18. Juli 2002 • Nachhaltiger Konsum: Konzepte und ökonomische Modellierung • Daniela Kletzan, Angela Köppl

Trotz ihrer in der Theorie bestätigten makroökonomisch günstigen Effekte werden in der umweltpolitischen Realität ökonomische Instrumente (Instrumentenbündel) zu wenig genutzt. Ihr Einsatz würde die Bereitschaft zu grundlegenden Eingriffen im Sinne einer Umgestaltung herrschender ökonomischer Rahmenbedingungen voraussetzen. Simulationen nachhaltiger Konsumstrukturen, die das WIFO in seinem jüngsten Monatsbericht publiziert, liefern über die makroökonomische Bewertung hinaus die für die politische Entscheidungsfindung bedeutenden Informationen über das erforderliche Ausmaß des Eingriffs und die Variablen (Preise, Kapitalstock usw.), an denen er ansetzen soll. Die politische Durchsetzbarkeit hängt auch von diesen Faktoren ab.

In der internationalen Forschung zur Abbildung und Messung nachhaltiger Konsumstrukturen wird eine Vielzahl von Ansätzen angewandt, die jedoch in Hinblick auf die Fragestellung, die Methodik sowie die untersuchten Konsumbereiche äußerst heterogen sind. Einen weiteren Teil der Forschung bilden empirische Projekte zur Abbildung der Struktur und Entwicklung verschiedener Konsumbereiche, zur Erfassung der damit verbundenen Umwelteffekte und zur Ableitung von Politikoptionen, die für eine Umorientierung der Konsumstrukturen und insbesondere zur Verlangsamung des Konsumwachstums geeignet erscheinen. Die meisten dieser Projekte sind interdisziplinäre Forschungsarbeiten, die auch andere als ökonomische Hintergründe des Konsums beleuchten (z. B. sozio-psychologische Aspekte oder Fragen der Infrastruktur).

Die Integration anderer Fachrichtungen wird auch im Bereich der theoretischen Forschung und Modellierung des Konsumverhaltens versucht. Die Ansätze zielen auf eine Erweiterung und Ergänzung des Lehrbuchkonzepts des "homo oeconomicus" oder auf die Modellierung heterogener Verhaltensweisen ab, da das Konzept des repräsentativen nutzenmaximierenden Konsumenten für die Abbildung beobachtbarer Konsummuster unzureichend ist und Aspekte wie die soziale Bedeutung des Konsums, Werte und Normen sowie auch sozio-technische Gegebenheiten außer Acht gelassen werden.

Sowohl die theoretischen als auch die umsetzungsorientierten Arbeiten betonen dabei die Notwendigkeit einer Umorientierung der Nachfragestrukturen. Der Einbindung in empirische ökonomische Modelle und der Schätzung der gesamtwirtschaftlichen Effekte einer Umorientierung der Konsumstrukturen wurde jedoch bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Ausgangspunkt für die Modellanalyse des WIFO zum nachhaltigen Konsum ist eine Umorientierung der Messung von ökonomischem Wohlstand. Untersucht wird vorrangig die Generierung von Konsumdienstleistungen (Wohnen, Mobilität, Information) und damit von Wohlstand aus einer Kombination von Bestandsgrößen (z. B. Gebäudebestand mit verbesserter thermischer Qualität) und Stromgrößen (vor allem Energie), da gerade im Konsum eine reine Messung der Stromgrößen irreführend sein kann.

Für die ökonomischen Simulationen nachhaltiger Konsumstrukturen wurde das konventionelle Konsummodell adaptiert:

  • Fokussierung auf die durch Stromgrößen und Bestandsgrößen erreichten Konsumdienstleistungen statt der ökonomischen Analyse von Konsum-Stromgrößen,
  • explizite Modellierung der Dynamik dieser Bestands-Stromgrößen-Beziehungen,
  • Einbeziehung von technischem Fortschritt in der Interaktion von Bestandsgrößen und Stromgrößen für die wohlstandsrelevanten Konsumdienstleistungen,
  • Berücksichtigung von Nachfrageverschiebungen in der Folge der Änderungen von Konsumstilen.

Die Wirtschaftspolitik hat grundsätzlich drei Möglichkeiten, die Konsumstruktur zu beeinflussen: direkt (etwa durch öffentliche Bewusstseinsbildung), durch Veränderung der relativen Preise (z. B. zwischen Bestandsgrößen und Stromgrößen) und durch Anreize für die Richtung des technischen Fortschritts (etwa durch Infrastrukturinvestitionen und gezielte Forschungsförderungsprogramme).

Im Rahmen des vorliegenden Modells können erstmals die ökonomischen Auswirkungen von Nachfrageverschiebungen auf die Konsumstruktur quantifiziert werden. Zur Erreichung des vorgegebenen Ziels einer Verringerung der CO2-Emissionen um 13% innerhalb von knapp 10 Jahren müsste demnach ein großer Teil der österreichischen Haushalte die Nachfragestruktur z. B. verstärkte Nutzung des ÖPNV "nachhaltiger" gestalten. Wie diese Nachfrageverschiebungen in Gang gesetzt werden können bzw. wie hoch die monetären Aufwendungen sein müssten, um sie herbeizuführen, kann mit einem ökonomischen Modell nicht beantwortet werden. Neben Veränderungen im Konsumbereich wären dazu jedenfalls auch Strukturänderungen auf der Angebotsseite zu verwirklichen. Die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Technologie und Bewusstseinsänderung, die hier zum Ausdruck kommt, bekräftigt die Notwendigkeit einer expliziten politischen Zielformulierung.

Von grundlegender Bedeutung für die Erreichung von Nachfrageverschiebungen ist ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel, d. h. eine Abkehr von dem Grundsatz, dass eine Steigerung des Wohlstands ein Mehr an Konsum und Besitz impliziert. Klare Zielformulierung und Prioritätensetzung durch die Politik sowie der Einsatz eines Bündels verschiedener Instrumente sind hier erforderlich.

Insbesondere sollte dem Angebot von nachhaltig orientierten Konsumdienstleistung mehr Gewicht zukommen. Einerseits kann dies in der Bereitstellung von Infrastruktur (z. B. öffentlicher Verkehrsinfrastruktur) durch die öffentliche Hand verwirklicht werden, andererseits sollten im Zusammenspiel mit Unternehmen die Entwicklung und das Angebot von Produkt-Dienstleistungssystemen und Ansätze wie die integrierte Produkt-Politik (IPP) gefördert werden. Nicht nur mit Hilfe von Regulierungsmaßnahmen sollten Unternehmen die Möglichkeit erkennen, durch ökologisch ausgerichtete Produktinnovationen Marktnischen zu besetzen und durch ein umfassendes Service-Angebot eine langdauernde Kundenbindung zu erzeugen.

Die Konsumnachfrage kann neben Eingriffen in die Preisstruktur vor allem durch Informations- und Bildungsstrategien beeinflusst werden, die zudem zielgruppenspezifisch ausgestaltet sein sollen. Eine Möglichkeit zur Bewusstseinsbildung ist auch die Einbindung von Konsumenten und Konsumentinnen in Entscheidungsprozesse.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/2002!