11. Februar 2003 • Bestimmungsgründe der Lohnquote und der realen Lohnstückkosten • Markus Marterbauer

In den letzten Jahrzehnten hat sich die wirtschaftspolitische Diskussion von der Verteilungsperspektive des Lohnanteils am Volkseinkommen zur Standortperspektive der Lohnstückkostenposition verschoben. Die Konzepte dieser beiden Indikatoren sind einander sehr ähnlich. Als wichtigste langfristige Determinante der Lohnquote erweist sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Die Entwicklung des Lohnanteils am Volkseinkommen zeigt in den letzten Jahrzehnten ein charakteristisches Muster: Bis Ende der siebziger Jahre stieg die um die Verschiebung der Struktur der Erwerbstätigen bereinigte Lohnquote, seither geht sie kontinuierlich zurück (um durchschnittlich 0,8 Prozentpunkte pro Jahr). Dieses Muster gilt nicht nur für Österreich, sondern für alle EU-Staaten. Der internationale Einklang deutet bereits darauf hin, dass die Entwicklung nicht auf "willkürliches" Gewerkschaftsverhalten in einzelnen Ländern, sondern auf gemeinsame Ursachen zurückzuführen ist.

Das gleiche Bild zeigen die realen Lohnstückkosten. Sie sanken in Österreich seit 1980 um 15%, seit 1990 um 9%. Der Rückgang fiel etwas stärker aus als in Deutschland (–13% bzw. –7%) und im EU-Durchschnitt (–12% bzw. –6%). Die Realeinkommensteigerungen der Arbeitnehmer blieben demnach in beiden Jahrzehnten deutlich hinter dem Fortschritt der Arbeitsproduktivität zurück.

Die Entwicklung der bereinigten Lohnquote als Kennzahl der funktionellen Einkommensverteilung und jene der Reallohnposition als Standortindikator unterliegen vielfältigen Bestimmungsgründen. Als entscheidend erscheinen die Lage auf dem Arbeitsmarkt, der Konjunkturzyklus und die Preisentwicklung.

Die Veränderung der Arbeitslosigkeit bildet langfristig die wichtigste Determinante für die Lohnquote. Ein Anstieg der Arbeitslosenquote um 1 Prozentpunkt verringert die bereinigte Lohnquote um etwa 1 Prozentpunkt. Der Trend der bereinigten Lohnquote – Zunahme in den siebziger Jahren, Rückgang in den achtziger und neunziger Jahren – verläuft umgekehrt zum Trend der Arbeitslosenquote.

Abbildung 1: Bereinigte Lohnquote und Arbeitslosenquote in Österreich

In %

Q: Statistik Austria, WIFO.

Auch die Konjunktur hat entscheidenden Einfluss. In Aufschwungphasen sinkt die bereinigte Lohnquote, weil die Reallohnsteigerungen zunächst hinter den Produktivitätssteigerungen zurückbleiben. In allen Rezessionsjahren (1975, 1981/82, 1993 und 2001) steigt hingegen die Lohnquote, weil die Gewinne der Unternehmen stärker von einer Verringerung der Kapazitätsauslastung betroffen sind als die Löhne und Gehälter. Eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums im Konjunkturverlauf um 1 Prozentpunkt geht im Durchschnitt der letzten drei Jahrzehnte mit einem Rückgang der bereinigten Lohnquote um etwa ½ Prozentpunkt einher.

Die Entwicklung der Lohnquote wird auch von jener der Besitzeinkommen bestimmt. Diese stiegen in den letzten zwei Jahrzehnten markant. Der Anteil der Besitzeinkommen an den gesamten Nicht-Lohneinkünften erhöhte sich von 18% auf 23%.

Der Lohnanteil am Gesamteinkommen unterscheidet sich zwischen den verschiedenen Sektoren und Branchen erheblich. Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte an der gesamten Bruttowertschöpfung ist im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen mit etwa 80% am höchsten. Deutlich niedriger ist er im Bereich der privaten Dienstleistungen mit nur etwa 45%. In der Sachgütererzeugung verringerte er sich in den letzten zwei Dekaden merklich (auf 58% im Jahr 2000). Die Unterschiede zwischen dem Lohnanteil in der Sachgüterproduktion und in den privaten Dienstleistungsbranchen werden vor allem durch den Anteil der Selbständigen bestimmt, der im Dienstleistungssektor deutlich höher ist. Während der Strukturwandel von der Landwirtschaft zur Sachgüterproduktion in den fünfziger und sechziger Jahren die Lohnquote anhob, wurde sie durch jenen von der Sachgütererzeugung zum privaten Dienstleitungssektor gedrückt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2003 und der folgenden WIFO-Studie: Markus Marterbauer, Ewald Walterskirchen, Bestimmungsgründe der Lohnquote und der realen Lohnstückkosten, im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, 55 Seiten, 40 €, Download 32 €: http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=22350!