20. Jänner 1997 • Perspektiven der Bauwirtschaft in Osteuropa • Margarete Czerny

Die Bauwirtschaft erholt sich von der Transformationskrise in Ost-Mitteleuropa etwas später als die Gesamtwirtschaft. Nach massiven Einbußen in den ersten Jahren des Umbruchs erzielt sie in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei seit 1995 ein stabiles Wachstum von rund 5% pro Jahr; 1997 könnte die Wachstumsrate über 5% liegen. Nur in diesen Ländern Osteuropas wurde die Privatisierung bereits zum Großteil abgeschlossen.

Trotz der überwiegend erfolgreichen Privatisierung des Bausektors in Ost-Mitteleuropa verbleiben immer noch Baubetriebe im öffentlichen Besitz, weil sie für private Interessenten nicht lukrativ erscheinen. Die Probleme liegen dabei oft in der Unklarheit über die tatsächliche Eigentümerstruktur und in der mangelnden Effizienz und Produktivität vieler Unternehmen. Meist wurde der Beschäftigtenstand nicht im notwendigen Ausmaß angepaßt, und vielfach ist die Beschäftigungsstruktur nicht nach den Effizienzkriterien der Marktwirtschaft ausgerichtet.

Die Bauwirtschaft bewältigte die Transformationskrise in den einzelnen Ländern unterschiedlich rasch. Bereits 1993 verzeichnete sie in Polen ein Wachstum. In Tschechien entwickelte sie sich nach der Teilung der CSFR im Jahre 1992 von allen Ländern Ost-Mitteleuropas am dynamischsten (1994 bis 1996 +6% bis +8% pro Jahr). Die ungarische Bauwirtschaft expandierte 1994 bereits um 11%, stand aber 1995 und 1996 unter dem dämpfenden Einfluß des Stabilisierungspakets. 1997 sollten sich die Bauinvestitionen in Ungarn wieder stärker beleben. In der Slowakei setzte sich der Rückgang der Bauproduktion auch nach der Teilung der CSFR fort, der Privatisierungsprozeß wurde verzögert. Der Bausektor der Slowakei schrumpfte unter allen Ländern Ost-Mitteleuropas am stärksten. 1997 werden nun öffentliche Infrastrukturinvestitionen – Ausbau des Autobahn- und Bahnnetzes mit Anbindung an das internationale Verkehrsnetz – forciert.

In ganz Ost-Mitteleuropa erhielt die Bauwirtschaft die stärksten Impulse von Infrastrukturprojekten. Die Tiefbautätigkeit entwickelte sich in Polen und Tschechien recht dynamisch, während sie in Ungarn infolge der Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand 1995 und 1996 deutlich zurückging; 1997 ist aber ein kräftiger Anstieg zu erwarten.

Eine wichtige Stütze der Bauproduktion ist in Ost-Mitteleuropa (mit Ausnahme der Slowakei) auch die Nachfrage nach Büro- und Geschäftsbauten. Hingegen ist der Wohnungsneubau durchwegs erheblich gesunken: 1996 wurde nur etwa 1 Wohnung je 1.000 Einwohner fertiggestellt, in Westeuropa hingegen 5 Wohnungen. Die Subventionen im Wohnungsbau wurden in den osteuropäischen Ländern umfassend reduziert, neue Ansätze für eine befriedigende Wohnungspolitik fehlen.

Die Wirtschaftspolitik steht vor der Aufgabe, geeignete Rahmenbedingungen für die Belebung der Wohnbautätigkeit zu schaffen. Der erhebliche Bedarf an Renovierungs- und Modernisierungsinvestitionen wurde bisher noch nicht genügend wahrgenommen.