19. Dezember 1996 • Osteuropa auf dem Weg in die EU • Jan Stankovsky

Für die Osterweiterung der EU liegen jetzt realistische Kostenschätzungen vor. Sie könnte in bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik auf 3 Mrd. ECU begrenzt werden.

Die Vorbereitungen der mit der EU assoziierten Oststaaten auf die Aufnahme in die Union sind weit fortgeschritten. In bezug auf die Kosten der Erweiterung liegen jetzt realistische Schätzungen vor. Die Agrarkommission legte dem Europäischen Rat in Madrid im Dezember 1995 ein Strategiepapier für die Landwirtschaft vor, in dem die Kosten der GAP für alle zehn Beitrittswerber im Jahr 2000 auf 9 Mrd. ECU, im Jahr 2010 auf 12,2 Mrd. ECU geschätzt werden; ohne Ausgleichszahlungen betragen die Kosten im Jahr 2000 3 Mrd. ECU. Das sind weniger als 14% bzw. 3% des EU-Budgets. Im Bereich der Strukturfonds ist nach Berechnungen der Kommission eine Osterweiterung ohne zusätzliche finanzielle Belastungen der Mitgliedstaaten möglich. Eine Reform der Strukturfonds könnte in der Einführung einer am BIP des Empfängerlandes bemessenen Obergrenze für Zuwendungen bestehen.

Der Europäische Rat in Madrid im Dezember 1995 beauftragte die Kommission, Stellungnahmen (Avis) zu den Beitrittsanträgen osteuropäischer Länder auszuarbeiten sowie folgende Dokumente vorzulegen: ein Grundsatzpapier zur Erweiterung, eine detaillierte Analyse der Methoden für die Erstellung der Haushalte der Union nach dem Jahr 1999 und eine Analyse der möglichen Übergangsbestimmungen. Die Beitrittsverhandlungen mit den osteuropäischen Ländern sollen gleichzeitig mit jenen mit Zypern, d. h. sechs Monate nach dem Abschluß der laufenden Regierungskonferenz beginnen. Das Plenum des Europäischen Parlaments stimmte am 17. April 1996 dem "Oostlander"-Bericht zu, in dem die Aufnahme der Beitrittskandidaten aus Osteuropa unterstützt wird.

Aus heutiger Sicht kann angenommen werden, daß zum Zeitpunkt der Osterweiterung die EU-Währungsunion bereits besteht. Die Bedingungen für die Aufnahme in die EU beziehen sich auf die Teilnahme am Binnenmarkt, nicht an der Währungsunion. Die Erfüllung der Maastricht-Kriterien durch die Beitrittswerber ist daher keine Voraussetzung für einen EU-Beitritt. Der Europäische Rat in Kopenhagen hielt aber ausdrücklich fest, daß die Beitrittsländer auch das Ziel des Beitritts zur Währungsunion verfolgen müssen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die EU werden allerdings die MOEL noch nicht die Stabilität und das Entwicklungsniveau der reicheren EU-Länder erreicht haben. Deshalb werden sie ein gewisses Ausmaß an Autonomie in der Fiskal- und Wechselkurspolitik benötigen. In diesem Zusammenhang sind allerdings auch die Interessen der Teilnehmer an der Währungsunion zu berücksichtigen. Die EU geht davon aus, daß den neuen Mitgliedstaaten eine autonome Geldpolitik zugestanden wird. Gleichzeitig werden sie eingeschränkt am Europäischen System der Zentralbanken teilnehmen. In bezug auf Offenmarktgeschäfte, Mindestreservepolitik und andere Instrumente der Geldmengenkontrolle müssen sie sich nicht an Richtlinien der EZB halten. Sie sind auch nicht verpflichtet, ihre Reserven an die EZB abzuführen. Ihre Zentralbanken müssen jedoch unabhängig sein und das Inflationsziel einhalten.

Die neuen Mitgliedstaaten werden auch an künftigen Wechselkursvereinbarungen zwischen den "Ins" (Teilnehmer an der Währungsunion) und den "Pre-Ins" (Nichtteilnehmer) teilnehmen (EWS II). Diese Vereinbarungen sollten sowohl Konvergenz unter den Nichtteilnehmern als auch ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes garantieren. Die Wahl des richtigen Wechselkursregimes für die Übergangsperiode hängt von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und vom Stand des Reformprozesses eines Landes ab. Fixe Wechselkurse können nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie von einer passenden Wirtschaftspolitik und grundlegenden fiskal- und geldpolitischen Reformen begleitet sind. Flexibilität der Wechselkurse ist in der Transformationsphase nötig, um die Verluste an preisbestimmter Wettbewerbsfähigkeit zu kompensieren und hohe Kapitalzuflüsse abzufangen. Eine zu frühe Einführung der strengen Konvergenzkriterien (insbesondere für das Budgetdefizit) würde einen erfolgreichen Abschluß der Strukturreformen hinauszögern.

Ein wichtiger Schritt zur Überwindung der technischen Handelshemmnisse in Europa war der Vorschlag des EU-Ministerrats vom 25. Juni 1996 über die Einführung einer paneuropäischen Kumulierung. Am 10. Juli 1996 wurde das Europa-Abkommen mit Slowenien unterzeichnet, das längere Zeit durch ein Veto Italiens blockiert worden war. Der Interimsvertrag tritt Anfang 1997 in Kraft. Am selben Tag beantragte Slowenien die Aufnahme in die EU. Die Union hat somit bisher mit 10 osteuropäischen Ländern Europa-Verträge unterzeichnet; alle diese Länder bewerben sich auch um die EU-Mitgliedschaft. In vielen Untersuchungen wird die Auffassung vertreten, daß die erste Stufe der Osterweiterung (für etwa vier Länder) im Jahr 2003 bzw. Anfang 2004 verwirklicht werden könnte.

Ein von der Regierung eingesetzter Arbeitskreis beurteilt Österreichs Interessen in bezug auf die Osterweiterung so: "Insgesamt werden jedoch die Vorteile und Chancen, die sich für unser Land – insbesondere durch den Beitritt unserer Nachbarn – ergeben, klar überwiegen."