank, Wien, 1997 (40 Seiten, ATS 500) Bestellformular