11. September 1997 • Wertschöpfungsabgabe als Alternative zu lohnbezogenen Dienstgeberbeiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds • Ewald Walterskirchen

Das WIFO untersuchte im Auftrag der Bundesarbeitskammer die Auswirkungen einer Umstellung der Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds von lohnbezogenen auf wertschöpfungsbezogene Abgaben. (Die Wertschöpfung umfaßt neben dem Personalaufwand vor allem auch die Gewinne und die Abschreibungen.) Die Studie geht davon aus, daß eine solche Umstellung aufkommensneutral erfolgt, d. h. insgesamt die Wirtschaft nicht zusätzlich belastet.

Nach dem gegenwärtigen Finanzierungsmodus des Familienlastenausgleichs (und der gesamten Sozialversicherung) sind lohn- und arbeitsintensive Betriebe benachteiligt, kapital- und gewinnintensive Betriebe dagegen begünstigt. Das unmittelbarste und gravierendste Ergebnis einer Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe wäre deshalb, daß sich die Belastung der Unternehmen bzw. Branchen gegenüber dem Status quo beträchtlich ändert: Eine aufkommensneutrale Umstellung würde die Arbeitskosten (Lohnnebenkosten) senken und die Kapitalkosten im gleichen Ausmaß erhöhen. Arbeitsintensive Betriebe wären deshalb davon begünstigt, kapitalintensive und gewinnstarke benachteiligt.

Zu den Verlierern einer solchen Umstellung würden auch jene Branchen zählen, die einen hohen Anteil von Selbständigen haben: Selbständige müßten dann de facto auch Beiträge für ihre eigene Arbeitsleistung zahlen, nicht nur für die ihrer Beschäftigten. Derzeit nehmen Selbständige etwa ein Sechstel der familienpolitischen Leistungen in Anspruch, leisten dafür aber in geringerem Maße Beiträge.

Im allgemeinen wird ein Unternehmen dann Vorteile aus einer Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe ziehen, wenn sein Personalaufwand mehr als 50% der Brutto-Wertschöpfung (Personalaufwand + Gewinne + Steuer + Abschreibungen + Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten) ausmacht. Liegt dieser Anteil unter 50%, dann zählt das Unternehmen eher zu den Verlierern der Umstellung, die ja letztlich ein Nullsummenspiel ist. Günstiger steigt ein Unternehmen dann aus, wenn es steuerliche Gewinne und Abschreibungen niedrig halten kann.

Die exponierte Sachgüterproduktion würde durch eine Umstellung des Familienlastenausgleichsfonds auf eine wertschöpfungsbezogene Abgabe begünstigt (sie würde um ½ Mrd. S weniger zahlen). Eine solche Entlastung des exportorientierten Sektors der Wirtschaft zeigen auch Untersuchungen für Deutschland. Insbesondere arbeitsintensive Branchen, wie z. B. Maschinenbau und Bekleidungsindustrie, würden profitieren. Weiters wären der Handel, der Verkehr und arbeitsintensive Dienstleistungen Nutznießer einer Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe.

Drei Sektoren wären durch eine Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe besonders benachteiligt: die Landwirtschaft (mit ihrem hohen Selbständigenanteil) sowie die kapitalintensiven Sektoren Vermögenswirtschaft und Energiewirtschaft. Es ist letztlich eine politische Frage, ob eine solche Verschiebung der Abgabenlast durchführbar und erwünscht ist.

Längerfristig sind von einer Umstellung auf wertschöpfungsbezogene Abgaben tendenziell positive Effekte auf die Beschäftigung und negative auf die Investitionen zu erwarten. Sie ergeben sich vor allem daraus, daß arbeitsintensive Betriebe gegenüber kapitalintensiven an Terrain gewinnen. Nach Modellberechnungen könnte die Zahl der Arbeitsplätze langfristig durch eine Umbasierung des Familienlastenausgleichsfonds zwischen 13.000 und 20.000 steigen, wobei sich die Szenarien durch unterschiedliche Attraktivität Österreichs als Industriestandort unterscheiden.

Der gravierendste Nachteil der Einführung einer Wertschöpfungsabgabe besteht darin, daß sie durch die Erhöhung der Kapitalkosten den technischen Fortschritt langfristig bremst und sich damit ungünstig auf Produktivität, Reallohn und Investitionstätigkeit auswirkt. Statisch gesehen ändert sich durch die Umstellung nur die Abgabenbelastung der Branchen, dynamisch gesehen wird jedoch der Prozeß der Kapitalintensivierung, der Verwirklichung technischer Neuerungen, verlangsamt.

Der lohnnebenkosteninduzierten Stimulierung der Beschäftigung steht also eine Verlangsamung des Fortschritts der Produktivität und der Reallöhne gegenüber (langfristig fast –1 Prozentpunkt). Nach den Modellrechnungen wird langfristig, d. h. am Ende der Simulationsperiode, ein nahezu gleich hohes Sozialprodukt von mehr Arbeitskräften mit etwas niedrigerem Produktivitäts- und Reallohnniveau (als im Vergleichsfall) produziert.

In der Praxis sollten die Auswirkungen der Umbasierung der Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds – also eines relativ kleinen Bereichs – auf Beschäftigungs- und Investitionsentscheidungen jedoch nicht überschätzt werden, zumal sich für die große Zahl der Unternehmen mit etwa durchschnittlicher Arbeitsintensität die Abgabenbelastung kaum ändert.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/1997!