9. Juni 1997 • Erhebliche Verschlechterung der Leistungsbilanz • Markus Marterbauer

Die stärker von der Inlandsnachfrage abhängigen Wirtschaftsbereiche leiden unter dem Rückgang der Netto-Realeinkommen. Nur ein Rückgang der Sparquote erlaubt eine Stabilisierung der Konsumausgaben. Begünstigt sind jene Industriebereiche, die am langsamen Konjunkturaufschwung in Europa partizipieren. Dennoch erhöht sich das Defizit der Leistungsbilanz im I. Quartal deutlich. Die leichte Belebung auf dem Arbeitsmarkt ist sowohl auf die Konjunkturerholung als auch auf Effekte von längeren Ladenöffnungszeiten zurückzuführen.

Die Industriekonjunktur hat sich in den ersten Monaten 1997 weiter belebt. Mangels Produktionsdaten muß die Konjunkturanalyse auf Umfrageergebnisse zurückgreifen. Diese zeigen eine Aufwärtstendenz. Die Unternehmen verzeichnen eine deutliche Verbesserung der Auftragslage und reagieren vereinzelt bereits mit stärkerer Beschäftigungsnachfrage. Die Ausweitung der Produktion profitiert in erheblichem Ausmaß vom Wachstum der Auslandsmärkte und von der günstigeren Wettbewerbssituation infolge des Rückgangs des real-effektiven Wechselkurses.

Die Konjunkturumfragen der EU-Kommission deuten darauf hin, daß die verhaltene Belebung der europäischen Konjunktur – und damit die Nachfrage nach österreichischen Produkten – anhält. Besonders kräftig expandieren Produktion und Nachfrage in Großbritannien und Skandinavien – diesen Ländern kommt ihre enge Handelsverflechtung mit dem Wachstumsmotor USA zugute. Auch in Deutschland bessert sich die Stimmung in der Industrie deutlich, ein selbsttragender Investitionsaufschwung hat aber bislang nicht eingesetzt. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich weiter. Besorgniserregend ist die Entwicklung in Italien, Österreichs zweitgrößtem Handelspartner: Restriktive Wirtschaftspolitik und Liraaufwertung haben das Wirtschaftswachstum zur Jahreswende zum Stillstand gebracht.

Der heimische Tourismus entwickelt sich ungünstig. Die Zahl der Nächtigungen lag im I. Quartal trotz des frühen Ostertermins um 3% unter dem Vorjahreswert. Einzig die Zahl der italienischen Gäste steigt – sie profitieren von der veränderten Wechselkurssituation. Auch die Zahl der inländischen Gäste geht markant zurück. Schwache Nachfrage kennzeichnet die Situation im Einzelhandel. Die Umsätze stagnierten im I. Quartal, erste Ergebnisse für den April deuten auf einen Umsatzeinbruch gegenüber dem Vorjahreswert hin, der allerdings durch Vorziehkäufe überhöht war. Die Schwäche der Inlandsnachfrage wird vor allem von der mäßigen Entwicklung der Einkommen bestimmt: Die Bruttolöhne steigen in realer Rechnung kaum, und aufgrund der kräftigen Erhöhung der Abzüge und der Transferkürzungen sinken die Netto-Masseneinkommen real deutlich. Nur ein weiterer Rückgang der Sparquote erlaubt eine Stabilisierung der Konsumausgaben.

Die leichte Konjunkturbelebung zeigt relativ früh Effekte auf dem Arbeitsmarkt, vor allem in einigen Industriezweigen und im Bereich der wirtschaftsnahen Dienstleistungen. Von Jänner bis Mai lag die Beschäftigung (ohne Bezieher von Karenzurlaubsgeld und Präsenzdiener) im Durchschnitt um 14.500 über dem Vorjahresniveau (Mai +10.700). Diese Entwicklung dürfte durch Effekte wirtschaftspolitischer Maßnahmen – Ausweitung der Ladenöffnungszeiten – verstärkt werden. So übertraf der Beschäftigtenstand im Handel den Vorjahreswert – infolge der Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung – zuletzt deutlich (+4.000). Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug im Mai laut Eurostat 4,4% der Erwerbspersonen, nach traditioneller Berechnung 7,1% der unselbständigen Erwerbspersonen. Auf eine offene Stelle kamen 10 Arbeitslose.

Der Preisauftrieb stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Zur Teuerungsrate von 1,5% im April trugen primär die Bereiche Verkehr und Energie sowie der Wohnungsaufwand bei. Vor allem Steuer- und Abgabenerhöhungen sowie Sondereffekte (Verteuerung von Erdöl und Kaffee) bestimmen die Inflationsentwicklung. Die marktbestimmten Preise vieler Dienstleistungen und der industriell-gewerblichen Waren steigen kaum.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 6/1997!