3. September 1997 • Prognose für 1997 und 1998: Beschleunigung des exportgetragenen Wirtschaftswachstums • Markus Marterbauer

Die wichtigsten Konjunkturimpulse gehen 1997 vom kräftig steigenden Warenexport aus – das BIP wächst im Vorjahresvergleich real um 1,6%. 1998 wird die anhaltende Dynamik im Außenhandel von der einsetzenden Erholung der Inlandsnachfrage unterstützt. Mit einem Wirtschaftswachstum von real 2½% schließt Österreich nach vier Jahren wieder zum Durchschnitt der EU-Länder auf. Neben der nach wie vor ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt bildet das Ungleichgewicht in der Leistungsbilanz die wichtigste Herausforderung für die Wirtschaftspolitik. Hingegen bleibt der Preisauftrieb weiterhin sehr verhalten. Österreich wird 1997 die Konvergenzkriterien für den Eintritt in die Währungsunion erfüllen.

Die österreichische Wirtschaft erhält 1997 und 1998 ihre wichtigsten Impulse vom Warenaußenhandel. Einerseits erholt sich die europäische Konjunktur, vorerst noch mit mäßigem Tempo, aus der Stagnation, andererseits verstärkt die Aufwertung des Dollars die Auftriebskräfte. Der real-effektive Wechselkurs geht weiter kräftig zurück, zudem bewirken hohe Produktivitätszuwächse in der Industrie – die zum Teil durch Personalabbau unter starkem Wettbewerbsdruck bedingt sind – und eine zurückhaltende Lohnpolitik ein Sinken der relativen Lohnstückkosten in einheitlicher Währung gegenüber den Handelspartnern. Die Verbesserung der kostenbestimmten Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exportunternehmen ermöglicht Marktanteilsgewinne. Das Wachstum der Warenexporte beschleunigt sich auf real 7½% (1997) und 8½% (1998). Von den günstigeren Wechselkursrelationen profitiert auch der heimische Tourismus – real sinken 1997 die Deviseneinnahmen gegenüber dem Vorjahr noch, 1998 stagnieren sie.

Der starke Dollar bringt allerdings nicht nur eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Export, sondern auch steigende Importpreise und eine Verschlechterung der Terms of Trade mit sich. Trotzdem verlieren die österreichischen Unternehmen Marktanteile im Inland. Das Defizit in der Handelsbilanz steigt deshalb 1997 auf gut 5% des BIP, gleichzeitig nimmt der Überschuß in der Reiseverkehrsbilanz – vor allem aufgrund der weiter wachsenden Ausgaben der Österreicher im Ausland – nochmals ab, und in der Transferbilanz schlagen sich steigende Nettobelastungen aus den Zahlungen an die EU nieder. Die Leistungsbilanz bleibt mit einem Defizit von 2,2% des BIP im Ungleichgewicht, auch für 1998 kann keine merkliche Erholung erwartet werden.

Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Warenexport entfaltet bedeutende Zugkräfte für die Sachgütererzeugung. Diese sollte heuer um 3¼% und 1998 um 4¼% wachsen. Begünstigt sind in der aktuellen Phase des Konjunkturzyklus vor allem die Betriebe der technischen Verarbeitung. Hier können zusätzliche Impulse erwartet werden, sobald die Investitionszurückhaltung in Westeuropa nachläßt. Dies dürfte allerdings auf breiter Basis erst bei stärkerer Nachfrage und nach der endgültigen Entscheidung über die Währungsunion im Frühjahr 1998 der Fall sein. In Österreich hingegen legen die Industrieinvestitionen in beiden Prognosejahren nochmals gegenüber dem hohen Niveau von 1996 zu. Die gesamten Ausrüstungsinvestitionen werden um 5% bzw. 7% ausgeweitet.

Die Inlandsnachfrage bleibt 1997 – bedingt vor allem durch das Inkrafttreten weiterer Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung – sehr verhalten. Trotz eines Rückgangs der verfügbaren persönlichen Realeinkommen (–0,8%) konsumieren die privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahr etwas mehr (+0,5%) – die Sparquote sinkt um gut 1 Prozentpunkt. Erst 1998 werden sich Einkommenssituation und Konsumausgaben wieder erholen; die günstigere Konjunktur und das Nachlassen des Restriktionsgrades der Budgetpolitik ermöglichen dann ein Wachstum der verfügbaren Einkommen und des privaten Konsums um jeweils real 1½%. Unter der Investitionszurückhaltung der öffentlichen Gebietskörperschaften leidet auch die Bauwirtschaft. Ihre Produktion wird 1997 und 1998 stagnieren. Allerdings erschließen neue Finanzierungsmodelle mittelfristig Potentiale im Tiefbau. Der Nachholbedarf im Wohnbau scheint weitgehend gedeckt, während sich der Sanierungsbereich durch die Notwendigkeit der bauwirksamen Auflösung von Mietzinsreserven dynamischer entwickelt.

Die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums bringt im Prognosezeitraum noch keine deutliche Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Zwar steigt die Beschäftigung infolge der Ausweitung der Teilzeitarbeit und des Jahresdurchrechnungsmodells in der Bauwirtschaft (1997 +8.000, 1998 +18.000), die Arbeitslosenquote stagniert aber heuer auf hohem Niveau und wird erst im kommenden Jahr leicht zurückgehen (auf 4,3% der Erwerbspersonen nach Eurostat bzw. 6,9% der unselbständigen Erwerbspersonen nach traditioneller österreichischer Berechnung).

Der Preisauftrieb hat sich zuletzt neuerlich abgeschwächt. Die mittelfristigen Auswirkungen des EU-Beitritts werden nun zunehmend auch in den Dienstleistungspreisen wirksam, das umfangreiche Wohnungsangebot drückt die Mieten, und die schwache Nachfrage nach Konsumgütern verschärft den Konkurrenzdruck. Die Inflationsrate erreicht 1997 nur 1,4% und wird 1998 bedingt durch die Dollaraufwertung geringfügig steigen (+1,6%).

Österreich erfüllt 1997 gemäß der vorliegenden Prognose die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrags. Zinsniveau und Inflationsrate gehören zu den niedrigsten in Europa, und eines der umfangreichsten Konsolidierungspakete innerhalb der EU erlaubt zusammen mit unterschiedlichen Maastricht-konformen Budgetausgliederungen die Einhaltung der Fiskalkriterien. Der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte beträgt 1997 –2,8% des BIP. Vom anziehenden Einkommens- und Konsumwachstum profitieren ab 1998 auch die öffentlichen Haushalte – der Finanzierungssaldo verbessert sich leicht.

Neue statistische Grundlagen des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in Österreich

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist in Österreich vom System of National Accounts (SNA 68) auf das Europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 79) übergegangen. Gleichzeitig wurden die "Ohne-Rechnungs-Geschäfte" in die VGR einbezogen und eine Revision der VGR durchgeführt. Die vorliegende Konjunkturprognose des WIFO basiert erstmals auf dem ESVG 79. Das nominelle Bruttoinlandsprodukt macht nach diesen Umstellungen für das Ausgangsjahr 1995 2.326 Mrd. S aus, um 26 Mrd. S weniger als in der bisherigen Rechnung. Die Neuberechnung hat die bis dahin bestehende Überschätzung der Entstehungsseite des BIP und der Einkommen aus Besitz und Unternehmung (einschließlich Statistischer Differenz) korrigiert, wenn auch – aufgrund des Fehlens einer vollständigen Verteilungsrechnung – Unsicherheiten bestehen bleiben. Dadurch ist nun u. a. die Sparquote um fast 3 Prozentpunkte niedriger – sie beträgt für 1995 10,5%. Eine Jahresrechnung für 1996 einschließlich Revision der Vorjahre wird für Ende September erwartet.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/1997!