9. Juli 2002 • Strukturwandel, Kosten und Erträge des österreichischen Bildungssystems • Gudrun Biffl

Der jüngste WIFO-Monatsbericht gibt in einer Serie von drei Artikeln einen Überblick über den Strukturwandel des Bildungssystems in Österreich, die Leistungen der österreichischen Pflichtschulabsolventen im internationalen Vergleich (PISA-Studie) sowie die Kosten und den Wert der Ausbildung in Österreich im Vergleich zum Ausland.

Diese Studien sind Ausschnitte aus differenzierten Untersuchungen des WIFO, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur erstellt wurden. Den Ergebnissen kommt im Hinblick auf die Strategie der EU, einen gemeinsamen Bildungsraum zu schaffen, besondere Bedeutung zu. Die Ergebnisse der PISA-Studie haben nicht nur in Deutschland die Bildungspolitik ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit gestellt und Bildungsreformen ausgelöst, sondern waren auch in den anderen untersuchten Ländern Anlass für Diskussionen über die erfolgversprechendsten Bildungsstrukturen und Lehrmethoden. Die Untersuchungen zeigen u. a., dass ein höherer Mitteleinsatz nicht zwingend bessere Leistungen verspricht.

Verstärkte Berufsorientierung der Ausbildung

In den neunziger Jahren hat sich das Bildungsmusters der Jugendlichen merklich verändert. Wesentlich mehr Jugendliche wählen heute nach der Pflichtschule eine mittlere oder höhere Schule als Ende der achtziger Jahre. Vor allem die berufsbildenden höheren Schulen verzeichneten einen starken Zulauf, der insbesondere auf Kosten der Lehre ging. Der merkliche Anstieg der Maturantenzahl spiegelt sich nicht vollständig im Zustrom zu Universitäten, weil Jugendliche mit dem Abschluss einer berufsorientierten höheren Schule relativ leicht und zu guten Arbeitsbedingungen eine Beschäftigung finden. Problematisch ist allerdings die große Zahl von Sonderschülern, von denen ein überdurchschnittlich hoher Anteil Kinder von ausländischen Arbeitskräften sind.

Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Nettoertrags der Bildung durch Verbesserung der Qualifikationsstruktur

Österreichs Ausgaben für Bildung stiegen von 4,6% des BIP in den frühen siebziger Jahren auf 6,4% Ende der neunziger Jahre. Die Verlängerung der Ausbildung und der Wandel der Bildungsstruktur erhöhten dabei die Bildungsausgaben des Staates.

Der Wandel des Ausbildungsmusters verbesserte zugleich die wirtschaftlichen Erträge der Ausbildung für die Betriebe und die Einzelnen. Die Anhebung der Qualifikation der Jugendlichen trug zudem zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wesentlich bei. Der finanzielle Ertrag der Verlängerung der Ausbildung über die Pflichtschule hinaus – gemessen am Einstiegslohn nach Bildungsabschluss – ist in Österreich im internationalen Vergleich relativ hoch. Er verringerte sich allerdings für Akademiker in den neunziger Jahren.

Abbildung 1: Kosten pro Schüler und Bildungsebene 1998

Zur Definition der Bildungsebenen siehe Biffl, G., "Die Kosten des österreichischen Bildungssystems und der Wert der Ausbildung ", WIFO-Monatsberichte, 2002, 75(6).

Aus wirtschaftlicher Sicht ist es nicht gerechtfertigt, nur die Kostenseite der verschiedenen Ausbildungsformen zu betrachten, ohne den Nutzen bzw. den Ertrag der Höherqualifizierung zu berücksichtigen. Da etwa die Lehre eine wesentlich geringere wirtschaftliche Ertragsrate aufweist als die BHS-Ausbildung, ist die Reorientierung der Ausbildung weg von der Lehre hin zur BHS sowie zur universitären Ausbildung mit einer Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Nettoertrags (gesamtwirtschaftlicher Ertrag abzüglich Ausbildungskosten) verbunden.

Im internationalen Vergleich hohes Leistungsniveau mit relativ hohen Kosten

Ein internationaler Vergleich der Bildungsausgaben weist Österreich eine Position an der Spitze der Industrieländer zu. Die hohe Wertigkeit der Bildung in den öffentlichen Ausgaben schlägt sich in überdurchschnittlichen Leistungen der 15-Jährigen nieder. Österreichs Jugend zählt nicht nur gemessen an den Fähigkeiten im Lesen und Sprachverständnis zum oberen Drittel der 32 verglichenen Industrieländer, sondern auch im Bereich der Mathematik und Naturwissenschaften. Allerdings besteht ein relativ großer Unterschied zwischen den Leistungen von Mädchen und Burschen. Die Erträge der Weiterbildung über die Pflichtschule hinaus liegen in Österreich etwas über dem Durchschnitt der OECD-Länder.

Die individuelle und die gesellschaftliche Ertragsrate einer Verlängerung der Ausbildung über die Pflichtschule hinaus sind sowohl für die Einzelnen als auch für die Gesamtwirtschaft höher als die Ertragsrate einer gleich hohen Investition in den Kapitalstock der Wirtschaft.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 6/2002!