27. September 1996 • Prognose für 1996 und 1997: Aufschwung der Industriekonjunktur durch schwache Inlandsnachfrage gebremst • Markus Marterbauer

Das Brutto-Inlandsprodukt wird im Jahresdurchschnitt 1996 um real ¾% und 1997 um 1% steigen. Obwohl sich das Wirtschaftswachstum im Jahresverlauf 1997 beschleunigen sollte, findet die Konjunktur noch keinen Anschluß an den Mitte 1995 unterbrochenen Aufschwung. Die Spaltung der Konjunktur zeigt sich in deutlichen Zuwächsen beim Export, während die Inlandsnachfrage stagniert. Die Konjunkturdynamik reicht noch nicht für eine Stabilisierung auf dem Arbeitsmarkt aus.

Das Brutto-Inlandsprodukt lag im II. Quartal 1996 um etwa ½% über dem Vorjahreswert (I. Quartal +¼%). Am stärksten expandierten der private Konsum, der von umfangreichen Vorziehkäufen profitierte, und der Warenexport, für den sich günstigere Wechselkursverhältnisse und die anhaltend hohe Nachfrage aus Ost-Mitteleuropa positiv auswirkten. Während die gewerbliche Produktion kaum Zuwächse aufwies, wuchs der Dienstleistungsbereich – vor allem die persönlichen und unternehmensbezogenen Dienste.

Die Stärke des privaten Konsums wird sich im 2. Halbjahr 1996 und auch 1997 nicht fortsetzen. Die im Frühjahr vorgezogene Nachfrage wird in den kommenden Quartalen fehlen und zusätzlich werden – nach den ersten Konsolidierungsmaßnahmen zu Jahresmitte – ab Beginn 1997 neue Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wirksam. Die verfügbaren persönlichen Einkommen werden heuer real um ½% und 1997 um 1½% sinken. Für eine Ausweitung des privaten Konsums ergibt sich – trotz eines beträchtlichen Rückgangs der Sparquote (auf 10½%) – damit kaum Spielraum.

Die Inlandsnachfrage schwächt sich nach einem relativ starken 1. Halbjahr 1996 erheblich ab. Dies bedingt, daß in einigen Industriebranchen (Textil, Bekleidung, Leder, baunahe Bereiche, Erzeugung von Möbeln und anderen langlebigen Konsumgütern) die Produktion weiter sinken wird. Hingegen können die technische Verarbeitung und der Basissektor mit dem Einsetzen eines Aufschwungs rechnen. Die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests geben für diese Industriebereiche Anlaß zu verhaltenem Optimismus, denn sie profitieren in höherem Ausmaß von der anziehenden Auslandsnachfrage. Für die Industrie insgesamt kann im 2. Halbjahr mit einer Produktionssteigerung von real 2½% gerechnet werden, die sich auch 1997 fortsetzt.

Die Bauproduktion wird sich – nach dem Aufholen der witterungsbedingten Produktionsausfälle des Winters – nicht weiter erholen. Zwar wird sich der Wohnungsbau auf hohem Niveau halten, im Tiefbau und Wirtschaftsbau muß aber mit weiteren Rückgängen gerechnet werden.

Der österreichische Warenexport (1996 real +4%, 1997 +5½%) ist sowohl vom Wachstum in Ost-Mitteleuropa als auch von der Stabilisierung der Wechselkurse im Europäischen Währungssystem begünstigt. Bei den wichtigsten Handelspartnern herrscht eine unterschiedliche Konjunktursituation. Während in Deutschland einzelne positive Meldungen das Konjunkturbild etwas aufhellen, hat sich die Dynamik der Wirtschaftsentwicklung in Italien und der Schweiz vollständig eingebremst.

Die Situation im österreichischen Reiseverkehr dürfte sich – nach einer schlechten Sommersaison – nur langsam stabilisieren. Der Saldo der Reiseverkehrsbilanz weist in beiden Prognosejahren einen Überschuß von 0,8% des BIP auf – Anfang der neunziger Jahre hatte er noch mehr als 3½% betragen. Das Leistungsbilanzdefizit geht 1997 auf 1% des BIP zurück.

Das insgesamt schwache Wirtschaftswachstum entlastet den Arbeitsmarkt nicht. Die Beschäftigung (ohne Präsenzdiener und Bezieher von Karenzurlaubsgeld) wird sowohl 1996 (–16.000) als auch 1997 (–7.000) sinken. Dies bedingt einen weiteren Anstieg der registrierten Arbeitslosenzahl auf über 245.000 im Jahresdurchschnitt 1997. Die Arbeitslosenquote wird auf 7,5% nach traditioneller österreichischer Berechnung (bezogen auf die unselbständigen Erwerbspersonen) bzw. 4,2% nach Eurostat-Erhebungsmethode steigen. Die Inflationsrate bleibt mit 1,7% in beiden Jahren weitgehend stabil.