28. Juni 1996 • Prognose für 1996 und 1997: Allmähliche Erholung der Export- und Investitionskonjunktur • Markus Marterbauer

Nach einem sehr schwachen Winterhalbjahr sollten sich Nachfrage und Produktion ab dem Sommer leicht beleben. Günstigere Wechselkursrelationen und kräftiges Wirtschaftswachstum in Ost-Mitteleuropa und Übersee beschleunigen die Exportzunahme; sie wird andererseits von der restriktiven Fiskalpolitik in Europa gedämpft. Die Inlandsnachfrage bleibt wegen der Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung schwach. Das Brutto Inlandsprodukt steigt 1996 (+¾%) und 1997 (+1%) noch mäßig.

Die deutliche Wachstumsabschwächung seit dem Frühjahr 1995 erreichte Anfang 1996 ihren Tiefpunkt. Die von der Nachfrage- und Produktionsentwicklung der westeuropäischen Handelspartner ausgehende Dämpfung der Konjunktur wurde durch die ungünstigen Witterungsbedingungen im Winterhalbjahr erheblich verschärft. Die Wirtschaftsleistung lag im IV. Quartal 1995 und im I. Quartal 1996 nur noch knapp über dem jeweiligen Vorjahresniveau (etwa real +¼%).

Im 2. Halbjahr 1996 sollte eine stetige Belebung einsetzen, die jedoch nur langsam vorankommen wird. Sie wird sowohl von einem kräftigen Marktwachstum der Handelspartner außerhalb Westeuropas (insbesondere Ost-Mitteleuropa und USA) als auch von einer erheblichen Verbesserung der preisbestimmten Wettbewerbsfähigkeit durch eine günstige Entwicklung des effektiven Wechselkurses getragen sein. Gedämpft wird die Konjunkturerholung dagegen durch die negativen Nachfrageeffekte der europaweiten Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung. Die WIFO-Prognose geht davon aus, daß im kommenden Jahr auch in Westeuropa noch umfangreiche Sparprogramme umgesetzt werden. 1997 wirkt in Österreich neben den Nachfrageeffekten der Fiskalpolitik auch die geringere Zahl der Arbeitstage (–2 Tage gegenüber 1996) produktionsdämpfend.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist die Auslandsnachfrage der stärkste Konjunkturmotor. Die Warenexporte steigen 1996 und 1997 mit +4½% bzw. 5½% deutlich rascher als die Importe. Mit der Belebung des Außenhandels ist eine etwas günstigere Entwicklung der Industrieproduktion verbunden, und zwar vor allem im Basissektor und in der technischen Verarbeitung. In diesen Sektoren sind auch die Investitionspläne der Unternehmen umfangreich. Die Produktion der Bauzuliefeerer und des traditionellen Konsumgütersektors bleibt hingegen schwach.

Die Wechselkursentwicklung kommt auch dem Tourismussektor zugute. Die Reiseverkehrsumsätze im Inland werden sich nach einer schwachen Sommersaison stabilisieren. Die Urlaubsausgaben der Österreicher wachsen nur noch schwach. Beide Faktoren entlasten die Leistungsbilanz, ihr Defizit dürfte 1997 auf weniger als 1% des BIP sinken. Auch der Saldo der Handelsbilanz wird sich erheblich verbessern.

Die inländischen Nachfragekomponenten liefern kaum Impulse. Der private Konsum wird trotz des umfangreichen Konsolidierungsprogrammes, das mit einem deutlichen Rückgang der verfügbaren Realeinkommen verbunden ist, ein – allerdings geringfügiges – Wachstum aufweisen (1996 +¾%, 1997 +¼%). Um dieses Konsumwachstum zu ermöglichen, müssen die privaten Haushalte ihre Sparquote auf knapp 11% der verfügbaren Einkommen verringern. Die Produktion der Bauwirtschaft sinkt in beiden Jahren (1996 –2%, 1997 –1%). Die Infrastrukturoffensive der Bundesregierung zum Ausbau des Bahnnetzes macht die konsolidierungsbedingte Investitionszurückhaltung von Ländern und Gemeinden und die konjunkturbedingte Schwäche im Wirtschaftsbau teilweise wett.

Die leichte Konjunkturbelebung wird 1997 den Beschäftigungsrückgang etwas abschwächen. Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen wird durch Maßnahmen zur Reduktion des Arbeitskräfteangebotes – vor allem der Ausländer – gedämpft. Die registrierte Arbeitslosigkeit wird mit durchschnittlich 250.000 (7,7% der unselbständigen Erwerbspersonen) dennoch einen neuen Höchstwert erreichen. Die nach EU-Methode errechnete Arbeitslosenquote beträgt 4,2% der Erwerbspersonen. Günstiger als zuletzt erwartet entwickelt sich die Inflation. Die Verbraucherpreise steigen in beiden Jahren um nur 1,7%. Dazu trägt neben statistischen Effekten auch eine weitere Verbilligung industriell-gewerblicher Waren im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt bei.

Die Konjunkturbelebung wird in beiden Prognosejahren durch Sonderfaktoren gebremst. Mit der Entscheidung über Teilnehmerkreis und Prozedere der Wirtschafts- und Währungsunion könnten ab 1998 sowohl die erheblichen makroökonomischen Unsicherheiten als auch die negativen Nachfrageeffekte eines scharfen Konsolidierungskurses an Bedeutung verlieren. Einer kräftigen Wachstumsbeschleunigung stünde dann nichts mehr im Wege.