2. April 1997 • Prognose für 1997 und 1998: Exportgetragene Konjunktur bessert Leistungsbilanz kaum • Georg M. Busch

Vom Warenexport sollten 1997 entscheidende Impulse kommen und dem Wirtschaftswachstum mehr Schwung verleihen. Die Inlandsnachfrage bleibt verhalten, die restriktive Wirkung der Budgetkonsolidierung könnte sich aber als schwächer erweisen als zunächst vielfach befürchtet. Die Leistungsbilanz ist weiterhin deutlich passiv, was auf strukturelle Wettbewerbsschwächen hindeutet. Vor allem im Inland erscheint die Marktposition heimischer Anbieter labil.

Nachfrage und Produktion ziehen in Österreich seit nunmehr einem Jahr mäßig an, eine Belebung der Konjunktur drückt sich darin aber allenfalls seit vergangenem Herbst aus. Impulse gaben zunächst im Frühjahr 1996 Industrieproduktion und Bautätigkeit, die Rückstände aus dem langen und ungewöhnlich kalten Winter aufzuarbeiten hatten. Gegen Jahresmitte lösten die in Aussicht genommenen Maßnahmen zur Budgetsanierung – darunter die Erhöhung der Normverbrauchsabgabe für Pkw – eine Welle von Vorziehkäufen dauerhafter Konsumgüter aus. Entgegen manchen Erwartungen erlitt der private Verbrauch jedoch auch nach Inkrafttreten der ersten Steuererhöhungen und Kürzungen von Sozialleistungen keinen massiven Rückschlag: Eher waren die Haushalte bereit, ihre Spartätigkeit einzuschränken als die Verbrauchsausgaben. Schließlich beschleunigte sich ab Oktober, wie erhofft, das Exportwachstum dank der günstigeren Wechselkursentwicklung und der allmählichen Überwindung der Stagnation in Westeuropa. Das Brutto-Inlandsprodukt stieg mit +1% im Jahresdurchschnitt 1996 etwas rascher als bisher erwartet.

Bleibt die Lage auf den Devisenmärkten einigermaßen stabil – was freilich im Hinblick auf die politischen Entscheidungen zur Schaffung der Europäischen Währungsunion als keineswegs gesichert gelten kann –, sollte der Warenexport genügend Zugkraft entfalten, um das Wachstum des BIP allmählich zu festigen und bis 1998 wieder an den mittelfristigen Trend heranzuführen. Österreichs internationale Wettbewerbsposition verbessert sich voraussichtlich nicht nur aufgrund des effektiven Wechselkurses, sondern auch aufgrund der Entwicklung der Arbeitskosten; die rege Nachfrage nach Vorprodukten im allgemeinen Aufbau der Vorratslager begünstigt heimische Anbieter und sollte es ihnen ermöglichen, Exportmarktanteile hinzuzugewinnen.

Günstigere Wechselkursrelationen könnten auch der österreichischen Tourismuswirtschaft zumindest eine Atempause verschaffen. Nach jahrelangem Rückgang wird die Nachfrage aus dem Ausland kaum mehr sinken. Eine Trendumkehr und damit ein positiver Nettobeitrag des Reiseverkehrs zum Wachstum des BIP sind dennoch nicht in Sicht.

Von entscheidender Bedeutung für den weiteren Konjunkturverlauf in ganz Westeuropa wird sein, ob und wie rasch die Impulse vom Export auf die Investitionstätigkeit übergreifen. In Österreich scheinen die Aussichten hiefür vergleichsweise günstig, da die Investitionsbereitschaft schon 1996 unter schwierigen Bedingungen durchaus hoch war und die entsprechenden WIFO-Umfragen zumindest für heuer keine markante Verhaltensänderung signalisieren. Viele Unternehmen stehen unter erhöhtem Konkurrenz- und Modernisierungsdruck, Ertragslage und Finanzierungskosten scheinen zufriedenstellend bis günstig, wenngleich die Effekte einzelner Maßnahmen des "Sparpakets" das Bild trüben.

Das bisher robuste Konsumverhalten wird heuer einer womöglich noch stärkeren Belastungsprobe unterzogen. Eine Reihe von fiskalischen Restriktionsmaßnahmen trat erst Anfang 1997 in Kraft, die verfügbaren Realeinkommen der Haushalte werden spürbar knapper, die Arbeitsmarktaussichten kaum besser. Es ist nicht auszuschließen – wenn auch konkrete Hinweise hiefür bislang fehlen –, daß diese negativen Umstände erst mit entsprechender Verzögerung in vollem Umfang wahrgenommen werden und einen deutlichen Rückschlag in der Konsumneigung zur Folge haben. Die 1996 vorgezogenen größeren Anschaffungen fallen heuer aus, das Verbrauchsvolumen wird deshalb im 1. Halbjahr unter das Vorjahresniveau sinken; im Jahresdurchschnitt ist mit einer geringfügigen Steigerung um ½% zu rechnen. Wenn 1998 die Konjunkturbelebung Konturen gewinnt, wird dies auch das Konsumklima bessern; der erfolgreiche Abschluß der ersten Phase der Budgetsanierung sollte ebenfalls dazu beitragen.

Die Projektion der Nachfrageaggregate läßt eine allmähliche Beschleunigung des BIP-Wachstums auf 1,4% im Durchschnitt 1997 und auf 2,2% 1998 erwarten. Kommen zunächst die entscheidenden Impulse vom Warenexport, so tragen in weiterer Folge auch die privaten Ausgaben im Inland, vor allem für Konsumgüter, wieder stärker zum Wachstum bei. Aus heutiger Sicht belebt sich die Konjunktur dennoch – gemessen an früheren Aufschwungphasen – nur schrittweise. Österreichs Wirtschaft wächst im internationalen Vergleich weiterhin schleppend, wenngleich sie den Rückstand verringern kann. Um den früheren Vorsprung wieder herzustellen, bedarf es neben der Zugkraft der Konjunktur einer Erweiterung des Wachstumspotentials durch institutionelle und Strukturreformen in einer Reihe von Wirtschaftsbereichen.

Auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Lage seit Herbst 1996 kaum mehr verschlechtert. Industrie und Baugewerbe hatten unüblich rasch auf die Konjunkturschwäche reagiert und unverzüglich den Personalstand gekürzt. Die erste Rationalisierungswelle der heute stärker dem Wettbewerb ausgesetzten Dienstleistungssparten dürfte verebbt sein. Daher ist für 1997 – bei geringfügig besseren Wachstumsaussichten als bisher – per Saldo kein weiterer Rückgang der Beschäftigung, sondern vielmehr eine geringfügige Steigerung anzunehmen. Die Arbeitslosigkeit hält vorerst das im internationalen Vergleich niedrige Niveau.

Der Preisauftrieb bleibt schwach, die Inflationsrate verharrt über den gesamten Prognosezeitraum unter 2%. Die gedämpfte Endnachfrage und zunehmende Wettbewerbsintensität erschweren Preiserhöhungen und drücken die Gewinnmargen, die labile Arbeitsmarktlage und forcierte Rationalisierung bringen ihrerseits den Auftrieb der Lohnstückkosten zum Stillstand.

Das zunehmende Wachstumsgefälle zwischen Export und Inlandsnachfrage und die günstige Wechselkursentwicklung konnten bisher das Ungleichgewicht in der Leistungsbilanz kaum verringern (die Abnahme des Defizits gegenüber dem Vorjahr war ausschließlich geringeren Nettozahlungen zum EU-Haushalt zuzuschreiben). Die rege Investitionstätigkeit sowie die lebhafte Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern und Urlaubsreisen erhöhten den Importgehalt der Inlandsnachfrage deutlich. Ob der gegenwärtige Investitions- und Modernisierungsschub – wie gelegentlich vermutet – die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit und Exportkraft Österreichs tatsächlich steigern und die außenwirtschaftliche Bilanz vor allem im Warenverkehr, aber auch im Austausch wirtschaftsnaher Dienstleistungen nachhaltig verbessern kann, muß sich erst erweisen.