18. Jänner 1996• Beschäftigungspolitik in kleinen, offenen Volkswirtschaften der EU • Markus Marterbauer

Die aktuellen Konjunkturaussichten für Europa lassen erwarten, daß die Arbeitslosigkeit von dem hohen Niveau, das sie in der Rezession 1993 erreicht hat (11%), in absehbarer Zeit kaum markant sinken wird. Primär reicht das schwache Wirtschaftswachstum nicht aus, um die Beschäftigungsnachfrage rascher als Arbeitsproduktivität und Arbeitskräfteangebot wachsen zu lassen. Die entscheidenden Wachstumsdeterminanten sind heute von der Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene zu beeinflussen; dort besteht ausgeprägter Handlungsbedarf. Kleine, offene Volkswirtschaften verfügen aber vor allem in der Forschungs- und Entwicklungspolitik und im Bereich von Infrastrukturinvestitionen über Spielraum. Darüber hinaus versucht die nationale Beschäftigungspolitik die "Beschäftigungsintensität" des Wachstums und die qualitative und quantitative Ausgestaltung des Arbeitskräfteangebotes zu beeinflussen.

In Dänemark wurde seit 1993 eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Reformmaßnahmen gesetzt. Dazu gehört auch das "Karenzmodell", das international erhebliche Aufmerksamkeit erregt hat. Beschäftigte können Karenzzeiten von bis zu einem Jahr zur Weiterbildung, Kinderbetreuung oder als "Sabbatical" (ohne genau definierte Tätigkeit) in Anspruch nehmen. Während dieser Karenzzeit erhalten sie Transfers in der Höhe von 60% bis 80% des zustehenden Arbeitslosengelds. Die ersatzweise Einstellung von (Langzeit-)Arbeitslosen wird öffentlich gefördert. Mehr als 80.000 Personen befinden sich im Jahresdurchschnitt in Karenz, in der Hälfte der Fälle fanden dadurch Arbeitslose eine temporäre Beschäftigung. Allerdings entstanden in einigen Bereichen (Sozial- und Gesundheitswesen) Engpässe im Arbeitskräfteangebot.

Die "Beschäftigungsintensität" des Wachstums war in den Niederlanden in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre außerordentlich hoch. Dies ist primär auf den starken Anstieg der Teilzeitarbeit zurückzuführen: 65% der beschäftigten Frauen und 15% der Männer sind teilzeitbeschäftigt. Dies geht mit einem Anstieg der Frauenerwerbsquote von 40% auf 60% und einer deutlichen Zunahme der Beschäftigung im Dienstleistungssektor einher. Die Auswirkungen auf das Niveau der Arbeitslosigkeit blieben allerdings marginal. Zur Senkung der Arbeitslosenzahlen wurden primär Früh- und Invaliditätspensionen eingesetzt. In den achtziger Jahren nahmen 10% bis 15% der Arbeitslosen an solchen Programmen teil. Die hohen Kosten und vor allem die stark passive Orientierung waren in den letzten Jahren Anlaß für Reformmaßnahmen.

In Schweden herrschte bis Anfang der neunziger Jahre bei hoher Erwerbsquote Vollbeschäftigung. Mehr als 80% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter waren beschäftigt, 56% im privaten, 26% im öffentlichen Sektor (jeweils europäische Höchstwerte). Der aktiven Arbeitsmarktpolitik kommt im Rahmen der starken Beschäftigungsorientierung des schwedischen Modells besondere Bedeutung zu.

Das effiziente, dezentral organisierte Arbeitsmarktservice sorgt für einen raschen Vermittlungsprozeß. Ein ausgebautes System von Bildungsmaßnahmen sieht für alle Arbeitslosen die Inanspruchnahme von Qualifizierungsmaßnahmen vor und verhindert Langzeitarbeitslosigkeit. Lohnsubventionen und öffentliche Beschäftigung integrieren Problemgruppen (Behinderte, Jugendliche) in den Arbeitsmarkt. Zwischen 1991 und 1993 geriet Schweden in eine tiefe Wirtschafts- und Budgetkrise, die Arbeitslosenquote stieg auf 8%. Aktive Arbeitsmarktpolitik kann in dieser Situation zwar das Entstehen von struktureller Arbeitslosigkeit verhindern, zur Bekämpfung der hohen konjunkturbedingten Arbeitslosigkeit eignet sie sich aber nicht.