9. September 1997 • Die Zuwanderung von Ausländern nach Österreich. Kosten-Nutzen-Überlegungen und Fragen der Sozialtransfers • Gudrun Biffl

Zwischen 1989 und 1996 wanderten etwa 340.000 Ausländer nach Österreich zu. Das Ausmaß der jüngsten Zuwanderung ist geringer als das des Flüchtlingszustroms in der Nachkriegszeit und etwas größer als das der Gastarbeiterzuwanderung Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre. Die Zuwanderung von Ausländern in den sechziger und frühen siebziger Jahren wurde in der Politik und von der Bevölkerung überwiegend positiv beurteilt, und die Flüchtlingswelle nach dem Zweiten Weltkrieg löste keine Diskussion um eventuelle Integrationsprobleme und negative Effekte auf Sozialbudgets infolge verstärkter Konkurrenzierung der Inländer auf dem Arbeitsmarkt aus. Die jüngste Zuwanderungswelle war hingegen Anlaß für die Sorge, Zuwanderer könnten Inländer auf dem Arbeitsmarkt ungebührlich konkurrenzieren und den Wohnungsmangel im Billigsegment verschärfen.

Der jüngste WIFO-Monatsbericht bringt einen Ausschnitt aus einer umfassenden Studie des WIFO, welche die Effekte der Zuwanderung auf die Wirtschaft durchleuchtet, um der Migrationspolitik eine fundierte wissenschaftliche Basis zu geben. Anhand der Ergebnisse der Migrationsforschung kann die derzeit sehr emotional geführte Diskussion der Zuwanderung von Ausländern an Sachlichkeit gewinnen – eine wesentliche Voraussetzung für demokratische Entscheidungsprozesse.

Eine volkswirtschaftliche Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen der Zuwanderung von Ausländern konzentriert sich auf monetäre, auf dem Markt meßbare Effekte. Viele Faktoren, die die materielle Wohlfahrt einer Gesellschaft bestimmen, die aber nicht über den Markt organisiert werden, werden so nicht berücksichtigt. Die Bewertung stützt sich auf sehr enge wirtschaftliche Kriterien: den Effekt der Zuwanderung auf das Wirtschaftswachstum, die Pro-Kopf-Einkommensentwicklung sowie die Einkommensverteilung, die Inflationsrate, den technischen Fortschritt, die Produktivität, die Zahlungsbilanz sowie den Arbeitsmarkt.

Der Effekt auf das Wirtschaftswachstum ist nicht eindeutig, da es typischerweise Gewinner und Verlierer im Wachstumsprozeß gibt und somit Interessenkonflikte. Bestimmte Produktionsbereiche und damit die Arbeitskräfte in diesen Sektoren profitieren von Zuwanderung, andere Sektoren oder Tätigkeiten geraten unter Druck. In jenen Bereichen, in denen Zuwanderer mit inländischen Arbeitskräften in direktem Wettbewerb stehen, wird die Angebotsausweitung negative Einkommenseffekte für die Ansässigen haben; das sind vor allem Hilfsarbeiter oder generell Personen, die kaum in interne Arbeitsmärkte eingebaut sind. Insbesondere Berufe mit hohem Qualifikationsbedarf oder Kapitalbesitzer (z. B. Wohnungsvermieter) stehen hingegen kaum mit Zuwanderern in Wettbewerb. Sie werden daher in bezug auf ihr Einkommen von der Zuwanderung relativ zu Hilfsarbeitern und Sekundärarbeitskräften profitieren. Der Umverteilungseffekt wird bei Vollbeschäftigung, wenn die Gewerkschaftspolitik auf solidarische Lohnpolitik Wert legt, gering ausfallen. In Phasen oder Regionen der Unterauslastung der Arbeitskräfte kann allerdings eine Konzentration von Zuwanderern auf Widerstand treffen, wenn die Sozialpolitik einer relativen Verarmung von Hilfsarbeitern und Arbeitslosen gegenüber Besserverdienenden nicht entgegenwirkt.

Die Studie geht auch der Frage nach, ob Zuwanderung das soziale Sicherungssystem entlastet, belastet oder kosten- und nutzenneutral ist. Diese Frage bewegt Politiker und Wissenschafter gleichermaßen, da den ausgebauten Sozialsystemen westlicher Industrieländer infolge des Zusammenwirkens vieler Faktoren eine Finanzierungskrise droht. Die Beantwortung der Frage hängt nicht nur vom Ausmaß der Zuwanderung und den Charakteristika der Zuwanderer zu einem bestimmten Zeitpunkt ab, sondern vor allem von der zeitlichen Dynamik. Daher werden neben der Berechnung der Einnahmen-Ausgaben-Struktur zu einem bestimmten Zeitpunkt prinzipielle Überlegungen zur Kalkulation der fiskalischen Effekte der Zuwanderung auf das Sozialsystem diskutiert.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/1997!