24. April 2002 • Bisher zuwenig Anreize für Aufbau von innovativer Telekom-Infrastruktur in Österreich • Hannes Leo

Europäische Liberalisierungsstrategie fördert Dienstleistungswettbewerb – Keine klare Zielsetzung für den Aufbau von alternativen Infrastrukturen und Infrastrukturwettbewerb – Negative Auswirkungen auf Wirtschaftsstandort – Das neue Telekommunikationsgesetz sollte Infrastrukturinvestitionen und Innovationen stimulieren – Intensive sektorspezifische Regulierung sollte zurückgedrängt werden

"Es gibt in Österreich zuwenig Anreize für Innovationen und Investitionen in Infrastruktur. Dies kann den Aufbau von modernen und innovativen Telekommunikationsinfrastrukturen bremsen und eine Verschlechterung des Telekommunikationsstandorts Österreich zur Folge haben." Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Dr. Hannes Leo, Telekom-Experte des WIFO, die den direkten Zusammenhang zwischen Regulierung, Anreizen für Investitionen und Innovationen im Telekom-Sektor und dem Wachstum von Volkswirtschaften aufzeigt.

"Die derzeitige statische Regulierung hat in den vergangenen vier Jahren für Wettbewerb gesorgt: sie hat die Zahl der Marktteilnehmer erhöht und die Tarife für traditionelle Telekomdienste stark gesenkt. Die positiven Wirkungen dieser Strategie sind jedoch weitgehend ausgeschöpft. Jetzt geht es darum, die Basis dafür zu legen, dass es in Österreich auch weiterhin moderne Infrastrukturen im Telekom-Sektor gibt", so Leo. Während der Wettbewerb im Dienstleistungssegment in ganz Europa gefördert wurde, wurden Anreize für den Aufbau von Telekommunikationsinfrastrukturen vernachlässigt.

Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur, so der WIFO-Experte, seien sind aber von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung: Seit Mitte der neunziger Jahren haben sich die Telekom-Investitionen – vor allem in Breitbandtechnologien – in den USA gegenüber der EU verdoppelt. Erhöhte Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologien tragen auch zum Wachstumsvorsprung der USA gegenüber Europa bei. In Europa liegt der Wachstumsbeitrag der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bei rund 0,5% des BIP (in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre) und damit um bis zur Hälfte unter dem der USA.

Der Trittbrettfahrereffekt

Durch die bisherige Form der Regulierung des Telekom-Sektors in Europa wurden Unternehmen, die in Infrastruktur investieren, benachteiligt: Die Verpflichtung des "Incumbent" (des früheren Monopolanbieters) zur kostenorientierten Zusammenschaltung ermöglicht es neuen Mitbewerbern, ohne eigene Investitionen dieselben Dienste mit wesentlich geringerem Risiko anzubieten. Daher bestehen für sie keine Anreize, selbst in Infrastruktur zu investieren oder Innovationen einzuführen. Dies benachteiligt vor allem Unternehmen, die selbst in Infrastruktur investiert und das damit verbundene Risiko in Kauf genommen haben. Insgesamt wird unter diesen Rahmenbedingungen zuwenig in Telekommunikationsinfrastruktur investiert.

WIFO-Empfehlung an ein neues Telekommunikationsgesetz

Durch die anstehende Novellierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ergibt sich die Chance, die grundsätzliche Strategie der Telekommunikationsregulierung zu verändern. Leo: "Eine klarer Weg könnte lauten – Intensivierung von Infrastrukturwettbewerb und Erhöhung der Anreize für Innovationen. Damit wird die Qualität des Wirtschaftsstandorts verbessert und ein Zurückdrängen der intensiven sektorspezifischen Regulierung möglich. Die dynamischen Elemente der Wirtschaftsentwicklung – wie Innovationen und Investitionen – müssen in den Vordergrund gerückt werden, damit in möglichst allen Segmenten des Telekommunikationssektors Wettbewerb entsteht." Wenn riskante Innovationen eingeführt werden, dann sollten vorübergehend regulierungsfreie Räume gewährt werden.

Die hier vorgestellte Studie des WIFO mit finanzieller Unterstützung der Telekom Austria AG wird demnächst publiziert: Hannes Leo, Michael Pfaffermayr, Gerhard Schwarz, Innovation und Regulierung im Telekom-Sektor (70 Seiten, € 50,00; Bestellungen bitte an das WIFO, Christine Kautz, Tel. +43 1 798 26 01/282, Fax +43 1 798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at; Download € 40,00: http://www.wifo.ac.at)