15. September 1997 • Perspektiven der österreichischen Altersvorsorge im internationalen Vergleich • Alois Guger

In allen Industriestaaten erzwingt der demographische Alterungsprozeß Reformen in der Altersvorsorge. Die Zunahme der Bevölkerung im Pensionsalter in Relation zu jener im Erwerbsalter (Altenlastquote) untergräbt der Pensionsversicherung die Finanzierungsbasis.

Österreich befindet sich seit Mitte der siebziger Jahre demographisch in einer Schönwetterperiode. Die Altenlastquote liegt unter einem Drittel und beginnt erst ab der Jahrhundertwende zu steigen. Die aktuellen Finanzierungsprobleme ergeben sich großteils aus der ungünstigen Arbeitsmarktlage, einerseits aus der schwachen Beschäftigungsentwicklung und anderseits aus der Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch großzügige Frühpensionierungen. Obwohl die langfristige Finanzierungssituation durch die Pensionsreform 1993 schon deutlich verbessert wurde, erweist sich heute das österreichische Pensionssystem im internationalen Vergleich als relativ großzügig: Die durchschnittliche Netto-Einkommensersatzrate beträgt für ASVG-Pensionisten beim Pensionsantritt über 75% des letzten Erwerbseinkommens. Insgesamt wurden 1996 über 15% des Brutto-Inlandsprodukts für öffentliche Altersvorsorge ausgegeben.

Aus dem demographischen Alterungsprozeß werden aber in den nächsten Jahrzehnten langfristige Finanzierungsprobleme erwachsen: Bis 2030 wird die Altenlastquote von derzeit 31% auf über 60% ansteigen, die Zahl der Personen im Pensionsalter wird um über 70% zunehmen, die Bevölkerung im Erwerbsalter aber um rund 12% schrumpfen. Zur Sicherung der langfristigen Finanzierung des Systems müssen entweder die Beiträge erhöht, das Pensionsantrittsalter angehoben, die Netto-Einkommensersatzrate gesenkt oder der Bundeszuschuß erhöht werden.

Umfang des Reformbedarfs

Nach Berechnungen der EU-Kommission müßten in Österreich entweder die Beitragssätze um gut 50% oder das Pensionsantrittsalter um 11 Jahre angehoben oder die Netto-Einkommensersatzrate um 45% gesenkt werden, um den demographischen Alterungsprozeß zu kompensieren. Die Studie von Professor Rürup im Auftrage des Sozialministeriums kommt zu ähnlichen Ergebnissen, danach müßte der implizite Beitragssatz (Finanzierung ohne Bundesbeiträge) um rund 60% steigen. Realistisch und sinnvoll sind natürlich nur Kombinationen dieser Maßnahmen.

Einer Erhöhung der Beiträge zur Pensionsversicherung sind allerdings durch den internationalen Wettbewerb und der Finanzierung aus dem Budget durch den Stabilitätspakt enge Grenzen gesetzt. Die Reformvorschläge der Bundesregierung, die die Sicherung des bestehenden Systems und die Beibehaltung des Prinzips der Erhaltung des Lebensstandards zur Grundlage haben, konzentrieren sich daher auf Maßnahmen, die das sehr niedrige Pensionsantrittsalter erhöhen und die vergleichsweise hohen Netto-Einkommensersatzraten senken.

Sowohl die Dauer des Pensionsbezugs als auch die Einkommensersatzrate können aber für den Durchschnitt der Pensionisten nur sehr langsam verändert werden. Daher müssen die Maßnahmen, die fairerweise nur schrittweise für die Neupensionisten eingeführt werden können, jetzt gesetzt werden, um dann zu greifen, wenn sich der demographische Alterungsprozeß ab 2015 verschärft.

Niedriges Pensionsantrittsalter und hohe Einkommensersatzraten bieten Anpassungsspielraum

Im internationalen Vergleich bietet das österreichische System der Alterssicherung angesichts des niedrigen Pensionsantrittsalters und hoher Ersatzraten im Durchschnitt genügend "Anpassungsspielraum" zur Sicherung einer nachhaltigen Finanzierungsbasis. Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den Systemen und nach Einkommensschichten. Im unteren Einkommensbereich könnte bei einer Absenkung der Ersatzquoten das Armutsrisiko rasch ansteigen.

Die vorgeschlagenen strukturellen Reformen im Pensionssystem können einerseits durch beschäftigungs- und bildungspolitische Maßnahmen, insbesondere für ältere Arbeitnehmer, und andererseits von lohnpolitischer Seite durch eine Abschwächung des Senioritätsprinzips ergänzt werden.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/1997!