10. August 2001 • Auswirkungen der EU-Erweiterung auf den Verkehr in Österreich • Wilfried Puwein

Ein EU-Beitritt der fünf ostmitteleuropäischen Länder (MOEL 5) Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien beschleunigt das Wachstum ihres Außenhandels und ermöglicht ihren Bürgern die freie Wahl des Arbeitsplatzes innerhalb der EU. Die positiven Einkommenseffekte der Integration beleben die touristische Nachfrage. Österreich ist aufgrund seiner geographischen Lage ein wichtiges Quell-, Ziel- und Transitland für den Personen- und Güterverkehr der MOEL 5.

Im Berufspendler- und Urlaubsverkehr aus den MOEL 5 besteht ein großes Wachstumspotential, sowohl für Fahrten nach Österreich als auch zu den Arbeitsplätzen und Urlaubsregionen in den anderen EU-Ländern. Erreichen die MOEL bis zum Jahr 2015 ähnliche Mobilitätskennwerte, wie sie derzeit in Westeuropa gegeben sind (insbesondere der Motorisierungsgrad), so kann mit einer Verdoppelung des Personenverkehrs aus den MOEL 5 in Österreich gerechnet werden. Der Zuwachs wird großteils auf den Pkw-Verkehr entfallen.

Die Kontingentierung der grenzüberschreitenden Lkw-Fahrten bremste bisher die Entwicklung des Straßengüterverkehrs mit den MOEL 5 und begünstigte die Bahn. Eine Liberalisierung, wie sie der acquis communautaire vorsieht, verlagert nicht nur Transporte von der Bahn auf den Lkw, sondern auch den Lkw-Transitverkehr von Umfahrungsrouten auf das Straßennetz in Österreich. Ein freier Lkw-Verkehr schafft auch ein flexibles Transportangebot, das vor allem die wirtschaftliche Verflechtung grenznaher Regionen fördert. Staukosten und Straßenbenützungsgebühren beeinflussen das Wachstum des Lkw-Verkehrs. Die vorliegende Prognose des Güterverkehrsaufkommens der MOEL 5 in Österreich geht davon aus, dass Engpässe im Straßennetz laufend beseitigt und die Lkw-Abgaben nicht gravierend erhöht werden. Die Prognose basiert auf den vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche geschätzten Wachstumsraten des Außenhandels der MOEL 5; bei der Umrechnung dieser monetären Größen auf die beförderte Tonnage wurden Änderungen der Güterstruktur berücksichtigt. Mangels rezenterer statistischer Basisdaten musste vom Verkehrsaufkommen im Jahr 1994 ausgegangen werden. Als Beitrittsjahr wird 2004 angenommen.

Im Jahr 2015 wird das Transportaufkommen in der Einfuhr aus den MOEL 5 aufgrund dieser Schätzungen mehr als doppelt, in der Ausfuhr 3½-mal so hoch sein wie 1994. In der Einfuhr wird der Straßenanteil von 19% auf fast 50%, in der Ausfuhr von 16% auf rund 65% steigen. Die Straßenanteile werden damit erst im Jahr 2015 so hoch sein wie bereits jetzt im Landverkehr innerhalb der EU.

Das Transportaufkommen im Transitverkehr aus den MOEL 5 wird 2015 mehr als 2½-mal, in umgekehrter Richtung 3½-mal so hoch sein wie 1994. Der Anteil des Lkw am Transportaufkommen wächst von 26% auf 48% bzw. von 43% auf 57%. Der Zuwachs im Transitverkehr wird in besonderem Maße die Donau-Achse und etwas geringer die Pontebbana-Achse (Wiener Neustadt–Tarvis–Udine) belasten. Der Anteil des gesamten MOEL-5-Güterverkehrsaufkommens am Straßenverkehr in Österreich betrug 1994 2,3% und wird im Jahr 2015 (gemessen an der Prognose des Bundesverkehrwegeplans) noch unter 7% liegen.

Übersicht 1: Prognose des MOEL-5-Güterverkehrs in Österreich im Falle einer EU-Erweiterung im Jahr 2004

 

1994

2015

 

Transportaufkommen

Modal Split1)

Transportaufkommen

Modal Split1)

 

Mio. t

Anteile in %

Mio. t

1994 = 100

Anteile in %

           

Ein- und Ausfuhr

16,34

100,0

40,32

246,8

100,0

  Straße

2,95

18,1

21,70

735,6

53,8

  Bahn

11,85

72,5

17,35

146,4

43,0

  Schiff

1,54

9,4

1,27

82,5

3,1

           

Transit

8,42

100,0

25,05

297,5

100,0

  Straße

2,71

32,2

13,06

481,9

52,1

  Bahn

3,71

44,1

8,74

235,6

34,9

  Schiff

2,00

23,8

3,25

162,5

13,0

           

  Transit Donau-Achse

3,81

100,0

12,66

332,3

100,0

    Straße

0,84

22,0

5,97

710,7

47,2

    Bahn

0,97

25,5

3,44

354,6

27,2

    Schiff

2,00

52,5

3,25

162,5

25,7

           

  Transit Pontebbana-Achse

2,22

100,0

7,94

357,7

100,0

    Straße

0,72

32,4

4,27

593,1

53,8

    Bahn

1,50

67,6

3,67

244,7

46,2

           

Gesamter MOEL-5-Güterverkehr

24,76

100,0

65,37

264,0

100,0

  Straße

5,66

22,9

34,76

614,1

53,2

  Bahn

15,56

62,8

26,09

167,7

39,9

  Schiff

3,54

14,3

4,52

127,7

6,9

 1)  Aufteilung von Beförderungen auf die verschiedenen Verkehrsträger (Straße, Schiene, Wasserstraßen).

Im Straßennetz Österreichs treten regelmäßig Kapazitätsengpässe auf, die hohe Staukosten verursachen. Die Integration der MOEL 5 wird bestehende Probleme, insbesondere im Raum Wien und auf Abschnitten der Westautobahn, verschärfen. Die Gesellschaft beurteilt das Verkehrswachstum und einen ihm angepassten Straßenausbau zunehmend kritisch. Die Engpassprobleme werden wohl nur mehr in begrenztem Ausmaß durch Kapazitätserweiterungen zu lösen sein; ohne entsprechende Regulierung werden aber die Staukosten stark zunehmen. Eine ökonomische Nutzung knapper Verkehrsflächen könnte durch Preisincentives (Road Pricing) angestrebt werden. Gleichzeitig könnte ein verbessertes Transportangebot von Bahn und Donauschifffahrt verhindern, dass abnehmende Transportqualität und steigende Kosten im Straßengüterverkehr den Integrationsprozess der MOEL beeinträchtigen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2001!