28. Juni 2002 • Aufschwung mit Risiken. Prognose für 2002 und 2003 • Ewald Walterskirchen

Die österreichische Wirtschaft wird heuer um gut 1% und nächstes Jahr voraussichtlich um über 21/2% wachsen. Die WIFO-Prognose ist damit seit Dezember unverändert. Die leichte Erholung im I. Quartal und die vorauseilenden Indikatoren für das II. Quartal stützen diese Einschätzung. Von der internationalen Konjunktur gehen jedoch größere Risiken für die Prognose aus als Mitte April: Der Aufschwung kommt in der EU bisher nur zögerlich voran, und in den USA bilden das labile Konsumentenvertrauen und die Talfahrt der Börsenkurse Unsicherheitsfaktoren.

Die heimische Konjunktur erholt sich allmählich aus ihrem Tief. Im I. Quartal nahm das reale BIP gegenüber dem Vorjahr und dem Vorquartal (+0,1%) leicht zu. Dieser Zuwachs entsprach den Erwartungen der letzten Prognose. Für das II. Quartal zeigen die Umfrageergebnisse und die vorauseilenden Indikatoren aufwärts, die Belebung wird jedoch zunächst verhalten bleiben. Im II. Quartal ist mit einer BIP-Wachstumsrate von weniger als 1% zu rechnen. Erst im 2. Halbjahr wird die Belebung an Schwung gewinnen.

Das Tempo des Aufschwungs hängt in erster Linie von der internationalen Konjunktur ab. Diese ist weiterhin deutlich aufwärtsgerichtet, das Risiko einer Verzögerung der Erholung hat sich aber erhöht. In der EU – vor allem in Deutschland – kommt der Aufschwung nur zögernd voran. Er erhält seine Impulse ausschließlich aus den USA und ist bislang nicht selbsttragend. In den USA wuchs die Wirtschaft im I. Quartal dank des hohen Lageraufbaus kräftig, der private Konsum wurde jedoch im II. Quartal zu einem Unsicherheitsfaktor: Das Vertrauen der Konsumenten ist angesichts der neuerlichen Aktienbaisse wieder labiler.

Die neugewonnene Stärke des Euro wird den Preisauftrieb in Europa verlangsamen, aber das reale Wachstum mit einer Verzögerung von einigen Quartalen bremsen. Für Österreich sollte der direkte dämpfende Effekt aber nicht überschätzt werden, da kaum ein Fünftel der Ausfuhr nach Übersee fließt.

Die Belebung der Exporte im Zuge des internationalen Konjunkturaufschwungs wird im nächsten Jahr auch in Österreich die Ausrüstungsinvestitionen stimulieren. Heuer bleiben diese noch gedrückt (I. Quartal real –10% gegenüber dem Vorjahr). Bei Unsicherheit und niedriger Kapazitätsauslastung werden Investitionen aufgeschoben. Sie werden aber nachgeholt, sobald sich die Erwartungen stabilisiert haben.

Die Bauinvestitionen sind am stärksten vom Konjunktureinbruch betroffen. Im I. Quartal brachen sie um 71/2% ein, da die Bauaktivitäten im Winter besonders konjunktursensibel sind. Im Jahresdurchschnitt 2002 ist ähnlich wie 2001 mit einem Rückgang der Bauinvestitionen um rund 2% zu rechnen. Eine Aufhellung zeichnet sich erst für 2003 ab, wenn vor allem der Wirtschaftsbau neue Aufträge erhalten wird.

Die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern reagiert – ähnlich wie die Investitionstätigkeit – stark auf Konjunkturschwankungen. Besonders betroffen sind die Pkw-Käufe, die Zahl der Neuzulassungen blieb in den ersten fünf Monaten 2002 um ein Zehntel unter dem Vorjahresergebnis. Mit der Erholung der Konjunktur werden wieder mehr dauerhafte Konsumgüter gekauft werden. Der gesamte private Verbrauch dürfte heuer um knapp 11/2% und im Jahr 2003 um 21/4% zunehmen.

Der Tourismus entwickelte sich in der Wintersaison günstig. In der Sommersaison und auch im nächsten Jahr sind geringere Zuwächse zu erwarten, da die Schwäche der deutschen Wirtschaft nachwirken wird. Überdies werden viele Urlauber Flugreisen buchen, die sie nach den Terroranschlägen vom September 2001 gemieden haben.

Der Preisauftrieb verlangsamt sich trotz anziehender Konjunktur. Die Verbraucherpreise werden 2002 um 1,7% steigen, dank der Stabilisierung der Energiepreise um 1 Prozentpunkt langsamer als 2001. Im nächsten Jahr ist ein weiterer Rückgang der Inflationsrate auf 1,4% zu erwarten, weil einige Sonderfaktoren – z. B. hohe Obst- und Gemüsepreise – wegfallen.

Die Arbeitsmarktlage hat sich mit der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums verschlechtert. Heuer wird die Zahl der Arbeitsplätze um rund 5.000 geringer sein als im Vorjahr. Der Abbau von Beschäftigten in der Sachgüterproduktion, der Bauwirtschaft, im öffentlichen Dienst und im Verkehr wird durch Zuwächse im Dienstleistungssektor teilweise kompensiert. Allerdings werden dabei oft keine Vollzeitarbeitsplätze geschaffen, sondern Teilzeitstellen für Frauen. Während der Rückgang der Beschäftigung dem Tempo der Konjunkturabschwächung entspricht, steigt die Arbeitslosigkeit ungewöhnlich stark. Die Ursache dieser Diskrepanz liegt neben der Verlagerung zur Teilzeitarbeit vor allem in der erheblichen Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes. Die Arbeitslosenquote wird heuer von 6,1% auf 6,8% steigen und 2003 bei zunehmender Nachfrage nach Arbeitskräften auf 6,5% zurückgehen.

Der Konjunktureinbruch hat 2002 hohe Steuerausfälle zur Folge, sodass der Staatshaushalt ein Defizit von knapp 1/2% des BIP aufweisen wird. Dabei wird unterstellt, dass die Länder den geplanten Überschuss erreichen und dieser auch von Eurostat anerkannt wird. Verglichen mit den anderen EU-Staaten – insbesondere Deutschland und Frankreich – ist der Budgetabgang gering. Im Jahr 2003 wird der Staatshaushalt bei guter Konjunktur und ohne Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten ausgeglichen sein. Die Einnahmenausfälle durch eine Steuersenkung müssen also durch Ausgabenkürzungen wettgemacht werden, wenn der Pfad des "Nulldefizits" eingehalten werden soll.

Hauptergebnisse der Prognose
 

1998

1999

2000

2001

2002

2003

             

Bruttoinlandsprodukt

           

  Real

+ 3,5

+ 2,8

+ 3,0

+ 1,0

+ 1,2

+ 2,8

  Nominell

+ 4,1

+ 3,5

+ 4,2

+ 2,6

+ 2,3

+ 4,0

             

Sachgütererzeugung1), real

+ 4,4

+ 3,4

+ 7,3

+ 0,9

+ 1,5

+ 5,0

             

Private Konsumausgaben, real

+ 2,8

+ 2,7

+ 2,5

+ 1,3

+ 1,5

+ 2,3

             

Bruttoanlageinvestitionen, real

+ 3,4

+ 1,5

+ 5,1

- 2,7

- 0,7

+ 4,1

  Ausrüstungen2)

+ 6,4

+ 4,3

+ 11,1

- 3,8

+ 0,7

+ 7,6

  Bauten

+ 1,3

- 0,7

+ 0,3

- 1,7

- 2,0

+ 1,0

             

Warenexporte lt. Statistik Austria

           

  Real

+ 8,1

+ 7,7

+ 13,1

+ 5,1

+ 4,0

+ 8,5

  Nominell

+ 8,4

+ 7,0

+ 15,6

+ 6,5

+ 4,5

+ 10,1

             

Warenimporte lt. Statistik Austria

           

  Real

+ 7,1

+ 6,9

+ 10,9

+ 3,0

+ 2,0

+ 7,6

  Nominell

+ 6,6

+ 6,7

+ 14,7

+ 5,0

+ 2,5

+ 9,8

             

Leistungsbilanzsaldo Mrd. €

- 4,68

- 6,33

- 5,04

- 4,57

- 4,54

- 4,81

in % des BIP

           
 

- 2,5

- 3,2

- 2,5

- 2,2

- 2,1

- 2,2

             

Sekundärmarktrendite3) in %

4,7

4,7

5,6

5,1

5,4

5,7

             

Verbraucherpreise

+ 0,9

+ 0,6

+ 2,3

+ 2,7

+ 1,7

+ 1,4

             

Arbeitslosenquote

           

  In % der Erwerbspersonen4)

4,5

3,9

3,7

3,6

4,0

3,9

  In % der unselbst. Erwerbspersonen5)

7,2

6,7

5,8

6,1

6,8

6,5

             

Unselbständig Beschäftigte6)

+ 1,0

+ 1,2

+ 1,0

+ 0,4

- 0,2

+ 0,8

             

Finanzierungssaldo des Staates

           

  lt. Maastricht-Definition in % des BIP

- 2,4

- 2,2

- 1,5

+ 0,1

- 0,4

± 0,0

 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –   4) Laut Eurostat. –  5) Laut Arbeitsmarktservice. –  6) Ohne Präsenzdiener und Bezieher von Karenz/Kindergeld.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/2002!