19. April 2002 • EU-Erweiterung und Österreichs Landwirtschaft • Matthias Schneider

Die meisten EU-Beitrittsländer aus Ost-Mitteleuropa sind stark agrarisch geprägt und haben entsprechende Interessen in der Landwirtschaft. Die Übernahme der EU-Agrarpolitik bringt ihren Betrieben Vorteile. Die resultierenden Produktionsanreize könnten die Agrarmärkte belasten und die Diskussionen um neue Reformen der GAP stimulieren. Die Nachbarschaft zu Ost-Mitteleuropa und Wettbewerbsschwächen in wichtigen Bereichen lassen erwarten, dass die österreichische Landwirtschaft von der Erweiterung besonders betroffen sein wird.

Lage nach Produktionszweigen differenziert

Auf den Agrarmärkten bringt die Erweiterung den heimischen Bauern Chancen und Risken. Nach Produkten und Marktsegmenten sind die Vor- und Nachteile unterschiedlich verteilt. Im Ackerbau muss die heimische Landwirtschaft mit Angebotsdruck aus den angrenzenden neuen EU-Ländern rechnen. Dies dürfte die Preise drücken. Den Obst- und Weinbauern eröffnet die Erweiterung neue Absatzchancen. Für den Gemüse- und Gartenbau werden Marktanteilsverluste prognostiziert. Für die Rinderproduzenten sind kurzfristig keine größeren Schwierigkeiten zu erwarten. Längerfristig könnten sie allerdings Marktanteile an die allmählich erstarkende Konkurrenz aus den neuen EU-Ländern verlieren. Die Folgen für die Milchbauern hängen primär vom weiteren Schicksal der EU-Milchmarktordnung ab. Solange das derzeit geltende strikte Milchmarktregime mit einer straffen Angebotskontrolle über nationale Quoten und der Interventionsregelung hält, wird die heimische Milchwirtschaft von der Erweiterung nur mäßig betroffen sein. Fallen diese Kernelemente der EU-Milchmarktordnung, dann wäre mit Marktanteilsverlusten zu rechnen. Die Schweine- und Geflügelhalter haben seit dem EU-Beitritt Marktanteile an Konkurrenten aus Westeuropa verloren. Diese Tendenz dürfte auf absehbare Zeit anhalten, die Erweiterung ist hiefür mittelfristig von untergeordneter Bedeutung. Die Forst- und Holzwirtschaft agiert traditionell auf offenen Märkten und ist von der Erweiterung kaum betroffen.

Agrarstrukturwandel könnte stimuliert werden

Per Saldo lassen die WIFO-Analysen auf mittlere und längere Sicht für die österreichische Landwirtschaft den Verlust von Marktanteilen erwarten. Dies schmälert die Einkommenschöpfung aus der Landwirtschaft und stimuliert den Agrarstrukturwandel.

Der Anpassungsdruck in der Landwirtschaft wird in den Grenzgebieten zu den Beitrittsländern besonders spürbar werden. Diese Regionen sind überdurchschnittlich agrarisch geprägt und wirtschaftlich schwach. Ein Zusammentreffen von erhöhtem Anpassungsbedarf für die Bauern mit Problemen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt dieser Gebiete wäre problematisch und ist nicht auszuschließen. Dies erfordert die besondere Beachtung seitens der Wirtschaftspolitik.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/2002 oder der folgenden WIFO-Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Matthias Schneider, EU-Erweiterung – Folgen und Strategien für die Landwirtschaft. Teil A: Spartenanalysen (300 Seiten, http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=21628), Teil B: Gesamtschau (200 Seiten, http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=21627), jeweils EUR 40,00, Download jeweils EUR 32,00 (Bestellungen bitte an Christine Kautz, Tel. +43 1 798 26 01/282, Fax +43 1 798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at.