21. März 1996 • Wechselkursregime und Wirtschaftsdynamik in der EU • Stephan Schulmeister

Die Wirtschaft der EU hat sich unter stabilen Wechselkursen (1987/1992) besser entwickelt als in der Periode häufiger Realignments (1982/1987) bzw. unter freier Kursbildung auf den Devisenmärkten (1992/1995). Die monetäre Spaltung Europas seit 1992 begünstigt die Weichwährungsländer gegenüber dem Hartwährungsblock, dämpft aber gleichzeitig das Wachstum der EU insgesamt.

Zwischen 1982 und 1986 stimulierten die Abwertungen der Weichwährungsländer deren Exporte und Investitionen, zugleich verursachten aber die Wechselkursverschiebungen Friktionen im Intra-EU-Handel, die dazu beitrugen, daß das BIP in der EU insgesamt um weniger als 2% pro Jahr wuchs.

In der Phase fester Wechselkurse (1987/1992) gingen die Inflationsdifferentiale zwischen den Weich- und Hartwährungsländern kontinuierlich zurück, das Wirtschaftswachstum der EU stieg auf fast 3% pro Jahr, nicht zuletzt infolge der stabilen monetären Rahmenbedingungen innerhalb der EU.

Die Aufgabe fester Wechselkurse im September 1992 wurde wesentlich durch die Hochzinspolitik der Deutschen Bundesbank mitverursacht: Angesichts der schweren Rezession in Großbritannien und Skandinavien, wachsender Spannungen im EWS im Zuge einer starken Dollarabwertung und der Konjunkturabschwächung in Deutschland war im Sommer 1992 eine Rücknahme der DM-Leitzinsen als ein "gesamteuropäisches Signal" zu erwarten – tatsächlich erhöhte die Bundesbank jedoch im Juli 1992 den Diskontsatz auf das höchste Niveau der Nachkriegszeit. In der Folge nahm die Spekulation solche Ausmaße an, daß das Pfund und die Lira aus dem Wechselkursmechanismus des EWS ausscheiden mußten.

Im Gegensatz zu früheren Phasen instabiler Wechselkurse sind die Lohnstückkosten in den Weichwährungsländern seit 1992 nicht rascher gestiegen als im "Hartwährungsblock", die preisliche Konkurrenzfähigkeit hat sich daher stark verschoben: Zwischen 1992 und 1995 stieg der real-effektive Wechselkurs des Hartwährungsblocks um durchschnittlich 3% pro Jahr, jener der anderen EU-Länder sank hingegen um 6% pro Jahr. Gleichzeitig wuchsen die Gesamtexporte der Weichwährungsländer um 9%, jene des Hartwährungsblocks hingegen um nur 3% pro Jahr.

Infolge der DM-Aufwertung erhöhte sich das deutsche Preisniveau insbesondere gegenüber den Weichwährungsländern deutlich (in einheitlicher Währung): 1992 war deren BIP um durchschnittlich 15% "billiger" als jenes von Deutschland, 1995 aber um 31½%. Der Versuch, die Inflation durch eine Hochzinspolitik zu bekämpfen, verteuerte somit deutsche Produkte gegenüber den anderen Ländern erheblich.

Die realwirtschaftliche Dynamik wurde in der gesamten EU durch die Destabilisierung der Wechselkurse gedämpft: Das Wirtschaftswachstum betrug 1992/1995 1½% pro Jahr und war damit nur halb so hoch wie zwischen 1987 und 1992. Die Wechselkursverschiebungen erhöhten nämlich die Unsicherheit über Außenhandel und Investitionsstandort und vertieften so nicht nur die Rezession 1993, sondern verlangsamten auch den Konjunkturaufschwung.