7. Juni 1996 • Anzeichen für Stabilisierung der Konjunktur • Georg Busch

Nach dem Ende des strengen Winters scheint der Rückgang von Nachfrage und Produktion vorerst beendet. Auch die Beschäftigung ist seit Ende März nicht mehr gesunken. In Deutschland signalisieren einige Frühindikatoren Aussicht auf Besserung; wichtige Rahmenbedingungen wie Zinsen und Wechselkurse bieten hiefür gute Voraussetzungen. Eine tatsächliche Konjunkturbelebung zeichnet sich freilich noch nicht ab.

Neben der konjunkturbedingten Nachfrageschwäche beeinträchtigten in den ersten Monaten 1996 Witterungseinflüsse Produktion und Beschäftigung in Österreich. Kälte und Schneelage behinderten unüblich lange Außenarbeiten in der Industrie und der Bauwirtschaft und verzögerten den Saisonaufbau der Beschäftigung im Frühjahr. Im April und Mai wies jedoch die Zahl der unselbständig Beschäftigten, selbst nach Ausschaltung der saisonüblichen Schwankungen, aufwärts.

Angesichts deutlich unterausgelasteter Produktionskapazitäten beurteilten die Industrieunternehmen Geschäftslage und -aussichten im WIFO-Konjunkturtest vom April nach wie vor überwiegend ungünstig. Die Auftragslage – auch die Bestellungen aus dem Ausland – hätten sich demzufolge neuerlich verschlechtert. Allerdings deuten die Produktionserwartungen auf eine Wende zum Besseren hin. Immerhin dürfte der Export auch im I. Quartal 1996 einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr gebracht haben, und die Konsumnachfrage der privaten Haushalte blieb angesichts steigender Arbeitslosigkeit und der kommenden finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit der Budgetkonsolidierung überraschend robust.

Die im Frühjahr lebhafte Nachfrage nach langlebigen Gütern geht wahrscheinlich auch auf Vorzieheffekte im Hinblick auf die kommende Verschlechterung der Einkommenslage zurück. Diese vorweggenommenen Umsätze werden im 2. Halbjahr fehlen und könnten eine Abschwächung der Konsumnachfrage bewirken.

Allerdings sprechen die rege Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern und die weiterhin hohen Ausgaben für Urlaubsreisen und Warenkäufe im Ausland nicht für eine wesentlich schwächere Konsumneigung und stehen auch nicht im Einklang mit pessimistischen Umfrageergebnissen zum Konsumklima. Offenbar trafen das Ausmaß der Budgetprobleme und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung die Bevölkerung nicht ganz unerwartet. Mit dem umfassenden Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung für 1996 und 1997 könnte das Vertrauen von Haushalten wie Unternehmen in die Wirtschaftspolitik nicht nur auf längere Sicht, sondern auch unmittelbar gestärkt worden sein.

Die Auslandsnachfrage im Reiseverkehr hielt im I. Quartal 1996 etwa das – bereits niedrige – Niveau des Vorjahres; allerdings war sie einerseits durch den heuer früheren Ostertermin, andererseits durch gute Wetterbedingungen für den Wintersport begünstigt. In der Leistungsbilanz verlief die Entwicklung günstiger als erwartet. Die deutliche Verbesserung des Saldos von Jänner bis März (um fast 8 Mrd. S gegenüber dem Vorjahr) ist allerdings durch einen Sondereffekt in der Transferbilanz – hohe Nettoüberweisungen aus dem EU-Agrarausgleichsfonds – überzeichnet.

Die Inflationsrate verharrt seit Monaten unter der Marke von 2%. Ihren vorläufigen Tiefpunkt erreichte sie im Februar mit 1,6%, dem niedrigsten Wert seit Mitte 1988. Nach den Nahrungsmittelpreisen (sie sanken bereits unmittelbar nach dem EU-Beitritt) lagen im Jänner erstmals auch die Preise von Industriewaren im Durchschnitt unter dem Vorjahresniveau.

Zu günstigeren Rahmenbedingungen trägt schließlich auch der weitere Rückgang des Zinsniveaus bei. Gleichzeitig mit einem entsprechenden Schritt der Deutschen Bundesbank wurden in Österreich am 19. April 1996 die Leitzinsen um jeweils ½ Prozentpunkt zurückgenommen. Selbst bei dem nunmehr niedrigen Niveau scheint der Zinssenkungsspielraum noch nicht ausgeschöpft, solange die Konjunktur nicht zu einem neuen Aufschwung zurückfindet, der Lohn- und Preisauftrieb verhalten bleibt und die Fiskalpolitik den eingeschlagenen Konsolidierungskurs konsequent fortsetzt.