29. Juni 2001 • Markante Wachstumsabschwächung in Europa bremst heimische Konjunktur. Prognose für 2001 und 2002 • Markus Marterbauer

Das Wirtschaftswachstum wird sich in Österreich nach 3,3% im vergangenen Jahr heuer auf 1,7% abschwächen und könnte im kommenden Jahr leicht über 2% liegen. Der Einbruch ist primär eine Folge der Eintrübung der Konjunktur in Europa. Diese geht auf die starke Wachstumsverlangsamung in den USA und die hohen Energiekosten zurück. Angesichts zögernder Reaktionen der Wirtschaftspolitik kann eine weitere Verschärfung der Entwicklung in Europa nicht ausgeschlossen werden. Die Inlandsnachfrage bleibt in Österreich relativ robust, wenn auch die Bauwirtschaft Schwächen erkennen lässt. Die Inflationsprognose wird sowohl für heuer (+2,6%) als auch für das kommende Jahr (+1,9%) merklich angehoben. Die Arbeitslosigkeit geht kaum mehr zurück.

Die österreichische Wirtschaft ist im Jahr 2000 um 3,3% gewachsen. Auch im I. Quartal 2001 zeigten sich Nachfrage und Produktion noch recht robust (+2,4%). Nun mehren sich allerdings die Hinweise auf eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums.

In Europa hat sich die Konjunktur in den letzten Monaten markant eingetrübt. Das BIP dürfte heuer um höchstens 1¾% expandieren. Dies ist zum einen eine Folge der Abschwächung in den USA, die über eine Dämpfung des Außenhandels und auf den Finanzmärkten auf Europa ausstrahlt. Zum anderen beeinträchtigen die anhaltend hohen Energiepreise die Kaufkraft der Konsumenten merklich. Die Inlandsnachfrage ist deshalb in der EU nicht in der Lage, eine tragende Rolle für die Konjunktur einzunehmen. Dies gilt besonders für Deutschland, wo das Wachstum des BIP heuer nur noch leicht über 1% liegen dürfte. Die europäische Wirtschaftspolitik zeigt – im Unterschied zu den USA – einen ausgeprägten Attentismus gegenüber dem Problem des Konjunktureinbruchs: Die Geldpolitik gewichtet das Inflationsproblem deutlich höher, und die Fiskalpolitik bleibt auf Konsolidierungskurs. Die Risken der vorliegenden Prognose liegen deshalb in einer noch schwächeren Entwicklung der Nachfrage in Europa als hier angenommen.

Die Dämpfung des Wachstums in Europa schlägt sich im exportabhängigen Bereich der österreichischen Wirtschaft merklich nieder. Der Warenexport dürfte heuer real um nur noch 4½% über dem Niveau des Vorjahres liegen. In der Sachgüterproduktion kündigt sich eine beträchtliche Verlangsamung der Outputsteigerung an. Darauf deuten insbesondere die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests vom II. Quartal hin. Sie verweisen vor allem für die Herstellung von Vorleistungen und Investitionsgütern auf eine erhebliche Eintrübung des Geschäftsklimas. Die Erzeugung von Sachgütern dürfte nach mehr als +8% im Vorjahr heuer um nur noch 2¾% wachsen. Parallel zur Abschwächung im Außenhandel und in der Produktion wird der Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen und des Großhandels gedämpft. Obwohl auch die Importe an Dynamik verlieren, steigt das Handelsbilanzdefizit geringfügig (auf –80 Mrd. S). Der Abgang in der Leistungsbilanz dürfte etwa 3% des BIP erreichen.

In Österreich stabilisieren die Konsumausgaben der privaten Haushalte die Nachfrage. Sie dürften heuer real um 1,8% zunehmen. Da aufgrund der höheren Inflationsrate und der Steueranhebungen die Nettomasseneinkommen (–0,5%) und die Nettoverdienste je Arbeitnehmer (–0,8%) real merklich zurückgehen, ist dies nur mit einer bemerkenswerten Verringerung des Sparanteils am verfügbaren Einkommen möglich. Für das kommende Jahr werden etwas höhere Lohnabschlüsse angenommen, und zusätzliche Transfers (Kinderbetreuungsgeld) heben die verfügbaren Einkommen an. Das Wachstum der Konsumnachfrage könnte dann leicht über dem Wert des Jahres 2001 liegen.

In der Bauwirtschaft deutet der starke Beschäftigungsrückgang auf eine schwache Entwicklung der Produktion hin (+0,5%). Rückläufig sind Wohnbau (wegen des fehlenden Bedarfs) und kommunaler Tiefbau (aufgrund der Konsolidierungsbemühungen auf Länder- und Gemeindeebene). Das Niveau der Bauinvestitionen in Relation zum BIP liegt dennoch deutlich über dem EU-Durchschnitt.

Das Budget der öffentlichen Haushalte wird durch die Wachstumsdämpfung beeinträchtigt. Andererseits begünstigt die höhere Inflation per Saldo die öffentlichen Haushalte – vor allem auf der Einnahmenseite. Der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte könnte heuer –0,5% des BIP betragen. Ob im kommenden Jahr ein ausgeglichener Saldo erreicht werden kann, hängt vom weiteren Konjunkturverlauf, primär aber von den umfangreichen Ausgliederungen öffentlicher Tätigkeiten (und damit verbunden von Ausgaben und Defiziten) und deren Anerkennung durch Eurostat ab. Wenn sich der Wachstumseinbruch verschärft, sollte die Budgetpolitik bereit sein, die automatischen Stabilisatoren voll wirken zu lassen.

Da sich der Preisauftrieb im Frühjahr als hartnäckiger erwies als angenommen, muss die Preisprognose merklich revidiert werden. Der Anstieg von Energiekosten und Fleischpreisen sowie die Anhebung der indirekten Steuern und Gebühren beschleunigten die Inflation im 1. Halbjahr. Die Überwälzung auf die Preise von industriell-gewerblichen Waren, Transportdienstleistungen und Wohnungskosten lässt auch dort das Preisniveau steigen. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Inflationsrate heuer 2,6% erreichen, im kommenden Jahr könnte sie sich bei einem Abklingen des Auftriebs der Nahrungsmittel- und Energiepreise auf 1,9% verringern.

Die Abschwächung des Wirtschaftswachstums beeinträchtigt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung (ohne Karenzgeldbezieher und Präsenzdiener) wird heuer um nur noch 13.000 (+0,4%) zunehmen, die Zahl der Arbeitslosen verharrt auf gut 190.000. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 3,6% der Erwerbspersonen nach EU-Definition bzw. 5,7% der unselbständigen Erwerbspersonen nach österreichischer Berechnungsweise.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/2001!