21. Mai 1996 • Frühzeitige Konjunkturwende bestimmt regionale Entwicklung. Die Wirtschaft in den Bundesländern 1995 • Peter Mayerhofer

Das regionale Konjunkturmuster war in Österreich 1995 durch die Hochkonjunktur der Industrie (bis zur Jahresmitte) nicht zuletzt aufgrund des Abbruchs der Konjunktur durch die Entwicklung der exportorientierten Industrie in der ersten Jahreshälfte geprägt. Standorte mit starker Ausrichtung auf konsumorientierte Produktionen bzw. auf Dienstleistungen blieben dagegen zurück. Trotz Schwierigkeiten im Tourismus erzielte der Westen (reale Wertschöpfung +2,6%) gegenüber dem Süden (+1,8%) und Osten (+1,6%) einen deutlichen Wachstumsvorsprung.

Wegen des vorzeitigen Endes des Konjunkturaufschwungs konnten jene Übertragungsmechanismen kaum Wirkung entfalten, die in einem vollständigen Zyklus mit steigenden verfügbaren Einkommen zu einem Aufholen von stärker an der Binnennachfrage orientierten Regionen gegenüber den in der Frühphase dominierenden (exportorientierten) Industrieregionen führen. Das räumliche Muster war daher 1995 ingesamt durch die Hochkonjunktur der Industrie in der ersten Jahreshälfte geprägt.

Traditionelle Industriestandorte in Oberösterreich (reale Industrieproduktion +9,5%) und der Steiermark (+9,3%), aber auch in Kärnten (+4,6%) profitierten bis weit über die Jahresmitte von der für Aufschwungphasen typischen Nachfrage nach Vorleistungen und Investitionsgütern. Auch die Zulieferindustrie im Westen (Tirol +4,4%, Vorarlberg +4,3%, Salzburg +2,5%) konnte noch zulegen. Regionen mit überwiegender Ausrichtung auf die Konsumgüterproduktion fanden dagegen kaum Wachstumsimpulse vor. Standort- und Strukturprobleme konzentrieren sich hier auf Regionen mit starker Orientierung auf den Versorgungssektor (Wien –2,7%) sowie auf periphere Gebiete mit großer Bedeutung arbeitskostenorientierter Produktion (Burgenland –2,0%).

Den Tourismus erreichten die außenwirtschaftlichen Impulse der letzten zwei Jahre nicht. Exogene Faktoren wie die bestehenden Währungsparitäten, die ungünstige Entwicklung der Realeinkommen in der BRD und die Preisverfall von Flugpauschalreisen deckten Strukturdefizite auf, wobei die intensiven Tourismusregionen im Westen (Nächtigungen Salzburg –5,5%, Tirol –4,8%) und Süden (Kärnten –5,2%) 1995 erneut besondere Einbußen erlitten. Der Städtetourismus (Wien +1,4%) blieb vom Rückgang ausgenommen.

Weniger exportorientierte Wirtschaftszweige standen 1995 unter dem Einfluß einer kaum dynamischen (inlandswirksamen) Binnennachfrage. Der Einzelhandel war in Kärnten (Umsätze –0,8%) und der Steiermark (–0,3%) mit steigenden Warendirektimporten konfrontiert (Lira-Abwertung), im Osten (Burgenland –6,6%, Wien –1,8%) traten mit zunehmender Angebotsvielfalt in den Oststaaten kleinräumige Preisdifferentiale wieder stärker in den Vordergrund, und in Salzburg (–4,7%) und Tirol (–2,2%) fehlte die Nachfrage ausländischer Gäste. Deutlich dämpfend wirkte auch die Schwäche der Bauwirtschaft. Nach sechs Jahren guter Auslastung leistete der Sektor nur in Wien (Umsätze +3,3%) und Oberösterreich (+5,3%) einen positiven Wachstumsbeitrag, im Burgenland (–21,0%) und in Kärnten (–11,1%) verzeichneten die Unternehmen nach einem guten Vorjahresergebnis besondere Einbußen.

Bruttowertschätzung 1995

Insgesamt zeigen sich 1995 damit auf Bundesländerebene große Wachstumsunterschiede. In den Bundesländern mit der höchsten Industriequote erzielte die Wirtschaft den größten Wertschöpfungszuwachs (Oberösterreich +4,0%, Steiermark +2,9%, Niederösterreich +2,5%, Vorarlberg +2,1%), stärker dienstleistungsgeprägte Regionen blieben zurück (Tirol +1,5%, Wien +1,3%, Salzburg +1,0%). Verlierer waren die entwicklungsschwachen Bundesländer Kärnten (–0,4%) und Burgenland (–2,3%). Die Divergenz zwischen den österreichischen NUTS-II-Regionen hat sich somit 1995 tendenziell erhöht.

Die Beschäftigung blieb 1995 leicht unter dem Vorjahresniveau (–0,1%). Nun wird auch in Verwaltungszentralen und im Dienstleistungsbereich verstärkt rationalisiert. Die Beschäftigungsverluste konzentrierten sich deshalb auf Wien (–1,0%) als Sitz von Unternehmenszentralen und öffentlichen Einrichtungen, und auch in den "Tourismusbundesländern" Kärnten (–0,3%), Salzburg (–0,3%) und Tirol (–0,2%) wurde das Vorjahresergebnis nicht erreicht.

Die Arbeitslosigkeit verringerte sich in Vorarlberg (–7,0%) und Oberösterreich (–5,2%) deutlich, stieg jedoch vor allem in Kärnten (+5,4%), Salzburg (+4,0%), Tirol (+3,8%) und dem Burgenland (+3,3%) weiter. Die Arbeitslosenquote bleibt im Süden (Kärnten 8,5%, Steiermark 8,2%) und Osten (Burgenland 7,8%, Wien 7,3%, Niederösterreich 6,4%) weiter über jener im Westen (Tirol 5,8%, Vorarlberg 5,3%, Oberösterreich 5,1%, Salzburg 4,2%).