15. Februar 2001 • Direktinvestitionen in den Oststaaten: Schwächephase überwunden • Jan Stankovsky

Zehnte Ausgabe der WIIW-WIFO-Datenbank über Direktinvestitionen in Osteuropa und der früheren UdSSR erschienen.

Österreichische Investoren nutzten im Vorjahr die Chancen in Osteuropa und weiteten ihre Aktivitäten aus. Im 1. Halbjahr 2000 erreichten die österreichische Direktinvestitionen in den Oststaaten 7 Mrd. S. Auf Jahresbasis umgerechnet ergibt sich daraus für das Jahr 2000 eine Zunahme um gut 30% gegenüber 1999. Die seit 1997 anhaltende Schwächephase scheint somit zu Ende gegangen zu sein. In den Jahren 1998 und 1999 waren die österreichischen Direktinvestitionen im Osten – gegenüber dem bisherigen Spitzenwert im Jahr 1997 (13 Mrd. S) – rückläufig gewesen. Dieser Rückgang war die Folge der Ausschöpfung des Privatisierungspotentials in wichtigen Ländern in Osteuropa (insbesondere in Ungarn), einer schwachen Konjunktur sowie der Finanzkrise in Fernost und Russland. Der Aufschwung im Jahr 2000 spiegelt die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wider (Ende der Finanzkrisen, Wachstumsbeschleunigung, Konkretisierung der Aufnahme der Beitrittskandidaten in die EU). Überdies haben Tschechien und die Slowakei die Privatisierung des Bankensektors nun ernsthaft in Angriff genommen. Die meisten dieser Faktoren sollten auch im Jahr 2001 wirksam sein.

Der Großteil der österreichischen Direktinvestitionen im Osten entfällt auf die 10 EU-Beitrittskandidaten (87%), insbesondere auf die Nachbarländer. Das wichtigste Zielland war 1998 und 1999 Tschechien mit einem Investitionsvolumen von jeweils über 3 Mrd. S. In der ersten Jahreshälfte 2000 betrugen die Neuinvestitionen dort 1,5 Mrd. S. Die Neuinvestitionen in Ungarn erreichten ihren Spitzenwert bereits 1990 mit 4 Mrd. S und waren seither rückläufig. Im Jahr 1999 machten sie nur 0,5 Mrd. S aus. Das Jahr 2000 brachte eine kräftige Belebung (1. Halbjahr 1,9 Mrd. S).

Die Slowakei ist – trotz politischer und wirtschaftlicher Stabilisierung – noch nicht zu einem attraktiven Standort für ausländische Investoren geworden. Immerhin investierten österreichische Unternehmen in der Slowakei im 1. Halbjahr 2000 mit 0,6 Mrd. S fast ebenso viel wie im ganzen Jahr 1999. Ein wichtiger Hinweis auf das wachsende Interesse westlicher Investoren an der Slowakei war der Wettbewerb um die Privatisierung der Slowakischen Sparkasse, der Anfang des Jahres 2001 zugunsten der österreichischen Erste Bank entschieden wurde.

Am Investitionsboom in Polen war Österreich auch im Jahr 2000 nicht voll beteiligt. Immerhin wurden dort in der ersten Jahreshälfte Unternehmensbeteiligungen im Wert von 1,4 Mrd. S erworben. Die Direktinvestitionen in Kroatien erreichten 1 Mrd. S, in Slowenien 0,7 Mrd. S. Nur unbedeutend waren hingegen die österreichischen Direktinvestitionen in Bulgarien und Rumänien sowie in den Nachfolgestaaten der UdSSR. Die baltischen Länder sind – trotz beachtlicher Erfolge in der Transformation – für die österreichische Wirtschaft nach wie vor eine "terra incognita".

Der Bestand der österreichischen Direktinvestitionen in den Oststaaten stieg zwischen 1990 und 1999 von 5,3 Mrd. S auf 68,5 Mrd. S und nahm bis Mitte 2000 weiter auf 75,5 Mrd. S zu. Zum Gesamtbestand an österreichischen Direktinvestitionen im Ausland tragen die Oststaaten 30% bei. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf Ungarn (20,1 Mrd. S) und Tschechien (19,4 Mrd. S), fast drei Viertel sind auf die vier Nachbarländer konzentriert. Von Bedeutung sind auch die Direktinvestitionen in Polen und Kroatien.

Der österreichische Marktanteil in Ost-Mitteleuropa (einschließlich Slowenien) stieg von 4,4% Ende 1999 auf 6,9% in der ersten Hälfte 2000. In Ungarn vergrößerte sich der Marktanteil von nur 2,2% 1999 auf 14,3% im 1. Halbjahr 2000. In der Slowakei war Österreich an fast 30% der Auslandsinvestitionen beteiligt. In Tschechien nahm der österreichische Marktanteil von 4,6% auf 5,2% zu. Zu den boomenden Auslandsinvestitionen in Polen hingegen trug Österreich im Jahr 2000 nur 3,2% bei, zu den Investitionen im Osten insgesamt 4,8%. Mit der Verbesserung der Marktstellung im Jahr 2000 konnten allerdings die Positionsverluste der Vorjahre nur zum Teil wettgemacht werden. Der österreichische Marktanteil in Ost-Mitteleuropa erreichte nur das Niveau des Jahres 1998 und blieb deutlich unter jenem des Jahres 1997 bzw. von Mitte der neunziger Jahre.

Die bevorstehende Osterweiterung der EU hat die Attraktivität der Beitrittskandidaten als Investitionsstandort merklich erhöht. Österreich partizipierte in den vergangenen Jahren an diesem Wettbewerb im Osten nicht mehr mit demselben Interesse und Erfolg wie zu Beginn der neunziger Jahre. Die mitunter zitierte Kapitalschwäche kann nur zum Teil als Ursache gelten: Die Beteiligungen im Bankensektor etwa konnten ohne Probleme finanziert werden. Ob die Verschlechterung des politischen Klimas zwischen Österreich und mehreren Oststaaten – symbolisiert durch die zurückhaltende, oft ablehnende Haltung zur Osterweiterung – mit eine Ursache für diese Entwicklung ist, lässt sich nicht schlüssig nachweisen. Förderlich ist ein solches Klima sicher nicht.

Der österreichische Marktanteil am Bestand ausländischer Direktinvestitionen in Ost-Mitteleuropa ging geringfügig von 6,2% Ende 1999 auf 6,1% im Juni 2000 zurück, der Marktanteil in den Oststaaten insgesamt von 4,0% wurde gehalten. Österreich als Investor verfügt über eine starke Position in Slowenien (Marktanteil 21,7%), der Slowakei (16,1%) und Kroatien (9,7%), relativ gut ist die Marktstellung auch in Tschechien (7,7%) und Ungarn (7,2%).

Mehr als Hälfte der Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor

Im Jahr 1998 entfiel fast ein Viertel der österreichischen Direktinvestitionen in Osteuropa auf den Finanzsektor (Banken und Versicherungen). Ein weiterer Schwerpunkt ist der Handel, der mit über einem Fünftel an den Direktinvestitionen beteiligt ist. Eher unbedeutend war bisher das österreichische Engagement im Tourismus, wobei allerdings kleinere Projekte (unter 1 Mio. S) statistisch nicht berücksichtigt werden. Insgesamt entfallen auf Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor 55%. Die Direktinvestitionen in der Industrie sind relativ breit gestreut: Jeweils etwa 9% entfallen auf die Glasindustrie und die Chemie, jeweils 6% auf die Nahrungsmittelindustrie und die Papierindustrie. Unternehmen aus der Metallindustrie, Elektroindustrie sowie dem Maschinen- und Fahrzeugbau – Branchen, die eine wichtige Rolle in der österreichischen Wirtschaft spielen – haben bisher nur wenig Niederlassungen in Osteuropa gegründet. Die Textil- und Bekleidungsindustrie hält in Osteuropa Beteiligungen von nur 0,6 Mrd. S; die enge Zusammenarbeit in diesem Bereich basiert offenbar überwiegend auf Lohnfertigung.

120.000 Beschäftigte in österreichischen Unternehmen im Osten

Österreichische Unternehmen beschäftigten im Jahr 1998 in den Tochterunternehmen in den Oststaaten 121.100 Arbeitnehmer. Weitere 12.300 Beschäftigte sind bei "Enkelunternehmen" im Osten tätig. Insgesamt bieten somit die "österreichischen" Unternehmen im Osten 133.400 Arbeitsplätze. In Österreich waren 1998 in der Industrie und im Dienstleistungsbereich 2,5 Mio. Unselbständige beschäftigt. Die "Auslandsbeschäftigten" im Osten entsprachen somit etwa 5,5% der Inlandsbeschäftigten. Im Jahr 1990 hatte die Arbeitskräftezahl der österreichischen Unternehmen im Osten erst 10.800 erreicht, innerhalb von 8 Jahren hat sich die Beschäftigung somit mehr als verzehnfacht. Der Anteil der Oststaaten an der Gesamtzahl der Beschäftigten in österreichischen Auslandsunternehmen ist von 25% 1990 auf 65% 1998 gestiegen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der Studie "WIIW-WIFO Database: Foreign Direct Investment in Central and East European Countries and the Former Soviet Union" von Gábor Hunya (WIIW) und Jan Stankovsky (WIFO), 50 Seiten, ATS 650,– bzw. EUR 47,24 (erscheint halbjährlich; Bestellungen bitte an das WIFO, z. Hd. Frau Christine Kautz, Tel. +43 1 798 26 01/282, Fax +43 1 798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at).