4. Dezember 1996 • Kaum Zuwächse im Weihnachtsgeschäft zu erwarten. Kräftige Konsumsteigerung im 1. Halbjahr 1996 • Michael Wüger

Der private Konsum übte seine stabilisierende Wirkung auf die Wirtschaftsentwicklung in Österreich auch 1996 aus. Bei gedämpfter Einkommensentwicklung – nicht zuletzt als Folge des "Sparpakets" – versuchten die privaten Haushalte ihre Konsumpläne weitgehend zu verwirklichen. Die Sparquote ging zurück. Vor dem Inkrafttreten des "Sparpakets" etwa mit Jahresmitte waren – ähnlich wie bei angekündigten fiskalischen Belastungen in der Vergangenheit – umfangreiche Vorziehkäufe zu beobachten; diese Nachfrage fehlt in der zweiten Jahreshälfte. Für das Weihnachtsgeschäft des Einzelhandels zeichnen sich heuer keine Zuwächse ab.

Das Ausmaß der Vorziehkäufe und der folgenden Kaufzurückhaltung kommt in der Umsatzentwicklung des Einzelhandels zum Ausdruck (Jänner bis einschließlich Mai real durchschnittlich +4,8%, Juni bis August –0,7%). Noch deutlicher tritt der Bruch in der Entwicklung des Einzelhandels mit dauerhaften Konsumgütern zu Tage (Jänner bis Mai +11,7%, Juni bis August –2,3%), vor allem im Fahrzeughandel (+19,0%, –10,2%). Dies ist darauf zurückzuführen, daß Käufe dauerhafter Konsumgüter leichter zu verschieben sind. Die Vorziehkäufe erreichten ein ähnliches Ausmaß wie vor der Einführung der "Luxussteuer" (1978) und der Erhöhung der Mehrwertsteuer (1984).

Im Einzelhandel war im 1. Halbjahr 1996 ein deutlicher Produktivitätsanstieg zu beobachten. Dies ist neben dem verschärften Wettbewerbs- und Rationalisierungsdruck nach dem EU-Beitritt auch auf die erwähnten Vorziehkäufe zurückzuführen. Im Großhandel setzte sich die starke Produktivitätssteigerung des Vorjahres heuer nicht fort. Die Beschäftigung ging sowohl im Einzel- als auch im Großhandel im 1. Halbjahr 1996 zurück. Die Preise unterschritten im 1. Halbjahr 1996 das Vorjahresniveau (Einzelhandel –0,3%, Großhandel –1,6%).

Die Umsatzentwicklung des Einzelhandels seit Inkrafttreten der ersten Maßnahmen des Sparpakets läßt keine allzu optimistischen Erwartungen für das Weihnachtsgeschäft zu, das – wie die ausgeprägten Dezember-Spitzen (Abbildung 1) zeigen – für einige Branchen von besonderer Bedeutung ist. Als Indikator für das Volumen des Weihnachtsgeschäfts im Einzelhandel gelten jene Umsätze im IV. Quartal, die über dem Niveau des I. bis III. Quartals liegen. Dieser Wert erreichte 1995 netto (d. h. ohne Mehrwertsteuer) rund 16 Mrd. S) (Abbildung 2). Da dieser Indikator von Sondereinflüssen, wie sie heuer wegen des "Sparpakets" zu beobachten waren, besonders verzerrt wäre, erstellte das WIFO seine Prognose des Weihnachtsgeschäfts mit einem zeitreihenanalytischen Ansatz. Dieser verwendet die maßgebenden Einflußfaktoren der Einzelhandelsentwicklung (Trend, Konjunktur, Saison, Kalender, fiskalische Maßnahmen usw.). So ergibt sich ein realer Umsatzrückgang im Weihnachtsgeschäft des Einzelhandels von rund 1%. Schlechter als prognostiziert könnte das Weihnachtsgeschäft dann verlaufen, wenn die privaten Haushalte die günstige Lage der Feiertage vermehrt für Urlaubsreisen nützen, besser, wenn die stärkere Ausnützung des Rahmens des geltenden Ladenöffnungsgesetzes durch den Handel zu Impulskäufen der Konsumenten führt.