7. März 1996 • Wachstumsschwäche und Beschäftigungseinbruch • Markus Marterbauer

Die europäische Konjunktur kann sich angesichts der restriktiven exogenen Einflüsse nicht aus der Wachstumsschwäche lösen. Auch für Österreich zeigt eine Reihe von Indikatoren eine weitere Konjunkturdämpfung an. Die Produktion von Industrie und Tiefbau sowie die Gesamtbeschäftigung sind stark rückläufig.

Der Konjunkturaufschwung erreichte im Frühjahr vergangenen Jahres seinen vorläufigen Höhepunkt; seit dem Sommer läßt die Dynamik rasch nach. Die Industrieproduktion lag im Dezember um 7% unter den Werten des Frühsommers. Nur einige Bereiche der technischen Verarbeitung und die Chemiebranche entwickeln sich weiterhin relativ günstig. Eine Reihe von Investitionsprojekten der Industrie wurde angesichts der ungünstigeren Nachfrageperspektiven aufgeschoben. Der Tiefbau verzeichnete im Herbst durch den Mangel an öffentlichen Aufträgen Umsatzeinbußen, die im Winter durch die ungünstigen Witterungsbedingungen (früher Kälteeinbruch vor allem im Osten Österreichs) verstärkt wurden. Auch die unbefriedigende Entwicklung von Handel und Tourismus veränderte sich im 2. Halbjahr nicht. Die vorliegenden Außenhandelsdaten zeigen eine rege Dynamik von Exporten und Importen. Die Statistik der Warenzahlungen läßt aber eine genauere Analyse nicht zu und spiegelt die tatsächliche Entwicklung nur mit einer Verzögerung wider. Ein schwaches positives Signal setzt die in den saisonbereinigten Werten wieder etwas günstigere Entwicklung der Auftragseingänge aus dem Ausland.

Das vorläufige Ende des kurzen Aufschwungs macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar: Die Beschäftigung lag zuletzt um 43.000 (–1,4%) unter dem Vorjahreswert. Die weniger wettbewerbsstarken Bereiche der Sachgüterproduktion, die Bauwirtschaft und das Gaststättenwesen, die Gebietskörperschaften und Finanzdienstleistungen waren am stärksten betroffen. Nur ein weiterer Rückgang des Arbeitskräfteangebotes verhinderte einen kräftigeren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Diese lag im Februar mit 294.000 Personen um 33.000 über dem Vorjahreswert. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug 7,1% (des Angebotes an unselbständig Erwerbstätigen) bzw. 3,8% nach EU-Definition.

Eine Verlangsamung des Wachstums in der ersten Phase des Aufschwungs ist auch aus früheren Konjunkturzyklen bekannt. Sie kann unterschiedliche Ursachen haben, etwa den Übergang von einer primär von Lageraufstockung und Export zu einer stärker investitionsgetragenen Expansion. Der aktuelle Konjunkturrückschlag dürfte aber früher eingesetzt haben und merklich ausgeprägter sein als in vergangenen Zyklen. Die hauptsächliche Determinante liegt in der restriktiven Orientierung der europäischen Wirtschaftspolitik, insbesondere der Fiskalpolitik. Die simultanen Maßnahmen eines Großteils der EU-Länder zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte bringen eine erhebliche Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mit sich, die in vielen Ländern durch hohes (reales) Zinsniveau oder merkliche Aufwertungen verstärkt wird.

Besonders eklatant ist die Konjunktureintrübung mit einer beständigen Schwäche des privaten Konsums in Frankreich. In Deutschland ist die erhoffte Belebung der Investitionen bislang nicht eingetreten, das Geschäftsklima verschlechtert sich weiter. Günstiger entwickelt sich die Konjunktur in Italien und anderen Abwertungsländern, für die der Außenhandel weiterhin einen merklichen Wachstumsbeitrag leistet. Die Wachstumsschwäche in Europa bedeutet eine wesentliche Behinderung für den Abbau der hohen Arbeitslosigkeit (1995 durchschnittlich 11%) und der Defizite der öffentlichen Haushalte (mehr als 5% des BIP).