20. Dezember 2001 • Markanter Konjunktureinbruch, Erholung erst im 2. Halbjahr 2002. Prognose für 2002 und 2003 • Markus Marterbauer

Das österreichische BIP wuchs im Jahr 2001 real um nur noch 1,1%. Die Nachfrageschwäche wird zumindest bis ins Frühjahr 2002 anhalten. Dann könnte – ausgehend von einer Konjunkturerholung in den USA und unterstützt durch niedrige Erdölpreise – ein merklicher Aufschwung einsetzen. Unter diesen Annahmen wird die heimische Wirtschaft im Jahr 2002 um 1,2% und im darauf folgenden Jahr um 2,8% expandieren. Die starke Wachstumsabschwächung beeinträchtigt die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die öffentlichen Haushalte. Im Jahr 2002 wird die Zahl der Beschäftigten rückläufig sein, und die Arbeitslosenquote steigt stark – im Jahresdurchschnitt auf 6,6%. Aufgrund der Wirksamkeit der automatischen Stabilisatoren wird das Budgetdefizit des öffentlichen Sektors im Jahr 2002 etwa 0,8 Mrd. € (bzw. 0,4% des BIP) betragen. Der Preisauftrieb verlangsamt sich merklich.

In Österreich ging die Wirtschaftsleistung bereits im III. Quartal 2001 gegenüber dem Vorquartal zurück; im IV. Quartal wird das BIP gemäß allen verfügbaren Indikatoren wahrscheinlich weiter schrumpfen. Die Konjunkturkrise dürfte auch zu Jahresbeginn 2002 anhalten. Die Indikatoren der Produzenten- und Verbraucherstimmung zeigen weiterhin deutlich abwärts. Im Laufe des Jahres kann jedoch ein Aufschwung angenommen werden. Die wesentlichen Impulse dafür werden von der erwarteten Erholung in den USA und von einer Entlastung der Haushalte und der Unternehmen durch einen Rückgang der Energiepreise ausgehen. Das WIFO rechnet damit, dass der untere Wendepunkt der Konjunktur im II. Quartal 2002 erreicht sein könnte und im 2. Halbjahr ein kräftiger Aufschwung einsetzt, der gegen Jahresende Wachstumsraten des BIP von etwa 3% gegenüber dem Vorjahr erlaubt.

Das zeitliche Muster von Konjunktureinbruch und Erholung bringt mit sich, dass die Dynamik auf Jahresbasis jeweils gering ist. Für den Durchschnitt des Jahres 2001 ergibt sich aufgrund der noch regen Wirtschaftsaktivitäten zu Jahresbeginn ein Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Produktion von real 1,1%. Das ist der niedrigste Wert seit 1993. Weil die Konjunkturschwäche bis ins späte Frühjahr 2002 anhalten dürfte, wird die Ausweitung der Produktion auch im Jahresdurchschnitt 2002 kaum höher ausfallen. Würde sich der Aufschwung um nur ein weiteres Quartal verzögern, so könnte das Wirtschaftswachstum im Jahr 2002 um etwa ½ Prozentpunkt schwächer ausfallen als hier prognostiziert.

Österreichs Wirtschaft wuchs sowohl 2000 als auch 2001 um etwa ½ Prozentpunkt langsamer als jene der EU. 2002 muss neuerlich mit einem Wachstumsrückstand gerechnet werden. Allerdings expandiert das BIP in Österreich rascher als das des wichtigsten Handelspartners Deutschland, des "Schlusslichts" innerhalb der EU. In der EU dürfte die Wachstumsrate im Jahr 2002 (+1,5%) etwa gleich hoch sein wie 2001 (+1,6%). Für Deutschland werden Zuwachsraten von nur noch 0,5% (2001) bzw. 0,8% (2002) prognostiziert. Der europäischen Wirtschaftspolitik kommt für das Ausmaß des Konjunktureinbruchs, der seinen Ausgang in den USA und in hohen Erdölpreisen gefunden hatte, wesentliche Verantwortung zu. Zu lange wurde auf unrealistisch optimistische Wachstumsszenarien vertraut, und zu spät wurde mit Zinssenkungen und der Bereitschaft, von den selbstgesteckten Budgetzielen im Interesse der Stabilisierung der Gesamtwirtschaft abzuweichen, auf den Abschwung reagiert.

Die Schwäche der österreichischen Exporte dürfte sich von Herbst 2001 bis ins Frühjahr 2002 erstrecken. Sie beruht auf dem Nachfrageausfall wichtiger Handelspartner, während die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Lieferanten gut ist. Die Schwäche im Warenexport zieht einen Wachstumseinbruch in der Sachgütererzeugung nach sich – deren Produktion wird im Jahr 2002 wie im Vorjahr um nur etwa 1½% expandieren. Ungünstige Absatzerwartungen lassen auch die Bereitschaft zu Investitionen in Maschinen, Fahrzeuge und Elektrogeräte nahezu stagnieren. Erst mit dem Konjunkturaufschwung im 2. Halbjahr 2002 gewinnt dieser primär von der Entwicklung der Weltwirtschaft bestimmte Teil der heimischen Wirtschaft wieder an Dynamik.

Von der Inlandsnachfrage können keine wesentlichen Impulse erwartet werden. In der Bauwirtschaft schrumpfte die Produktion im Jahr 2001 um 3%. Sie wird trotz des "Konjunkturpakets" der Bundesregierung auch 2002 leicht zurückgehen (–1%) und sich erst im folgenden Jahr stabilisieren. Im Hochbau prägen anhaltende Überkapazitäten das Bild, im Schienen- und Straßenbau werden leichte Erholungstendenzen wirksam. Der öffentliche Konsum geht real zurück. Trotz verhaltener Zunahme der verfügbaren Realeinkommen sollten die Ausgaben der privaten Haushalte auch im Jahr 2002 um etwa 1½% wachsen. Dies basiert auf der Annahme eines Rückgangs des Sparanteils am verfügbaren Einkommen. Die Inflationsrate war 2001 deutlich höher als zu Beginn des Jahres erwartet, sie betrug im Jahresdurchschnitt 2,7%. Bei einer deutlichen Verbilligung von Energie und unter der Annahme sinkender Nahrungsmittelpreise könnte sich der Preisauftrieb im Jahr 2002 auf 1,4% verlangsamen.

Der Konjunktureinbruch hat eine markante Verschlechterung der Lage auf dem Arbeitsmarkt zur Folge. Die Zahl der unselbständig Beschäftigten dürfte 2002 sogar zurückgehen (–5.000). Die Zahl der Arbeitslosen steigt kräftig, sie wird im Jahresdurchschnitt 221.000 erreichen (+19.000). Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 4,2% der Erwerbspersonen laut Eurostat bzw. 6,6% der unselbständigen Erwerbspersonen. Besonders betroffen sind die Bauwirtschaft, die Sachgütererzeugung und der Bereich Verkehr und Telekommunikation. Geringqualifizierte und Ausländer werden überproportional erfasst. Ältere Arbeitskräfte bilden weiterhin eine wichtige Problemgruppe, doch weitet sich auch die Betroffenheit von Jugendlichen rasch aus. Nur unter der Annahme eines kräftigen Konjunkturaufschwungs kann für das Jahr 2003 mit einer leichten Entspannung der Lage auf dem Arbeitsmarkt gerechnet werden. Die Zahl der Arbeitslosen wird aber auch dann die Grenze von 200.000 nicht unterschreiten.

Umfangreiche Steuervorauszahlungen ermöglichten es dem öffentlichen Sektor, im Jahr 2001 ausgeglichen zu bilanzieren. Der Konjunktureinbruch beeinträchtigt aber auch die Finanzierungssituation des Staates. Für das Aufkommen an direkten Steuern muss 2002 mit einem Rückgang gerechnet werden, die Ausgaben für die hohe Arbeitslosigkeit belasten das Budget merklich. Das WIFO konzentriert sich in seiner Prognose der öffentlichen Haushalte auf die konjunkturbedingten Veränderungen des Finanzierungssaldos des Staates. Fragen eher buchhalterischer Natur, wie jene der Anerkennung der Ausgliederung der Bundesimmobiliengesellschaft durch Eurostat, können allerdings erheblichen Einfluss auf den tatsächlichen Saldo haben. Unter den gegebenen Annahmen wird dieser im Jahr 2002 ein Defizit von knapp 0,8 Mrd. € aufweisen, das entspricht 0,4% des BIP. Der Konjunkturaufschwung wird – mit der üblichen Zeitverzögerung – positive Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte mit sich bringen. Im Jahr 2003 ist ein ausgeglichener Finanzierungssaldo möglich, allerdings wird dabei keine mit Aufkommensausfällen verbundene Steuerreform unterstellt.

Das von der Bundesregierung Anfang Dezember vorgestellte "Konjunkturprogramm" wird den starken Anstieg der Winterarbeitslosigkeit nicht mehr wirksam bekämpfen können, es erfüllt dennoch eine wichtige Funktion. Die Akzente sind mit der Betonung der Forschungsförderung, einem starken Stellenwert von Maßnahmen für Bildung und Umschulung (besonders im Baubereich) und der Stimulierung von Investitionen richtig gesetzt. So können kurzfristige Interessen der Konjunkturstabilisierung mit langfristigen Erfordernissen des Strukturwandels in Einklang gebracht werden. Wichtig erscheint nun, rasch die Beschlüsse für eine nachfragewirksame Umsetzung zu fassen. In manchen Bereichen bedarf es der Akzentuierung von Schwerpunktsetzungen, und einzelne Maßnahmen sollten an quantitativem Umfang gewinnen. Die direkten Effekte auf die Konjunktur werden mäßig ausfallen. Ebenso wichtig erscheinen in der derzeitigen Situation aber die erwartungsstabilisierenden Wirkungen auf Unternehmen und Haushalte, die von einer handlungsbereiten Wirtschaftspolitik ausgehen. In diesem Zusammenhang kommt der vollen Wirksamkeit der automatischen Stabilisatoren des Budgets höchste Bedeutung zu.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2002!