16. April 1997 • Wirtschaftstendenzen in der EU 1996. Verhaltene Konjunkturbelebung ohne Entlastung für Arbeitsmarkt und öffentliche Haushalte • Markus Marterbauer

Mit einem Wirtschaftswachstum von real 1½% blieb die Konjunktur in der EU 1996 sehr schwach. Einzig der Export entwickelte sich – aufgrund reger Nachfrage aus den USA und Osteuropa sowie wechselkursbedingt günstigerer Wettbewerbsfähigkeit – dynamischer. Ein investitionsgetragener Konjunkturaufschwung hat 1996 noch nicht eingesetzt. Das schwache Wachstum von Produktion und Nachfrage ließ auf dem Arbeitsmarkt keine Entlastung zu und erschwerte die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Die Konjunktur entwickelte sich in Westeuropa 1996 neuerlich sehr zurückhaltend. Die nach dem Ende der Rezession 1992/93 kräftige Dynamik ging schon im 1. Halbjahr 1995 aufgrund instabiler Wechselkurse, hohen Zinsniveaus und restriktiver Fiskalpolitik verloren. Bis ins 1. Halbjahr 1996 blieben Nachfrage und Produktion schwach. Die leichte und langsame Erholung, die dann einsetzte, war vor allem von der Warenausfuhr getragen. Die Importe wichtiger Handelspartner der EU – vor allem der USA und Osteuropas – wuchsen deutlich, und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exporteure verbesserte sich durch die wachsende Stärke des Dollars. Auch der Außenhandel zwischen den EU-Ländern dürfte kräftig gewachsen sein. Produktionserwartungen und Vertrauensindikatoren haben sich seit Jahresmitte in der Industrie erheblich verbessert.

Gedämpft wurde die Konjunkturentwicklung vor allem durch die – aufgrund der hohen öffentlichen Budgetdefizite nach der Rezession 1992/93 – simultan von der Mehrzahl der EU-Länder verfolgte strikte Konsolidierungspolitik, die die inländische Konsum- und Investitionsnachfrage und – wegen der engen Handelsverflechtung zwischen den EU-Ländern – auch die Auslandsnachfrage bremste. Das Verbrauchervertrauen blieb in der Mehrzahl der Länder sehr zurückhaltend.

Das Wirtschaftswachstum war im europäischen Durchschnitt zu schwach, um eine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen, die Beschäftigung stagnierte, und die Arbeitslosenquote erhöhte sich auf 11%. Günstiger war die Arbeitsmarktentwicklung in den Ländern mit überdurchschnittlicher Expansion von Produktion und Nachfrage, etwa Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien. Am stärksten stieg die Arbeitslosenquote mit jeweils +¾ Prozentpunkten in Deutschland, Frankreich und Schweden.

Die schwache Konjunktur erschwerte über mäßiges Abgabenwachstum und steigende Ausgaben im Zusammenhang mit der hohen Arbeitslosigkeit die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Trotz umfangreicher diskretionärer Maßnahmen im Steuer- und Ausgabenbereich sank die durchschnittliche Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte in der EU nur leicht auf 4½% des BIP (1995 5%).

Die Inflation hat weiterhin fallende Tendenz, die durchschnittliche Preissteigerung betrug in der EU 1996 2½%. Der Rückgang war in Ländern mit traditionell höherer Inflationsrate besonders markant: In Italien ließ der Preisauftrieb von 5,6% im Dezember 1995 auf 2,7% im Dezember 1996 nach. Ein Inflationsrisiko ist in der aktuellen Konjunktursituation nicht gegeben.

Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit

 

Brutto-Inlandsprodukt

Arbeitslosenquote1)

 

1994

1995

1996

1994

1995

1996

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %, real

In % der Erwerbspersonen

             

EU

+2,9

+2,5

+1,6

11,1

10,8

10,9

             

Deutschland

+2,9

+1,9

+1,4

8,4

8,2

9,0

Frankreich

+2,8

+2,2

+1,3

12,3

11,6

12,3

Italien

+2,1

+3,0

+0,8

11,4

11,9

12,1

Großbritannien

+3,8

+2,5

+2,3

9,6

8,8

8,2

Spanien

+2,1

+2,8

+2,2

24,1

22,9

22,3

Niederlande

+3,4

+2,1

+2,7

7,1

7,0

6,6

Schweden

+3,3

+3,6

+1,7

9,8

9,2

10,0

Belgien

+2,3

+1,9

+1,4

10,0

9,9

9,8

Österreich

+3,0

+1,8

+1,0

3,7

3,8

4,1

Dänemark

+4,4

+2,8

+2,0

8,2

7,1

6,0

Finnland

+4,4

+4,2

+2,3

17,9

16,6

15,7

Portugal

+0,8

+2,4

+2,5

7,0

7,3

7,3

Griechenland

+2,2

+2,0

+2,0

9,6

10,0

10,1

Irland

+7,3

+10,7

+7,0

14,3

12,4

12,3

Luxemburg

+4,2

+3,7

+2,3

3,2

2,9

3,1

Q: Europäische Kommission, WIFO. – Laut Eurostat.