27. Februar 1996 • Bedeutung ausländischer Direktinvestitionen in Osteuropa • Jan Stankovsky

Der Zustrom ausländischer Direktinvestitionen in die Oststaaten stieg von 7½ Mrd. $ 1994 auf 12½ Mrd. $ 1995, der Bestand wird auf 38 Mrd. $ geschätzt. Osteuropäische Unternehmen mit Auslandskapital erweisen sich meist als überdurchschnittlich produktiv.

Der Strom an ausländischen Direktinvestitionen in die Oststaaten stieg sprunghaft von fast Null 1989 auf 7 Mrd. $ 1993. Er stagnierte 1994, nahm aber 1995 nach vorläufigen Daten auf 12½ Mrd. $ zu. Dieser hohe Zuwachs ist zum Teil auf einige große Privatisierungsprojekte (u. a. im Telecom-Bereich) zurückzuführen.

Direktinvestitionen aus dem Ausland sind vor allem für die Transformationsländer in Ost-Mitteleuropa bestimmt, der Zustrom in diese Region hat sich von 4,6 Mrd. $ 1994 auf 8½ Mrd. $ 1995 nahezu verdoppelt. Die Angaben über Direktinvestitionen in der GUS (1,9 Mrd. $, davon Rußland 1,5 Mrd. $) sind weniger gesichert als jene in Ost-Mitteleuropa, sie schließen möglicherweise zum Teil auch noch nicht realisierte Projekte ein. Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen im Osten wird für Ende 1994 auf 25 Mrd. $, für Ende 1995 auf 38 Mrd. $ geschätzt, die Zahl der Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung auf 173.000 (1994). Ungarn zog bisher die meisten Direktinvestitionen an (Ende 1995 12,7 Mrd. $) vor Polen (6,5 Mrd. $) und Tschechien (5,7 Mrd. $). Die Investitionsbestände pro Kopf erreichten ihren höchsten Wert in Ungarn, gefolgt von Slowenien, Tschechien und Estland.

Im internationalen Vergleich sind die Direktinvestitionen in den Oststaaten immer noch relativ gering. Etwa 3% der weltweit 1994 auf 226 Mrd. $ geschätzten grenzüberschreitenden Investitionen entfallen auf die Oststaaten (auf Entwicklungsländer 37%, davon auf China 15%), an den auf 2.319 Mrd. $ geschätzten Investitionsbeständen sind die Oststaaten mit etwa 1% beteiligt. 1995 dürften diese Anteile allerdings merklich gestiegen sein.

Internationale Studien zeigen, daß Auslandsunternehmen in den Oststaaten eine wesentlich höhere Produktivität und Umsatzdynamik aufweisen als Inlandsunternehmen (in Ungarn etwa war ihre Produktivität doppelt so groß, ihre Umsätze stiegen 1993 um 47%, die der inländischen Unternehmen um nur 3,5%).

Das regionale Muster des Wirtschaftsaufschwungs in Osteuropa läßt allerdings keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsdynamik und dem Volumen ausländischer Direktinvestitionen erkennen. Länder mit hohen Auslandsinvestitionen (Ungarn, Tschechien) erreichten bisher ein eher niedriges Wachstum, Länder mit hohem Wachstumstempo (z. B. Polen) erhielten bisher relativ wenig Auslandskapital. Diese These wird durch Korrelationsrechnungen unterstützt. Mit Ausnahme von Ungarn waren ausländische Direktinvestitionen bisher auch relativ wenig an der Finanzierung der Investitionstätigkeit beteiligt. Insgesamt spielt also das ausländische Privatkapital in der Transformation Osteuropas direkt und indirekt zwar eine wichtige Rolle, sein unmittelbarer Beitrag zum Wirtschaftswachstum bzw. zur Finanzierung von Brutto-Anlageinvestitionen ist aber relativ gering.

In Zukunft wird ausländisches Privatkapital nur in solchen osteuropäischen Ländern einen bedeutenden Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten, die aus eigener Kraft die Herausforderung der Transformation bewältigt haben und auf einen Wachstumspfad eingeschwenkt sind. Die Gefahr eines Mißbrauchs der durch ausländische Direktinvestitionen geschaffenen Marktmacht könnte durch die wirtschaftliche und politische Stabilisierung, aber auch durch Einbeziehung der osteuropäischen Länder in die Wettbewerbsmechanismen der EU verringert werden.