16. Oktober 1996 • Landwirtschaft bewältigt erstes "EU-Jahr" gut. Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft 1995 in den Bundesländern • Matthias Schneider

Die Landwirtschaft hat das erste "EU-Jahr" 1995 trotz einer schwierigen Ausgangsposition im allgemeinen gut überstanden. Der integrationsbedingte Einbruch der Agrarpreise und des landwirtschaftlichen Rohertrags wurde durch viel höhere Direktzahlungen ausgeglichen. Damit konnten die Agrareinkommen vorerst gesichert werden.

Hohe Direktzahlungen stützen Agrareinkommen

Infolge der Übernahme der EU-Agrarpolitik brachen die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise ein (–22%). Gemeinsam mit einem etwas geringeren Angebot drückte dies den Wert der landwirtschaftlichen Endproduktion um rund 16 Mrd. S oder ein Viertel unter das Ergebnis von 1994. Dem stand eine Aufstockung der Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Produzenten um rund 15 Mrd. S auf 24,7 Mrd. S gegenüber. Die Belastung mit indirekten Steuern nahm zu, weil die Überprüfung des Umsatzsteuerpauschales bisher unterblieben ist. Die Bauern kauften weiters etwas weniger Vorleistungen zu und investierten auch weniger. Als Ergebnis dieser primär (aber nicht ausschließlich) durch den EU-Beitritt bedingten Änderungen von Einnahmen und Ausgaben waren die Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft 1995 mit 38,8 Mrd. S in Summe nur knapp niedriger als im Vorjahr.

Ein hoher Abgang von Arbeitskräften (–5,5%) ließ 1995 trotz stagnierender Netto-Wertschöpfung nach den vorläufigen Ergebnissen der Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung die Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft je Beschäftigten um rund 5% steigen. Die Bauern konnten so mit der Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeitnehmer gut Schritt halten. Angesichts des schwierigen Übergangs in den EU-Binnenmarkt ist diese positive Entwicklung der landwirtschaftlichen Einkommen ein bemerkenswerter agrarpolitischer Erfolg. Das gute Ergebnis wird allerdings durch einen hohen Beitrag staatlicher Beihilfen dazu relativiert. Ein Teil der Direktzahlungen an die Landwirtschaft ist zeitlich befristet und degressiv. Der mit dem EU-Beitritt verbundene Wechsel im Agrarregime macht die hohe Abhängigkeit der Landwirtschaft von der öffentlichen Hand deutlicher sichtbar als zuvor. Für viele Bauern ist dies eine schmerzliche Einsicht.

Rohertrag brach in allen Bundesländern ein

Vom EU-Preisbruch und dem primär daraus resultierenden Einbruch des Wertes der agrarischen Endproduktion waren alle Regionen betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. In Niederösterreich (–23%) und in Wien sank der Wert der agrarischen Endproduktion 1995 überdurchschnittlich. In dieser Region haben von der Integration besonders betroffene Produktionssparten wie Getreide und Gemüse überdurchschnittliches Gewicht. In der Steiermark (–14½%), in Kärnten (–14%) und Vorarlberg (–16%) blieben hingegen die Rohertragsverluste deutlich unter dem Österreich-Durchschnitt. In der Steiermark dämpften regionale Besonderheiten in der Zusammensetzung des Pflanzenbaus (hohes Gewicht von Spezialkulturen und Körnermais), in Vorarlberg geringere Einbußen der dort bedeutsamen Milchviehhaltung den Einbruch. Kärnten profitierte vom weit überdurchschnittlichen Anteil der Forstwirtschaft an den Erträgen seines Agrarsektors. Die Ergebnisse für das Burgenland, Oberösterreich, Salzburg und Tirol lagen mit Einbußen zwischen 20% und 22% etwa im Durchschnitt.

Die hohen Direktzahlungen glichen die regionalen Differenzen in der Entwicklung des Rohertrags zu einem erheblichen Teil aus. Im Burgenland, in Kärnten und Vorarlberg waren die Gesamteinnahmen der Land- und Forstwirtschaft (Rohertrag plus Direktzahlungen) 1995 um ½% bis 2½% höher als im Vorjahr; für die anderen Bundesländer wurden leichte Einbußen von bis zu 3% (Oberösterreich) ermittelt (Wien –37%).