13. Juni 1996 • Schwaches Wirtschaftswachstum in Europa • Markus Marterbauer

Die europäische Wirtschaft wird nach dem frühen Konjunktureinbruch des vergangenen Jahres 1996 um nur 1½% und 1997 um 1¾% wachsen. Die schwache Dynamik belastet einerseits den Konsolidierungsprozeß der öffentlichen Haushalte, andererseits den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote verharrt auf einem hohen Niveau von 11¼%.

In Europa fand der noch junge Aufschwung im Frühjahr 1995 ein abruptes Ende. Der Konjunktureinbruch war in den Hartwährungsländern ausgeprägter als in jenen Ländern, deren Währungen im März 1995 neuerlich stark an Wert verloren. Nachfrage und Produktion haben sich bisher noch nicht erholt. Verschiedene Frühindikatoren zeigen jedoch Anzeichen einer Stabilisierung der Konjunktur. Die exogenen Rahmenbedingungen beeinflussen den weiteren Konjunkturverlauf positiv und negativ:

Für wichtige Handelspartner der EU bestehen günstige Wachstumsaussichten. Die Wirtschaft der USA schwenkt – geleitet von einer gelungenen geldpolitischen Konjunktursteuerung – auf einen stetigen Expansionskurs von 2¼% real pro Jahr ein. Das Wirtschaftswachstum liegt seit 1992 real über 2% und trägt wesentlich zu einem raschen Rückgang der Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte (auf etwa 1¾% des BIP) und der Arbeitslosigkeit (auf 5½%) bei.

In den ostmitteleuropäischen Transformationsländern hält – getragen von Investitionen und privatem Konsum – die hohe Dynamik mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 5% weiter an. Auch in Japan zeigt der massive Einsatz expansiver Geld- und Fiskalpolitik nun nachhaltigere Erfolge: Die Wirtschaft wird heuer um 1¾% und nächstes Jahr um 2½% expandieren.

Positiv wirken auch die stabilen monetären Rahmenbedingungen. Getragen von den günstigen Wachstumsaussichten hat sich der Dollar seit gut einem Jahr merklich erholt. Dies stabilisiert die Wechselkursverhältnisse im Europäischen Währungssystem ebenso wie jene zwischen Japan und seinen südostasiatischen Handelspartnern. Zudem begünstigt der anhaltende Rückgang der kurzfristigen Zinsen in Europa die Konjunkturentwicklung.

Eine mögliche Verschärfung der Geldpolitik und steigende Inflationserwartungen könnten allerdings in den USA die langfristigen Zinsen steigen lassen. In der Vergangenheit wurde diese Entwicklung meist auch auf Europa übertragen. Dies könnte auf die Konjunktur dämpfend wirken. Stärker gebremst wird die Konsum- und Investitionsnachfrage in Europa zumindest kurzfristig durch den gleichzeitigen Versuch der Budgetkonsolidierung in nahezu allen Ländern. Mit einer durchschnittlichen Neuverschuldung von etwa 5% des BIP sind die europäischen Länder 1996 von den durch die Konvergenzkriterien gegebenen Zielen noch weit entfernt.

Übersicht: Wirtschaftswachstum

 

Brutto-Inlandsprodukt

 

Gewicht1)

1994

1995

1996

1997

   

Veränderung gegen das Vorjahr in %

           

USA

33,6 +3,5 +2,1 +2,3 +2,3

Japan

18,1 +0,5 +0,9 +1,8 +2,5

Deutschland

10,0 +2,9 +1,9 +0,8 +1,3

Frankreich

7,0 +2,9 +2,4 +1,0 +1,3

Italien

6,5 +2,2 +3,3 +2,0 +2,3

Großbritannien

5,7 +3,9 +2,6 +2,3 +2,5

Kanada

3,4 +4,6 +2,2 +3,0 +3,0
           

Große Industrieländer

84,3 +2,7 +2,0 +2,0 +2,3
           

Spanien

2,9 +2,1 +3,0 +2,0 +2,3

Australien

1,8 +5,2 +3,1 +3,0 +2,5

Niederlande

1,7 +2,7 +2,4 +1,5 +2,0

Schweiz

1,3 +1,2 +0,7 +0,5 +1,0

Schweden

1,3 +2,6 +3,0 +1,3 +1,5

Belgien

1,2 +2,2 +1,9 +1,0 +1,5

Österreich

1,0 +3,0 +1,8 +0,7 +1,0

Türkei

1,0 –5,5 +7,4 +5,0 +4,8

Dänemark

0,8 +4,4 +2,4 +1,3 +2,0

Norwegen

0,7 +5,7 +3,7 +4,0 +2,3

Finnland

0,7 +4,4 +4,4 +2,5 +3,0

Portugal

0,4 +0,8 +2,3 +2,0 +2,3

Griechenland

0,4 +1,5 +2,0 +2,0 +2,0

Neuseeland

0,3 +4,1 +2,4 +2,5 +3,0

Irland

0,3 +6,4 +7,8 +5,8 +5,0

Luxemburg

0,1 +3,3 +3,7 +2,3 +2,8

Island

0,0 +3,5 +2,0 +2,0 +2,3
           

Kleine Industrieländer

15,7 +2,5 +3,0 +2,0 +2,3
           

OECD insgesamt

100,0 +2,7 +2,1 +2,0 +2,3

OECD-Europa

42,9 +2,7 +2,6 +1,5 +1,8

EU

39,8 +2,9 +2,6 +1,5 +1,8

EFTA

2,0 +2,7 +1,7 +1,8 +1,5

Q: OECD, nationale und eigene Schätzungen. – ) In % des BIP der OECD 1993.