8. Oktober 2002 • Diskussion um neue Reformen der EU-Agrarpolitik. Kommission will Prämiensystem umbauen – Folgen für die österreichische Landwirtschaft • Matthias Schneider

Nur drei Jahre nach der letzten Reform, die die Weichen bis 2006 einschließlich der EU-Osterweiterung stellen sollte, schlägt Agrarkommissar Fischler neue, teils einschneidende Änderungen der EU-Agrarpolitik vor. Zentraler Punkt ist der Umbau der für die EU-Landwirtschaft wichtigen Direktzahlungen. Die Flächen- und Tierprämien sollen in eine einzige, betriebsbezogene und von der Produktion entkoppelte Einkommenszahlung umgewandelt werden. Zudem sollen alle Direktzahlungen stufenweise um insgesamt 20% gekürzt und mit 300.000 € je Betrieb begrenzt werden. Die durch die "dynamische Modulation" und "Deckelung" eingesparten EU-Gelder sollen den Ausbau der ländlichen Entwicklungspolitik finanzieren.

Entkoppelung

Die Bemessung der vorgeschlagenen betrieblichen Einkommenszahlung nach historischen Ansprüchen ist einkommens- und sozialpolitisch kaum zu begründen und auf längere Sicht schwer zu rechtfertigen. Ob die "Entkoppelung" die Marktorientierung der europäischen Landwirtschaft fördert, ist unter den gegebenen Umständen (nach Produkten sehr unterschiedliches Schutzniveau) fraglich.

Für Österreich sind die Auswirkungen der vorgesehenen Entkoppelung der Marktordnungsprämien auf die Intensität und die regionale Verteilung der Produktion besonders heikel. Die heimischen Bauern produzieren (u. a. wegen des hohen Anteils an Berggebieten und sonstigen Gebieten mit schwierigen Produktionsbedingungen sowie der klein- und mittelbäuerlichen Strukturen) zu relativ hohen Kosten. Sie könnten im Zuge der Entkoppelung Marktanteile verlieren, weil die Produktion in größere Betriebe sowie in Gunstlagen des In- und Auslandes abwandert. Negative Folgen für die Umweltleistungen sowie die Raumfunktion der bäuerlichen Landwirtschaft sind nicht auszuschließen und wären zu klären.

Deckelung der Direktzahlungen

Ökonomisch ist die vorgesehene Kappung der Direktzahlungen schwer zu argumentieren. Verteilungspolitische Ziele können effizienter über die Steuerpolitik erreicht werden. Stehen gesellschaftspolitische Ziele im Vordergrund (Vermeidung von "industriellen" Großbetrieben), dann ist die Obergrenze mit 300.000 € eher hoch angesetzt. In Österreich wären nur eine Handvoll Betriebe betroffen.

Dynamische Modulation

Die Prämienkürzung im Rahmen der "dynamischen Modulation" um insgesamt 20% (Freigrenze 5.000 €) würde etwa ein Drittel aller österreichischen Betriebe (die derzeit Marktordnungsprämien erhalten) betreffen. In der Mehrzahl sind dies bäuerliche Haupterwerbsbetriebe.

Die Folgen der Modulation für die Einkommensverteilung in der heimischen Landwirtschaft sind offen. Möglicherweise könnte dadurch die Ungleichheit in den Gesamteinkommen sogar steigen, weil im Nebenerwerb bewirtschaftete Betriebe (die ihr Einkommen primär aus nichtlandwirtschaftlichen Quellen beziehen) weniger betroffen wären als Haupterwerbsbetriebe.

Ob und in welchem Ausmaß der von der Kommission angestrebte Ausbau der ländlichen Entwicklungspolitik die Einbußen der Bauern durch die Modulation dämpft oder sogar aufwiegt, ist unklar, weil die Österreich zustehenden EU-Gelder erst festzulegen wären. Zudem ist nicht abzusehen, wieweit diese Mittel tatsächlich zu einer Aufstockung des ländlichen Entwicklungsprogramms eingesetzt würden und welche Aufwendungen und/oder Ertragseinbußen die Bauern dafür hinnehmen müssten.

Qualität und Sicherheit der Lebensmittel

In den Bereichen Sicherheit und Qualität der Nahrungsmittel sowie Tierschutz greifen die Kommissionsvorschläge zu kurz. Die für die EU-Landwirte vorgesehenen Auflagen und Kontrollen wären durch entsprechende Maßnahmen in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweigen (in denen viele Lebensmittelskandale der letzten Jahre ihren Ursprung hatten) sowie durch wirksame Kontrollen der Importe zu ergänzen.

Die eher enttäuschenden Erfahrungen der USA mit dem Landwirtschaftsgesetz 1996, das einen ähnlichen Umbau der Agrarstützungen vorsah, wie ihn die Kommission vorschlägt, mahnen zur Vorsicht und sollten in der Diskussion mitberücksichtigt werden.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2002!