9. April 2003 • Österreichs Wirtschaft im Jahr 2002: Neuerlich ungenügendes Wachstum • Marcus Scheiblecker

In den OECD-Ländern entwickelte sich die Wirtschaft 2002 nur wenig besser als 2001. Für diese Ländergruppe ergeben die vorläufigen Berechnungen für 2002 eine BIP-Steigerung von 1,3% nach 0,8% im Jahr davor. Angesichts der geopolitischen Unsicherheiten im 2. Halbjahr 2002 kam die Investitionsnachfrage nicht in Schwung, die üblicherweise die Basis einer Wachstumsbeschleunigung bildet. Vor dem Hintergrund der weiteren Kursverluste an den Weltbörsen trübte sich das Vertrauen der ökonomischen Akteure in die Weltwirtschaft ein.

Die Wirtschaft der EU schien in der ersten Jahreshälfte 2002 nach der Konjunkturflaute wieder an Dynamik zu gewinnen. In der Folge beschleunigte sich die Expansion jedoch nicht weiter. Im Euro-Raum betrug das Wirtschaftswachstum 2002 nach vorläufigen Berechnungen 0,8%. Die Konjunkturschwäche ging weniger auf die geringe Auslandsnachfrage als vielmehr auf die ungünstige Entwicklung der Binnennachfrage zurück. Die Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand war angesichts der durch den Wachstums- und Stabilitätspakt auferlegten Sparzwänge eher restriktiv, und die privaten Haushalte waren in ihren Konsumausgaben wegen der hohen Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt und der nahezu europaweiten Pensionsdiskussion äußerst zurückhaltend. Auch die Unternehmen sahen aufgrund der Verzögerung des internationalen Konjunkturaufschwungs und der anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten kaum Anreize zu einer deutlichen Ausweitung ihrer Investitionen.

In Österreich lag das Wirtschaftswachstum 2002 mit rund 1% nur unwesentlich über dem Vorjahreswert. Das 1. Halbjahr verlief relativ günstig, und ein Aufschwung schien in Gang zu kommen; im weiteren Jahresverlauf ließen aber die Auftriebskräfte merklich nach. Zur Jahresmitte trübte sich die Stimmung der Unternehmen wieder ein – vor allem eine Reaktion auf die internationale Börsenkrise und die anhaltend unsichere internationale Konjunktur. Die Hochwasserkatastrophe im Sommer 2002 beeinträchtigte ebenfalls die heimische Produktion.

Am deutlichsten zeigten sich die Konjunkturschwäche und die anhaltend pessimistische Zukunftseinschätzung der österreichischen Unternehmen im kräftigen Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen real um knapp 5%. Sowohl die Investitionen in Maschinen und Elektrogeräte (–9,5%) als auch jene in Fahrzeuge (–8,2%) wurden erheblich reduziert. Auch die Bauinvestitionen waren rückläufig (–1,2%), allerdings wesentlich weniger als andere Investitionskategorien.

Mit einer realen Ausweitung um rund 1% lieferten sowohl die öffentliche als auch die private Konsumnachfrage keinen Beitrag zu einem Aufleben der heimischen Konjunktur. Die Konsumenten waren angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage und der Unsicherheiten über ihre künftige finanzielle Situation (auch infolge der Pensionsdebatte) bezüglich Neuanschaffungen sehr zurückhaltend. Der Konsum der privaten Haushalte stieg 2002 real um 0,9%, nach +1,5% im Jahr zuvor. Der öffentliche Konsum wuchs hingegen mit real +1,3% stärker als 2002 (–0,5%).

Der Außenbeitrag erwies sich im Jahr 2002 als Konjunkturstütze. Zwar fiel das Exportwachstum mit real +2,6% mäßig aus; wegen der Schwäche der heimischen Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern stagnierte aber der Import (±0,0%). Als Konsequenz verringerte sich das Leistungsbilanzdefizit, und erstmals seit über einem Jahrzehnt war der Saldo ausgeglichen. In geringem Maß war auch der höhere Dollarkurs des Euro maßgebend, welcher einen Großteil der Importe aus Drittländern verbilligte.

Die Verbraucherpreise stiegen 2002, gemessen am nationalen Verbraucherpreisindex, um 1,8% – dank der Beruhigung der Energiepreise in der ersten Jahreshälfte um fast 1 Prozentpunkt langsamer als 2001. Die Bargeldeinführung des Euro machte sich nur teilweise in Form von Preiserhöhungen bemerkbar, etwa im Bereich der persönlichen Dienstleistungen und einiger Güter des täglichen Bedarfs. Ausgabenpositionen mit großem Gewicht im Warenkorb wie z. B. Mieten und Energie verteuerten sich erwartungsgemäß anlässlich der Einführung des neuen Bargeldes nicht überproportional. Der harmonisierte europäische Verbraucherpreisindex wies im Jahresdurchschnitt 2002 einen Anstieg um 1,7% aus. Damit lag Österreich unter den Euro-Ländern mit der niedrigsten Inflationsrate an dritter Stelle nach Deutschland (+1,3%) und Belgien (+1,6%).

Die Konjunkturschwäche verschlechterte die Arbeitsmarktlage 2002 abermals. Die Zahl der Arbeitsplätze war im Jahresdurchschnitt 2002 um fast 15.000 (–0,5%) niedriger als im Vorjahr. Besonders betroffen waren neben der Sachgüterproduktion (–2,5%) das Bauwesen (–2,8%) und das Verkehrs- und Nachrichtenwesen (–1,8%). In der öffentlichen Verwaltung hält der Beschäftigungsrückgang seit 2000 an (2002 –1%). Da sich das Arbeitskräfteangebot trotz der Konjunkturschwäche erhöhte, nahm die Zahl der Arbeitslosen mit fast +29.000 unerwartet kräftig zu. Diese Entwicklung ging auf die Zunahme des Angebotes von ausländischen Arbeitskräften und die Anhebung des Antrittsalters für die Frühpension zurück. Nach österreichischer Berechnung stieg die Arbeitslosenquote von 6,1% im Vorjahr auf 6,9% im Jahresdurchschnitt 2002. Nach Eurostat-Definition erhöhte sie sich von 3,6% auf 4,1%. Österreich wies damit nach wie vor eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der EU auf.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/2003!