21. September 2001 • Erfolge der ÖBB-Reform 1992 • Wilfried Puwein

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) wurden mit 1. Jänner 1993 von einem Wirtschaftskörper des Bundes in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit umgewandelt. Der Vorstand erhielt einen wesentlich erweiterten Entscheidungsspielraum, um die Stellung der Bahn auf dem Verkehrsmarkt zu stärken und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verbessern. Die Erfolge der Bahnreform sind durch internationale Vergleiche zu relativieren.

Im Güterverkehr konnten die ÖBB ihre Transportleistung von 1992 bis 1999 um 27% ausweiten (Übersicht 1). Ähnlich starke Steigerungen erzielten in Europa nur die Bahnen in den Niederlanden und Spanien. Dabei wurden die ÖBB freilich durch die Limitierung des EU-Transitverkehrs auf der Straße (Ökopunkteregelung) durch Österreich und die restriktive Kontingentpolitik der Bundesregierung für den Straßengüterverkehr mit den östlichen Nachbarstaaten unterstützt. Der Personenverkehr der ÖBB war rückläufig, während er auf fast allen europäischen Bahnen zunahm. Die ÖBB verbesserten die Verkehrsleistungen je Beschäftigten zwischen 1992 und 1999 um über 36% (Übersicht 2). Die meisten Bahnunternehmen der westlichen Industriestaaten steigerten die Arbeitsproduktivität noch stärker, sodass die ÖBB ihren Produktivitätsrückstand kaum verringern konnten.

Übersicht 1: Entwicklung der Verkehrsleistungen der Bahnen

   

Insgesamt

Personenverkehr

Güterverkehr

   

Veränderung 1992/1999 in %

         

USA

AAR

+ 34,4

-

+ 34,4

Finnland

VR

+ 20,8

+ 11,7

+ 24,3

Spanien

RENFE

+ 16,7

+ 11,0

+ 27,2

Deutschland

DB (und RB)

+ 15,1

+ 31,2

+ 2,0

Schweiz

CFF/SBB

+ 14,2

+ 6,7

+ 25,7

         

Österreich

ÖBB

+ 7,4

- 16,4

+ 27,0

         

Frankreich

SNCF

+ 6,7

+ 5,8

+ 7,9

Irland

CIE

+ 5,2

+ 16,6

- 16,9

Slowenien

SZ

+ 2,3

+ 13,9

- 0,1

Türkei

TCDD

- 0,5

- 1,8

+ 0,5

Niederlande

NS

- 1,3

- 6,6

+ 28,4

Italien

FS

- 1,8

- 7,7

+ 11,8

Belgien

SNCB

- 2,7

+ 8,2

- 11,6

Japan

JR

- 4,6

- 3,5

- 14,9

Schweden

SJ

- 8,2

+ 42,0

- 22,3

Portugal

CP

- 12,8

- 24,0

+ 23,3

Polen

PKP

- 14,4

- 33,9

- 3,3

Ungarn

MAV

- 18,7

- 1,8

- 30,7

Bulgarien

BDZ

- 31,4

- 29,2

- 32,9

Rumänien

CFR

- 44,4

- 49,3

- 39,5

Tschechien

CD

- 61,7

- 59,0

- 62,8

Slowakei

ZSR

- 79,0

- 82,4

- 77,7

Übersicht 2: Arbeitsproduktivität der Bahngesellschaften

1999

   

ekm¹) je Beschäftigten

1992 = 100

       

USA

AAR

11.786

149,40

Schweden

SJ

2.087

152,63

Japan

JR

1.528

107,02

Portugal

CP

1.028

279,31

Finnland

VR

979

170,05

Spanien

RENFE

855

161,75

Schweiz

CFF/SBB

762

149,66

Niederlande

NS

745

116,58

Deutschland

DB (und RB)

743

164,81

Frankreich

SNCF

687

121,29

Italien

FS

547

144,08

       

Österreich

ÖBB

439

136,45

       

Polen

PKP

375

115,39

Irland

CIE

374

227,22

Belgien

SNCB

363

105,14

Slowenien

SZ

353

143,72

Türkei

TCDD

341

110,54

Slowakei

ZSR

262

.

Tschechien

CD

262

.

Rumänien

CFR

256

99,94

Ungarn

MAV

238

144,64

Bulgarien

BDZ

195

83,79

Q: UIC, Statistiques Chronologiques des Chemins de fer, 1970-1999, Paris, 2000; WIFO-Berechnungen. – ¹)  ekm (Einheitskilometer) = pkm (Personenkilometer) + tkm (Gütertonnenkilometer).

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zählen in Europa zu den Bahnen mit der größten Verkehrsdichte, der höchsten Arbeitsproduktivität und den günstigsten Ertragsrelationen. Auch aufgrund der ähnlichen verkehrsgeographischen Situation können sie als Benchmark für die ÖBB dienen. In den letzten fünf Jahren erzielten die SBB sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr ein höheres Wachstum als die ÖBB (Übersicht 3). Die Zahl der Beschäftigten sank in beiden Unternehmen ungefähr gleich stark. Damit stieg der Produktivitätsvorsprung der SBB weiter, je Beschäftigten erzielten sie im Jahr 2000 eine um 58% höhere Verkehrsleistung als die ÖBB. Bei sinkenden Transportpreisen konnten beide Bahngesellschaften die auf dem Verkehrsmarkt erzielten Erlöse nur leicht steigern. Die SBB verringerten aber den Verkehrsaufwand um 17%, die ÖBB um 2%. Der um die Abschreibungen und den Sozialaufwand reduzierte Verkehrsaufwand für einen Einheitskilometer betrug im Jahr 2000 in den ÖBB 0,81 S und in den SBB 1,10 S. Die ÖBB senkten zwischen 1995 und 2000 diesen Aufwand um ein Fünftel, die SBB sogar um mehr als ein Viertel. Die ÖBB büßten somit einen kleinen Teil ihres Kostenvorsprungs gegenüber den SBB ein.

Übersicht 3: Entwicklung von Kennzahlen für ÖBB und SBB

2000

 

ÖBB

SBB

 

1995 = 100

     

Verkehrsleistungen

115

119

  Personenverkehr

102

109

  Güterverkehr

125

132

     

Verkehrsleistungen je Beschäftigten

137

140

Erlöse auf dem Verkehrsmarkt

104

108

  Personenverkehr

99

107

  Güterverkehr

107

108

Staatliche Abgeltungen

100

89

Verkehrsaufwand je ekm ohne Abschreibungen und Sozialaufwand

80

74

Die ÖBB konnten 1995 ihren Verkehrsaufwand kaum zur Hälfte durch auf dem Markt erzielte Verkehrserlöse decken. Diese Deckungsquote war in den Jahren zuvor fast durchwegs rückläufig gewesen, erhöhte sich aber bis zum Jahr 2000 auf über 52% und lag damit noch knapp unter der Quote, die die SBB bereits im Jahr 1995 erreicht hatten. Die Deckung des Verkehrsaufwands der SBB stieg bis zum Jahr 2000 auf fast 70%. Insofern waren die SBB in ihren Bemühungen um die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage erfolgreicher als die ÖBB. Während die staatlichen Transferzahlungen an die ÖBB zwischen 1995 und 2000 unverändert hoch blieben, wurden sie für die SBB um 11% gesenkt.

Gemäß der Richtlinie des Europäischen Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnen in der Gemeinschaft sollten Maßnahmen getroffen werden, die anderen Eisenbahnunternehmen einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur der bestehenden Unternehmen gewährleisten. Der Rechtsanspruch für einen solchen Zugang besteht in Österreich seit Anfang 1998, in der Schweiz gilt gemäß ihren EU-Verträgen seit Anfang 1999 der "Open Access". In Österreich nutzen erst zwei Unternehmen diese Möglichkeit: Seit 1. April 2001 transportiert die VOEST Kalkstein im Werkverkehr von Steyrling rund 60 km nach Linz, und seit 1. Mai betreibt die DB-Regio die Außerfernbahn in Tirol. In der Schweiz besteht wohl reges Interesse ausländischer Bahngesellschaften, bisher kam es aber noch zu keinem Vertragsabschluss.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 9/2001!