19. August 1997 • Liberalisierung im Elektrizitätssektor erfordert Regulierung • Norbert G. Knoll

Erfahrungen aus Dänemark und Großbritannien zeigen, daß die Liberalisierung des Marktzutritts im Elektrizitätssektor auch eine Reform des Regulierungsrahmens erfordert. Die Gewährleistung umwelt-, sozial-, technologie- und allgemein wirtschaftspolitischer Ziele kann durch neue Regulierungsinstrumente in der Elektrizitätswirtschaft unterstützt werden. Gezielte Maßnahmen der Regulierung werden in Zukunft insbesondere zur Stärkung der umwelt- und technologiepolitischen Komponente erforderlich und können durchaus im Einklang mit Wettbewerb auf den Märkten eingeführt werden. Großbritannien fördert seit der Einführung von Wettbewerb im Elektrizitätssektor erneuerbare Energieträger mit 1% der Umsätze der Elektrizitätswirtschaft. Für den österreichischen Elektrizitätsmarkt würde dies ein Fördervolumen von 500 Mill. S jährlich ergeben; in Diskussion ist derzeit in Österreich ein jährliches Fördervolumen von rund 140 Mill. S.

Durch die Umsetzung der Binnenmarktrichtlinie 96/92/EG wird eine Liberalisierung des Marktzutritts im Elektrizitätssektor europaweit eingeleitet. Die daraus resultierenden neuen qualitativen Erfordernisse der Regulierung machen die Einrichtung unabhängiger Regulierungsbehörden erforderlich. Im Übergang von monopolistisch organisierten Märkten zu Wettbewerbsmärkten erweist sich eine Korrektur des Marktmechanismus als sinnvoll, um insbesondere eine Steigerung der Energieeffizienz und den verstärkten Einsatz von Technologien und Systemen auf Basis erneuerbarer Energieträger zu gewährleisten.

Aus den Regulierungserfahrungen Großbritanniens auf einem bereits liberalisierten Elektrizitätsmarkt lassen sich folgende allgemeine Anforderungen an das Regulierungssystem ableiten:

  • Vermeidung einer ungleichen Belastung künftig im Wettbewerb stehender Unternehmen,
  • Eindämmung der Kostenbelastung für die Konsumenten insgesamt und Verhinderung diskriminierender Verteilung der Belastungen zwischen verschiedenen Konsumentengruppen (z. B. Großkunden in der Industrie, private Haushalte),
  • Sicherung oder Ausweitung des Anteils der Energieerzeugungskapazitäten mit niedrigen CO2-Emissionen,
  • Weiterentwicklung von Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energieträger und zur Schaffung eines Testmarktes für Technologien und Systeme in einer überwiegend vorkommerziellen Entwicklungsstufe.

Spezifische Anforderungen an den Instrumenteneinsatz spiegeln sich in den Anpassungen, die in Großbritannien im Zuge der Ausschreibungen der Non-Fossil Fuel Obligation (NFFO) seit 1990 gemacht wurden. Insbesondere ist die Verhandlungsmacht von etablierten Elektrizitätserzeugern einerseits und Betreibern von Projekten auf Basis erneuerbarer Energieträger andererseits zu neutralisieren. Ein kosteneffizienter Instrumenteneinsatz (Verwaltungsaufwand, Mitnahmeeffekte) kann durch Ausschreibungen erreicht werden. Das Sammeln von Erfahrungen und eine regelmäßige Evaluierung der Regulierungswirkungen sollen zu Lerneffekten und zur Verbesserung des Instrumenteneinsatzes genutzt werden. Die dynamische Anpassung der eingesetzten Instrumente soll auf längere Sicht einen Verzicht auf Förderungen möglich machen.

Bestimmte Anforderungen an Projekte bzw. Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energieträger wären bei der Konzeption der Regulierung zu berücksichtigen. Das Förderungsdesign müßte Investitionssicherheit für die Projekte bei gleichzeitiger Vermeidung von "geförderten Investitionsruinen" und Mitnahmeeffekten gewährleisten. Förderungen in Abhängigkeit von der Menge der eingespeisten Elektrizität wären somit einer reinen Investitionsförderung vorzuziehen. Die Sicherstellung eines garantierten Abnahmepreises für eine bestimmte Abnahmemenge über einen Zeitraum, der eine Amortisation des Projektes erlaubt (z. B. 15 Jahre wie im Falle der NFFO), würde sowohl für die Projektbetreiber als auch für Investoren (Fremdkapitalgeber) Investitionssicherheit schaffen. Über eine garantierte Abnahmemenge hinaus könnten Lieferungen zum aktuellen Wettbewerbspreis auf dem Markt eingespeist werden. Die Investitionsanreize für Projekte auf Basis erneuerbarer Energieträger sollten sich nicht auf neue Anbieter beschränken, sondern auch den traditionellen Anbietern, die langfristig über den Großteil der Erzeugungskapazitäten verfügen, Gelegenheit zu technologischem und organisatorischem Lernen mit diesen Technologien bieten. Die Einspeistarife sollten durch Differenzierung zwischen laufenden und neuen Projekten sowie abhängig von der eingesetzten Technologie bzw. ihrer Reife bestimmt werden.

Besonders wichtig erscheinen Anreize zum Ausschöpfen des technologischen und organisatorischen Lernpotentials der einzelnen Projekte sowie zur laufenden Verbesserung der in den Projekten eingesetzten Technologien. Ausschreibungsmechanismen können dabei eine besondere Rolle spielen und – wie das Beispiel der NFFO zeigt – den Subventionsbedarf verringern. Damit bleibt die Frage der Finanzierbarkeit solcher Fördermaßnahmen. Auch hier zeigt das Beispiel der NFFO, daß die Einführung von Wettbewerb auf den Märkten nicht das primäre Hindernis ist. Von einer gleichmäßigen Belastung aller Elektrizitätsversorger bzw. -konsumenten mit einer Abgabe zur Förderung erneuerbarer Energieträger im Ausmaß von 1% bis 2% der Stromumsätze gehen in Großbritannien keine gravierenden marktverzerrenden Folgewirkungen aus – die Belastung der britischen Marktpreise durch Subventionierung von Nuklearstrom macht fast das Zehnfache aus. Vor diesem Hintergrund ist ein von den österreichischen Elektrizitätsversorgern vorgeschlagenes Generalübereinkommen zur Förderung von Projekten auf Basis erneuerbarer Energieträger mit jährlich rund 140 Mill. S eher niedrig angesetzt. Bei einem Nettoumsatz der heimischen Elektrizitätswirtschaft von rund 53 Mrd. S würde eine Belastung der Stromumsätze mit 1% ein jährliches Fördervolumen von rund 530 Mill. S ergeben.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/1997!