17. Februar • Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) aus makroökonomischer Sicht • Franz Hahn

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und die EU-Kommission haben weitgehend übereinstimmende Vorschläge zur Reform der Eigenkapitalvorschriften für Banken vorgelegt (Basel II). Ziel dieser Reform ist eine Stärkung der Finanzmarktstabilität durch eine höhere Übereinstimmung zwischen bankwirtschaftlichen Risken, insbesondere Kreditrisken, und aufsichtsrechtlichem Eigenkapitalerfordernis für Banken. Dies soll vor allem durch den verstärkten Einsatz von neuen, bankintern anzuwendenden Risikobewertungsverfahren erreicht werden.

Makroökonomische Aspekte der Bankenregulierung blieben in beiden Vorschlägen vorerst nahezu unberücksichtigt. Die Konsequenzen, die daraus für Gesamtwirtschaft und Finanzsystem erwachsen können, lösten im Rahmen des Konsultationsverfahrens eine intensive Debatte in Wissenschaft und Politik aus, die noch nicht abgeschlossen ist.

Die heftigste Diskussion entzündete sich an der Befürchtung, dass die risikosensitivere Eigenmittelregelung von Basel II – Kredite an Schuldner guter Bonität müssen mit einem geringeren Eigenkapitalsatz unterlegt werden als solche an Kreditnehmer mit schlechter Bonität – den Konjunkturzyklus stärker destabilisieren könnte als die bisherige Regelung. Die ohnehin ausgeprägte Prozyklik der Kreditgewährung durch Banken würde durch die neuen, bankinternen Risikobewertungsverfahren zusätzlich verstärkt und nicht gedämpft. Dieser Einwand basiert auf empirisch gut fundierten Erkenntnissen. Die Konjunkturempfindlichkeit der zentralen Risikofaktoren im Kreditgeschäft wird von den Banken nur sehr selten berücksichtigt. Empirische Evidenz erhärtet auch die Vermutung, dass Banken ihre Risikobeurteilung nur für einen kurzen Zeitraum (ein Jahr und weniger) vornehmen. Eine statische, kurzfristige Risikobewertung, wie sie von den Banken bevorzugt wird, kann in der Folge eine tendenzielle Unterbewertung von Kreditrisken im Aufschwung (bzw. eine Überbewertung im Abschwung) und damit eine gesamtwirtschaftlich unerwünschte Ausweitung (bzw. Kürzung) von Krediten nach sich ziehen. Dies kräftigt den Aufschwung, kann jedoch auch den Abschwung verschärfen.

Der Basler Ausschuss hat sich im Zuge des Konsultationsverfahren gegenüber diesen Einwänden als offen erwiesen und wird voraussichtlich den Banken bei der Schätzung von Ausfallswahrscheinlichkeiten eine vorsichtigere und stärker zukunftsorientierte bzw. makroökonomisch fundierte Vorgangsweise empfehlen.

Im Zusammenhang mit Basel II wurden in mehreren EU-Staaten, darunter auch Österreich, Befürchtungen geäußert, dass das neue Eigenkapitalregime für Banken die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen verteuern könnte. Der Basler Ausschuss nahm diese Bedenken zum Anlass, die Eigenmittelunterlegung für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zu überarbeiten und durch Erleichterungen zu entschärfen. Simulationen zeigen, dass Banken aus der Kreditgewährung an kleine und mittlere Unternehmen durch das nun erheblich niedrigere Eigenmittelerfordernis voraussichtlich geringere regulatorische Kosten erwachsen als aus Krediten an größere Unternehmen gleicher Bonität.

Die besprochenen makroökonomischen Implikationen von Basel II sind durchwegs aus österreichischer Sicht bedeutsam, allerdings in unterschiedlichen Abstufungen. Die Tendenz zur Prozyklik im bankinternen Rating kann für eine Volkswirtschaft, deren Unternehmen in hohem Maß von der Verfügbarkeit von kostengünstigen Bankkrediten abhängig sind, zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil werden – insbesondere wenn zentrale Bereiche der Wirtschaft – wie etwa in Österreich der Tourismussektor, die Bauwirtschaft und die exportorientierte Sachgüterproduktion – außerordentlich konjunkturempfindlich sind. Die Erleichterung der Kapitalunterlegung für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen sollte jedoch die mittelbetriebliche Wirtschaft Österreichs begünstigen.

Mit Abschluss des dritten Konsultationspakets gegen Ende 2003 wird sich zeigen, ob der neue Basler Akkord neben einer soliden mikroökonomischen auch eine tragfähige makroökonomische Fundierung aufweist. Davon wird es abhängen, ob Basel II die überaus hohen Erwartungen, die in diese Vereinbarung gesetzt werden, erfüllen kann.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2003! Tabellen und Graphiken zu den Presseaussendungen des WIFO finden Sie jeweils auf der WIFO-Website, http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.search?p_typeid=98&p_language=1&p_type=0.