2. Mai 1997 • Ökonomische und strukturelle Aspekte der Ausländerbeschäftigung in Österreich • Gudrun Biffl

Österreich hat zwischen 1989 und 1995 eine große Zahl an Zuwanderern aufgenommen. Das Ausmaß der jüngsten Zuwanderung ist geringer als der Flüchtlingszustrom in der Nachkriegszeit und entspricht etwa dem der Gastarbeiterzuwanderung Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. Während die Zuwanderung von Ausländern in den sechziger und frühen siebziger Jahren in der Politik und von der Bevölkerung überwiegend positiv beurteilt wurde und die Flüchtlingswelle nach Ende des 2. Weltkrieges keine Diskussion um eventuelle Integrationsprobleme und negative Effekte auf Sozialbudgets infolge verstärkter Konkurrenzierung der Inländer auf dem Arbeitsmarkt auslöste, macht sich bei der jüngsten Zuwanderungswelle Unruhe in der Bevölkerung bemerkbar, die aus der Sorge resultiert, die Zuwanderer könnten die Inländer am Arbeitsmarkt ungebührlich konkurrenzieren und den Wohnungsmangel im Billigsegment verschärfen. Den Gründen für den Wandel in der Einschätzung der Zuwanderung wird in der vorliegenden Studie nachgegangen. Die Forschungsergebnisse sollen den Pressevertretern in einer Informationsveranstaltung im WIFO vorgestellt werden. Die Autoren und Autorinnen werden bei der Pressekonferenz für eine Diskussion zur Vertiefung der Erkenntnisse anwesend sein (siehe im Anhang die Liste der Themen und die Forscher und Forscherinnen, die diese Themen bearbeitet haben).

Bis vor kurzem war Österreich ein Spezialfall in bezug auf Migrationen, da es sowohl ein Zuwanderungsland für Ausländer als auch ein Abwanderungsland von Österreichern ins Ausland war. In den achtziger Jahren änderte sich das. Die früheren Emigrationsländer Südeuropas wurden zu Einwanderungsländern und in den letzten Jahren auch unsere östlichen Nachbarländer bei gleichzeitiger Abwanderung von Teilen der eigenen Bevölkerung.

Die EU-Mitgliedschaft Österreichs sowie die Demokratisierung in Zentral- und Osteuropa hatten nicht nur einen Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs, sondern beeinflußten auch das Rechtssystem. Unter anderem brachten sie die gesamte institutionelle und gesetzliche Organisation der Ausländerfrage im weitesten Sinn in Österreich in Bewegung.

Die österreichische Migrationspolitik war in ihrem Ursprung rein arbeitsmarktorientiert. Sie hatte daher die rasche Integration der Ausländer im Gegensatz zu Einwanderungsländern nicht zum Ziel. Erst als erkannt wurde, daß aus kurzfristiger Zuwanderung infolge von Familiengründung und -zusammenführung eine Niederlassung bzw. de-facto-Einwanderung geworden war, setzte Mitte der achtziger Jahre eine Integrationspolitik ein, die eine stufenweise Gleichstellung mit Inländern in gewissen Bereichen (abhängig von der Arbeits- bzw. Aufenthaltsdauer in Österreich) zum Ziel hatte.

Da es infolge des Zusammenwirkens von Pull- und Pushfaktoren zwischen 1989 und 1993 zu einem abrupten Zuwanderungsschub von Ausländern nach Österreich gekommen ist, setzte infolge der verschlechterten Wirtschaftslage und der massiven Umstrukturierung der Arbeitsmärkte, die die Zahl der Arbeitslosen anschwellen ließ, eine restriktive Ausländerpolitik ein. Sie hatte nicht mehr die erleichterte Integration der Ausländer in Österreich zum Ziel, sondern zielte tendenziell auf die Ab(Rück)wanderung von Ausländern der verschiedensten rechtlichen Kategorien ab.

Die EU-Mitgliedschaft Österreichs hatte einen gewissen Autonomieverlust im Bereich der Migrationspolitik zur Folge. Einerseits gilt für EU-Staatsbürger in Österreich Freizügigkeit, andererseits müssen gewisse Bereiche der Migrationspolitik koordiniert werden (Schengenabkommen, Assoziationsabkommen mit der Türkei). Zwar verbleibt die Regelung der Niederlassung und Arbeitsgenehmigung für Drittstaatsangehörige (80% der derzeitigen Ausländer in Österreich) im Autonomiebereich der einzelnen Mitgliedsländer, trotzdem findet eine gewisse internationale Abstimmung in der Behandlung von Drittstaatsangehörigen statt. Dies ist nicht nur aus sozialpolitischer Sicht sinnvoll (Antidiskriminierung und Gleichbehandlung) sondern auch gesamtwirtschaftlich effizient, da Marktmechanismen nicht verzerrt werden.

Struktur und Löhne

Ausländische Arbeitskräfte sind in stärkerem Maße als Inländer in Klein- oder Kleinstbetrieben beschäftigt sowie in Mittelbetrieben. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten sind sie kaum vertreten. Dieses Strukturmerkmal weist darauf hin, daß Ausländer als "Outsider" nur vergleichsweise selten in österreichische Großbetriebe mit differenzierten internen Arbeitsmärkten Eingang fanden. Wenn, dann war es im wesentlichen ein Resultat der internationalen Kapital-, Markt- und Firmenvernetzung. Die Qualifikationsstruktur der Ausländer weist eine starke Bipolarität auf. Ausländer sind entweder als Hilfs- und Anlernarbeiter tätig oder als hochqualifizierte Führungskräfte. Im mittleren Qualifikationssegment finden sie kaum Beschäftigungsmöglichkeiten.

Die mittleren Löhne der in Österreich beschäftigten ausländischen Arbeiter lagen 1993 um 18%, bei den Frauen um 3% (allerdings bei einer um 11 Prozentpunkte geringeren Teilzeitquote) unter den entsprechenden Werten für österreichische Arbeiter und Arbeiterinnen. Auffällig ist, daß die Einkommensverteilung der Männer sowohl bei Ausländern als auch bei Inländern dreibuckelig ist, d. h. daß es neben der Konzentration der Beschäftigung auf mittlere Einkommen sowohl im untersten als auch im obersten Lohnsegment zu zum Teil deutlichen Beschäftigungskonzentrationen kommt. Die Bezügestruktur der unselbständig beschäftigten Frauen weist weder bei Inländerinnen noch bei Ausländerinnen einen merklichen Höcker im oberen Einkommenssegment auf. Frauen konnten zwar in mittlere Einkommensbereiche aufrücken, im obersten Einkommenssegment waren aber kaum In- oder Ausländerinnen präsent.

Als zentrales Ergebnis zu den Arbeitsbelastungen und Arbeitsbedingungen zeigt sich, daß ausländische Arbeitskräfte in Österreich, sobald sie einen Arbeitsplatz gefunden haben, offenbar keine spürbar schlechteren Bedingungen vorfinden als Inländer/innen. Umfang und Ausmaß der Arbeitsbelastungen werden im wesentlichen durch die Tätigkeitsbereiche (Berufe und Branchen) der Beschäftigten bestimmt.

Makroökonomische Effekte

Eine volkswirtschaftliche Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen der Zuwanderung von Ausländern konzentriert sich auf monetäre, am Markt meßbare Effekte. Daraus resultiert, daß viele Faktoren, die die materielle Wohlfahrt einer Gesellschaft bestimmen, die aber nicht über den Markt organisiert werden, nicht berücksichtigt werden. Üblicherweise werden sehr enge wirtschaftliche Kriterien zur Bewertung herangezogen; im wesentlichen der Effekt der Zuwanderung auf das Wirtschaftswachstum, die pro Kopf Einkommensentwicklung sowie die Einkommensverteilung. Weitere wesentliche Faktoren betreffen Auswirkungen auf die Inflationsrate, den technischen Fortschritt, die Produktivität sowie die Zahlungsbilanz.

Der Effekt auf das Wirtschaftswachstum ist nicht eindeutig, da es typischerweise Gewinner und Verlierer im Wachstumsprozeß gibt und somit Interessenskonflikte. Es gibt Produktionsbereiche, die von der Zuwanderung profitieren und damit die Arbeitskräfte in diesen Sektoren, es gibt aber ebenso Sektoren/Tätigkeiten, die durch Zuwanderung unter Druck geraten. In jenen Bereichen, in denen Zuwanderer mit inländischen Arbeitskräften in einer direkten Wettbewerbssituation stehen, wird die Angebotsausweitung negative Einkommenseffekte für die Ansässigen haben; das sind vor allem Hilfsarbeiter oder generell Personen, die kaum in interne Arbeitsmärkte eingebaut sind. Personen in anderen Bereichen, insbesondere in Berufen mit hohem Qualifikationsbedarf oder Kapitalbesitzer (z. B. Wohnungsvermieter), stehen kaum mit Zuwanderern in Wettbewerb. Sie werden daher von der Zuwanderung relativ zu den Hilfsarbeitern und Sekundärarbeitskräften einkommensmäßig profitieren. Der Umverteilungseffekt wird in Zeiten der Vollbeschäftigung, wenn unterstützt von starken Gewerkschaften, gering ausfallen. In Phasen/Regionen der Unterauslastung der Arbeitskräfte kann allerdings eine Konzentration von Zuwanderern Unruhe auslösen, wenn die Sozialpolitik einer relativen Verarmung der Hilfsarbeiter und Arbeitslosen gegenüber den Besserverdienenden nicht entgegenwirkt.

In der Studie wird auch der Frage nachgegangen, ob die Zuwanderung das soziale Sicherungssystem entlastet, belastet oder kosten-nutzen-neutral ist. Diese Frage bewegt Politiker und Wissenschafter gleichermaßen, da den ausgebauten Sozialsystemen westlicher Industrieländer infolge des Zusammenwirkens vieler Faktoren eine Finanzierungskrise droht. Die Beantwortung der Frage hängt nicht nur vom Ausmaß der Zuwanderung und den Charakteristika der Zuwanderer zu einem bestimmten Zeitpunkt ab, sondern vor allem von der zeitlichen Dynamik. Es wird daher neben der Berechnung der Einnahmen-Ausgabenstruktur zu einem bestimmten Zeitpunkt (dem Jahr 1993) den prinzipiellen Überlegungen bei der Kalkulation der fiskalischen Effekte der Zuwanderung auf das Sozialsystem Raum gegeben. In einem eigenen Abschnitt wird auf die Wohnungspolitik und die Rolle, die den Ausländern zukommt, genauer eingegangen.