15. Februar 1996 • Ostöffnung und Osterweiterung der EU. Ökonomische Auswirkungen auf Österreich • Fritz Breuss, Fritz Schebeck

Die Osterweiterung ist der konsequente nächste Schritt zur Einbindung der ehemaligen Oststaaten in die Europäische Union. Anläßlich der Tagung des Europäischen Rates im Juni 1993 in Kopenhagen wurde die Grundsatzentscheidung getroffen, daß jene assoziierten Länder Ost-Mitteleuropas, die der EU beitreten wollen, willkommen sind. Seither wiederholte die EU auf allen folgenden Ratstagungen diese Bereitschaft und präzisierte die Bedingungen für die "Europareife" der Oststaaten. Ein konkreter Termin für Beitrittsverhandlungen steht noch nicht fest, doch kann man davon ausgehen, daß mit den ersten beitrittswilligen Ländern nach Abschluß der Regierungskonferenz 1996 Gespräche aufgenommen werden.

Die Erfahrungen mit der bisherigen Ostöffnung können in vieler Hinsicht als Anhaltspunkt für die möglichen wirtschaftlichen Folgen der Osterweiterung dienen. Daher analysierte das WIFO die Auswirkungen der Ostöffnung in den Jahren 1989 bis 1994 auf die österreichische Wirtschaft mit Hilfe von Modellsimulationen und untersuchte, wieweit die EU-Vollmitgliedschaft von bis zu zehn ostmitteleuropäischen Ländern (MOEL) Vor- und Nachteile für Österreich bringt.

Österreich profitierte insgesamt von der Ostöffnung

Österreich unterhält traditionell enge handelspolitische Verbindungen mit den Oststaaten. Dies gilt insbesondere für den Nachbarschaftshandel. Die Öffnung der Grenzen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 und die aufgrund von Freihandelsabkommen im Rahmen der EFTA liberalisierten Handelsbeziehungen setzten zwar einige Wirtschaftssektoren in Österreich unter großen Anpassungsdruck (besonders die Produktion von Zement, Stahl, Textilien und Bekleidung sowie Landmaschinen). Insgesamt profitierte Österreich aber durch vermehrte Nettoexporte. Die davon ausgelösten Impulse für das Wachstum des realen BIP zwischen 1989 und 1994 betragen 2,4 Prozentpunkte. Insgesamt konnten dadurch 56.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Zahlen enthalten nicht nur die direkten Handelseffekte, sondern auch die indirekten Effekte der deutschen Wiedervereinigung, die zu einer erheblichen Steigerung der österreichischen Exporte beitrugen. Die Ostöffnung war anfänglich begleitet von einem Anwachsen der Immigration. Dieser Immigrationsschub hatte einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge.

Für Österreich Osterweiterung mit den vier Nachbarstaaten optimal

Aufgrund der nicht unerheblichen Kosten, die die volle Integration der wirtschaftlich unterdurchschnittlich entwickelten MOEL in die Gemeinsame Agrarpolitik und in die Strukturpolitik der EU verursachen wird, ist es unwahrscheinlich, daß alle zehn assoziierten MOEL zugleich in die EU aufgenommen werden. Die ersten Kandidaten für den EU-Beitritt werden jene Länder sein, deren Transformationsprozeß am weitesten fortgeschritten ist. Obwohl prinzipiell alle EU-Staaten eine Osterweiterung begrüßen, sind die Präferenzen der einzelnen Mitglieder doch sehr unterschiedlich. Während Deutschland auch aus politischen Gründen Polen, die skandinavischen Länder hingegen eher die baltischen Staaten bevorzugen, wäre aus der Sicht Österreichs eine Aufnahme der vier Nachbarn Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn am günstigsten. Zum einen weisen diese Länder den höchsten Entwicklungsstand der MOEL auf (das bedeutet allerdings, daß ihr BIP pro Kopf immer noch nicht die Hälfte des Durchschnitts der EU 15 erreicht), zum anderen betreibt Österreich mit diesen Ländern am intensivsten Handel. Unterstellt man, daß die Kosten der Mitgliedschaft für diese vier MOEL anfänglich 1,6 Mrd. S pro Jahr ausmachen und im Laufe der Zeit sinken, weiters daß ihre Wachstumschancen und damit der Importbedarf mit dem EU-Beitritt steigen, so errechnet sich für Österreich ein Wachstumsimpuls von 1,5% über eine Periode von neun Jahren. Letztlich würden die gesamtwirtschaftlichen Vorteile die Eintrittskosten überwiegen. Der zusätzliche wirtschaftliche Nutzen jedes weiteren EU-Beitritts eines ostmitteleuropäischen Landes wäre geringer als die Kosten. Dies gilt auch für Polen. Eine hypothetische Simulation mit dem EU-Beitritt aller 10 MOEL brächte für Österreich einen Wachstumsimpuls von 1,7% im Laufe von neun Jahren. Die Beitrittskosten wären zu Beginn mit jährlich 7,8 Mrd. S nicht unerheblich. Es wird allerdings unterstellt, daß durch Reformen der GAP und der Strukturpolitik sowie infolge der Weiterentwicklung dieser Länder die Belastung stetig abnimmt.