10. Juni 1996 • Tourismusdestination Österreich: Möglichkeiten der Neupositionierung • Egon Smeral

Seit Anfang der neunziger Jahre erlitt die österreichische Tourismuswirtschaft Rückschläge, die sowohl auf Sonderfaktoren, wie die deutsche Wiedervereinigung, die Abwertungen in einigen wichtigen Konkurrenzländern und die Verbilligung der Flugreisen, als auch auf erhebliche Strukturschwächen zurückzuführen sind. Viele Anzeichen sprechen dafür, daß es großer Anstrengungen und eines radikalen Überdenkens der bisher angewandten Strategien bedarf, um den immer noch relativ hohen Marktanteil zu halten.

Im Durchschnitt des Jahres 1996 werden die Tourismusumsätze nominell weiter zurückgehen: Im Winter stagnierten sie, in der Sommersaison ist ein neuerlicher Einbruch zu erwarten. Real werden die Umsätze im Durchschnitt des Sommerhalbjahres um etwa 5% sinken. Auch andere europäische Destinationen sind von dieser Abschwächung der Tourismusnachfrage der Europäer betroffen.

Neben den gegebenen Strukturnachteilen wie

  • einem geringen Anteil der Fluggäste,
  • dem Mangel an modernen Attraktionen,
  • dem Nachholbedarf bezüglich der Aufbereitung des Angebotes (Integration in elektronische Informations- und Reservierungssysteme),
  • Modernitätsdefiziten und
  • einem Übergewicht der langsam wachsenden und gesättigten Märkte

verhindert die internationale Konjunkturschwäche in Verbindung mit dem relativ hohen Preisniveau (in einheitlicher Währung) und den günstigen Flugtarifen eine Belebung im österreichischen Tourismus.

Im Hinblick auf die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandortes Österreich besteht für die Wirtschaftspolitik Handlungsbedarf; begrenzt werden die Eingriffsmöglichkeiten aber durch das sehr niedrige Potential zur Produktivitätssteigerung im Hotel- und Gaststättenwesen und die hohen Dienstleistungspreise einer entwickelten Volkswirtschaft.

Die starken und raschen Veränderungen der internationalen Wettbewerbsbedingungen und die Globalisierung der Tourismuswirtschaft erfordern ein Überdenken der bisher angewandten Strategien.

Ein mögliches Bündel von tourismus- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen mit dem Ziel, den Wertschöpfungsbeitrag der Tourismuswirtschaft über dem internationalen Durchschnitt zu halten, sind

  • die Schaffung von tourismusspezifischem Humankapital,
  • die strikte Wachstums- und Wertschöpfungsorientierung im Marketing,
  • die Einleitung einer Kooperationsoffensive in Verbindung mit der Implementierung des Destinationsmanagements,
  • die Schaffung neuer Wettbewerbsvorteile durch Angebotsinnovationen,
  • die Verbesserung der Dienstleistungsqualität,
  • die Forcierung der Innovations- und Softwareförderung sowie
  • die Angebotsflexibilisierung (Öffnungszeiten, Jahresarbeitszeit usw.).