28. September 2001 • Hohe Risken für die Weltwirtschaft, Einbruch der heimischen Baunachfrage. Prognose für 2001 und 2002 • Markus Marterbauer

Unter vorsichtig optimistischen Annahmen über die internationale Konjunktur wird die österreichische Wirtschaft heuer real um 1,3% und im kommenden Jahr – eine Erholung in den USA und wirtschaftspolitische Maßnahmen, die dem Einbruch in der EU entgegenwirken, vorausgesetzt – um 1,9% wachsen. Neben der Abschwächung der Auslandsnachfrage wirken auch inländische Faktoren wachstumsdämpfend. Dazu zählt insbesondere die Krise in der Bauwirtschaft, die sowohl den Hoch- als auch den Tiefbau erfasst hat. Die Arbeitslosigkeit steigt markant, die Arbeitslosenquote wird 6% der unselbständigen Erwerbspersonen überschreiten. Hingegen verlangsamt sich der Preisauftrieb. Aufgrund der Wirksamkeit der automatischen Stabilisatoren der öffentlichen Haushalte wird das Budgetdefizit im Jahr 2002 etwa 10 Mrd. S (0,74 Mrd. €) betragen, das entspricht –0,3% des BIP. Damit leistet der öffentliche Sektor einen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur.

Der Terroranschlag vom 11. September hat die Wirtschaft in den USA und in der Welt in einer ohnehin äußerst labilen Konjunktursituation getroffen. Bereits vor diesem Ereignis befanden sich die USA am Rande einer Rezession. In Japan und einigen Regionen in Südamerika und Südostasien war eine tiefe Wirtschaftskrise schon ausgebrochen, und in Europa wuchs die Wirtschaft im II. Quartal kaum mehr. Die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen können derzeit nicht vollständig abgeschätzt werden. Sie hängen von der weiteren internationalen Entwicklung, den Reaktionen der Wirtschaftspolitik in den Industrieländern und den Einflüssen auf die Erwartungen von Unternehmen und Haushalten ab.

Das WIFO wählt für seine Konjunkturprognose vorsichtig optimistische Annahmen. Die Wirtschaft der USA wird sich nach einer kurzen Rezession vor allem aufgrund einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik ab dem Frühjahr des kommenden Jahres wieder merklich erholen; das BIP könnte somit heuer real um 1% und im Jahr 2002 um 2% wachsen. In der EU werden Zins- und Budgetpolitik einen stabilisierenden Einfluss auf die Konjunktur haben. Aufgrund der Wirksamkeit der automatischen Stabilisatoren der öffentlichen Haushalte werden mehrere EU-Länder zwar ihre Budgetziele nicht einhalten können, dadurch wird allerdings ein Einbruch der Investitions- und Konsumnachfrage verhindert. Die europäische Wirtschaft wird unter diesen Annahmen heuer real um 11/2% und im kommenden Jahr, Impulse aus den USA mit leichter Zeitverzögerung aufnehmend, um 2% expandieren.

Die Dynamik der österreichischen Konjunktur hat sich aufgrund der internationalen Abschwächung seit dem Sommer 2000 verlangsamt. Die in höherem Ausmaß von der Wirtschaftslage der Handelspartner bestimmten Teile der heimischen Wirtschaft – Warenexport, Sachgütererzeugung, Ausrüstungsinvestitionen und Großhandel – entwickeln sich nur geringfügig ungünstiger als vom WIFO im Sommer angenommen. Die Einnahmen aus dem Reiseverkehr und die Wertschöpfung im Beherbergungs- und Gaststättenwesen wachsen heuer sogar kräftiger als erwartet, im kommenden Jahr werden die Reiseverkehrsausgaben im In- und Ausland aufgrund der internationalen Lage allerdings sehr gedämpft ausfallen.

Die Inlandsnachfrage entwickelt sich deutlich ungünstiger als im Sommer angenommen. Dies ist vor allem auf die Bauwirtschaft zurückzuführen, die im II. Quartal eingebrochen ist (real –51/2%). Der Wohnungsneubau geht aufgrund fehlenden Bedarfs merklich zurück. Überkapazitäten nach dem Boom der vergangenen Jahre im Bürobau lassen auch in diesem Sektor für die nahe Zukunft eine markante Dämpfung erwarten. Die Produktion im Straßenbau schrumpft wegen der Investitionszurückhaltung von Ländern und Gemeinden. Auch im Eisenbahnbau ist trotz des Vorliegens umsetzbarer Infrastrukturprojekte und gesamtwirtschaftlichen Bedarfs ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr festzustellen. Die Wertschöpfung der Bauwirtschaft wird heuer real um 3% unter dem Niveau von 2000 bleiben, für 2002 zeichnet sich keine Erholung ab (–2%).

Obwohl die real verfügbaren Haushaltseinkommen infolge relativ hohen Preisauftriebs stagnieren und merkliche Steuererhöhungen dämpfend wirken, sollte der private Konsum heuer um etwa 1,5% wachsen. Dies basiert auf der – optimistischen – Annahme einer kräftigen Verringerung des Sparanteils am verfügbaren Einkommen: Die Sparquote sinkt heuer von 8,0% im Jahr 2000 auf 6,6%. Bei einer leichten Beschleunigung des Einkommenszuwachses könnte der Konsum im kommenden Jahr real um 1,9% ausgeweitet werden. Im Jahr 2002 wird sich – unter der Voraussetzung stabiler Energiepreise – der Preisauftrieb weiter verlangsamen. Die Inflationsrate könnte nach 2,6% im Jahr 2001 dann 1,9% betragen.

Die markante Abschwächung der Konjunktur hat eine deutliche Verschlechterung der Lage auf dem Arbeitsmarkt zur Folge. Zwar wächst die Beschäftigung heuer und im kommenden Jahr noch um jeweils 12.000 (+0,4%), der Anstieg betrifft allerdings fast ausschließlich Teilzeitarbeitsplätze. Rückläufig ist die Beschäftigung vor allem in der Bauwirtschaft, im öffentlichen Dienst, in der Verkehrswirtschaft und im Telekom-Bereich. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, sie wird im Jahresdurchschnitt knapp 200.000 erreichen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 3,8% der Erwerbspersonen laut Eurostat bzw. 6,0% der unselbständigen Erwerbspersonen. Für das kommende Jahr muss aufgrund des unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums mit einem weiteren Anstieg der Zahl der Arbeitsuchenden gerechnet werden.

Auch die öffentlichen Haushalte sind vom Konjunktureinbruch negativ betroffen. Die Einnahmen aus Lohn- und Umsatzsteuer wachsen langsamer, die Ausgaben für Arbeitslosigkeit steigen. Der Finanzierungssaldo des öffentlichen Sektors wird deshalb heuer etwas ungünstiger ausfallen, als vom WIFO im Sommer erwartet worden war (–0,7% des BIP). Im kommenden Jahr könnte der durch die Konjunkturschwäche bedingte Abgang im Budget 0,3% des BIP erreichen.

Die Prognose erfolgt unter großer Unsicherheit. Die Risken liegen vor allem in einer deutlich ungünstigeren Entwicklung als hier angenommen. Sollte die Rezession in den USA aufgrund eines noch ausgeprägteren Einbruchs des Vertrauens von Konsumenten und Investoren stärker ausfallen und die konjunkturstabilisierende Wirkung der Fiskalpolitik der EU-Staaten nicht in vollem Ausmaß eintreffen, so könnte die Wirtschaft in Österreich merklich langsamer wachsen als im Szenario der WIFO-Prognose. Eine relativ optimistische Annahme der Prognose bildet auch der merkliche Rückgang der Sparquote, der eine stabilisierende Wirkung des privaten Konsums erst erlaubt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2001!