23. Oktober 2001 • Volkswirtschaftliche Bewertung der Abfertigungseinigung der Sozialpartner durch das WIFO • Thomas Url

Die bisherige gesetzliche Regelung der Abfertigung war mit einer Reihe gravierender volkswirtschaftlicher Nachteile verbunden: insbesondere wirkte das System fallweise als Mobilitätshindernis und damit volkswirtschaftlich produktivitätsdämpfend. Vor allem für klein- und mittelbetriebliche Unternehmen ist das bisherige System eines Stufentarifs der Abfertigung mit einer stoßweisen Kostenbelastung verbunden, die Liquiditätsprobleme und nicht selten sogar Konkursgefährdung mit sich bringen konnte. Abfertigungsfreie Dienstverhältnisse unter drei Dienstjahren im bisherigen System bewirkten, dass Wirtschaftsbereiche mit hoher Fluktuation und geringerer durchschnittlicher Beschäftigungsdauer effektiv geringere Abfertigungsleistungen aufzubringen hatten, und umgekehrt, dass bestimmte Berufsgruppen aus dem gleichen Grund am Abfertigungssystem und den damit verbundenen steuerlichen Begünstigungen wenig partizipieren konnten. Schließlich enthielt das bisherige System keinen Anreiz, die Bildung von Abfertigungsrücklagen für den volkswirtschaftlich wünschenswerten Aufbau einer zweiten Säule der Altersvorsorge durch Betriebspension zu nutzen.

Der nun zwischen den Sozialpartnern ausgehandelte Vorschlag vermeidet eine Reihe von Nachteilen der prinzipiell ähnlichen Reformvorschläge der früheren Koalitionsparteien aus dem Jahr 1999 und fußt weitgehend auf dem Bericht einer Expertengruppe beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Wien 2000). Er vermeidet auf Dauer eine erhöhte Kostenbelastung der Unternehmen und schränkt die Option der Arbeitnehmer auf Auszahlung des Abfertigungsanspruchs (statt Pensionszuschüssen) nicht ein.

Abfertigungsbeiträge werden ab Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses – ausgenommen eine arbeitsrechtliche Probezeit – an eine Abfertigungskasse abgeführt. Demnach werden Wirtschaftssparten mit einem hohen Anteil an Saisonbeschäftigten stärker belastet als bisher.

In der Übergangszeit zwischen dem Wirken des alten Systems, das für alle bestehenden Beschäftigungsverhältnisse uneingeschränkt aufrecht bleibt, und dem Aufbau des neuen Systems können Mehrbelastungen von Betrieben auftreten. Der ausgehandelte Beitragssatz von 1,53 % der Lohnsumme liegt deutlich unter der derzeitigen durchschnittlichen Belastung der Lohnsumme mit gesetzlichen Abfertigungen (etwa 2,4%). Dies gewährleistet, dass sich Mehrbelastungen durch die Systemumstellung in einem vertretbaren Kostenrahmen halten werden. Dementsprechend wird allerdings in Zukunft das Niveau der Abfertigungsansprüche bei längerer Beschäftigungsdauer bei Arbeitsverhältnissen nach der neuen Regelung unter jenem nach der bisherigen Regelung liegen. Dafür entsteht neu – neben anderen Vorteilen für den Arbeitnehmer – ein Anspruch auch bei Selbstkündigung.

Die Einhebung der Abfertigungsbeiträge durch die Gebietskrankenkasse und die Überführung an die für den Betrieb zuständige, meist wahrscheinlich nach Branchen abgegrenzte Abfertigungskasse scheint als kostengünstiger Weg in Hinblick auf die Verwaltungskosten. Bei der Abfertigungskasse werden individuelle Abfertigungskonten für alle Arbeitnehmer geführt, über deren Stand diesen regelmäßige Informationen zustehen. Die Veranlagungsvorschriften der Abfertigungskassen sollen jenen der Pensionskassenregelung entsprechen. Im Lichte der jüngsten Erfahrungen mit der Wertpapierveranlagung sollten diese nochmals geprüft werden.

Nach dem Vorschlag der Sozialpartner sollen die bisherigen fiskalischen Begünstigungen, insbesondere der begünstigte Steuersatz der Auszahlung in Höhe von 6% voll erhalten bleiben.

Der Reformvorschlag der Sozialpartner erscheint aus Sicht des WIFO insgesamt als grundsätzlich positive Grundlage für die gesetzliche Neuregelung.