9. Mai 1996 • Noch kein Konjunkturaufschwung in Sicht • Markus Marterbauer

WIFO-Konjunkturtest und internationale Umfragen stellen trotz günstigerer monetärer Rahmenbedingungen keine baldige Konjunkturerholung in Aussicht. Die Verschärfung der Fiskalpolitik in Europa dämpft Nachfrage und Produktion, positive Impulse gehen dagegen von der Aufwärtsentwicklung der Konjunktur in den USA aus.

Die Einschätzung der Konjunkturlage ist durch das Fehlen von Außenhandels- und Industriestatistiken erschwert. Für die Analyse der Industriekonjunktur kann derzeit nur der WIFO-Konjunkturtest vom April herangezogen werden. Die Ergebnisse dieser Unternehmensbefragung zeigen eine neuerlich pessimistischere Beurteilung der Auftragsbestände und der Auslandsnachfrage. Hingegen haben sich die Produktionserwartungen stabilisiert. Die Lagerbestände werden nach wie vor als zu hoch eingestuft.

Die anhaltend ungünstige Industriekonjunktur spiegelt sich auch in der Arbeitsmarktentwicklung. Produktionsrückgänge aufgrund mangelnder Nachfrage und anhaltender Rationalisierungsdruck ließen die Beschäftigung in der Sachgüterproduktion im I. Quartal gegenüber dem Vorjahr um 20.000 zurückgehen. Die empfindliche Einschränkung des Arbeitskräftebedarfs in der Bauwirtschaft (–15.000) ist zum wesentlichen Teil auf den langen und zum Teil schneereichen Winter zurückzuführen. Angesichts der schwachen Auftragslage ist aber keine rasche Erholung zu erwarten. Von der Witterung begünstigt war hingegen der Wintertourismus, die Zahl der Beschäftigten war so hoch wie im Vorjahr. Manche Dienstleistungsbereiche, darunter der öffentliche Dienst und die Anbieter von Finanzdienstleistungen, bauen weiterhin Arbeitskräfte ab, während in anderen Sektoren (wirtschaftsnahe Dienstleistungen, Gesundheits- und Unterrichtswesen) die Beschäftigung expandiert.

Insgesamt ist die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Vorjahresvergleich allerdings deutlich rückläufig. Sie lag im April mit 3,01 Mill. um 36.000 unter dem Vorjahreswert. Der konjunkturbedingte Beschäftigungseinbruch geht mit steigender Arbeitslosigkeit einher. Die Arbeitslosenquote betrug im April 7,2%. Auf eine gemeldete offene Stelle kamen im April 11 vorgemerkte Arbeitslose.

Der Preisanstieg läßt dagegen weiter nach. Er erreichte im Februar nur noch 1,5%; zur Stabilisierung trugen die Abschwächung der Nachfrage, anhaltende Effekte des EU-Beitritts sowie die stärkere Berücksichtigung von Ausverkäufen in der Preiserhebung bei.

Die vorliegenden Produktions- und Nachfragedaten für die europäischen Handelspartner signalisieren keine rasche Konjunkturerholung. In Deutschland ist die Industrieproduktion weiterhin rückläufig, der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im März deutlich gesunken und läßt für die nächsten Monate keine Belebung erwarten. Die Auslandsaufträge haben sich jedoch gefestigt. Wegen des Wachstumseinbruchs bleibt in den meisten europäischen Ländern das Steueraufkommen zurück, und die Sozialtransfers zugunsten der wachsenden Zahl von Arbeitslosen steigen. Viele Länder versuchen, mit neuerlichen Konsolidierungsmaßnahmen den Pfad zur Erreichung der Budgetziele einzuhalten. Dies wirkt allerdings kurzfristig wachstumsdämpfend. Günstigere Rahmenbedingungen für die europäische Konjunktur schaffen die Zinssenkungen und die Entspannung im Europäischen Währungssystem sowie die Expansion der Wirtschaft in den USA.