23. Jänner 2001 • Die Entwicklung des Arbeitsvolumens und der Arbeitsproduktivität nach Branchen • Gudrun Biffl

Die Daten des Mikrozensus weisen für Österreich im EU-Vergleich eine überdurchschnittliche Erwerbsquote (1999 71,5% gegenüber 69,2% im EU-Durchschnitt) und eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote aus (3,7% gegenüber 9,2%). Damit verbunden ist eine geringere Produktivität je Arbeitskraft als im Durchschnitt der EU. In einem Vergleich auf Basis der administrativen Daten ist die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen in Österreich hingegen um etwa 5% höher als in der EU, die Erwerbsquote entspricht dem EU-Durchschnitt, und die Arbeitslosenquote ist nur halb so hoch wie in der EU.

Der EU-Beitritt Österreichs war mit einer Umstellung statistischer Abgrenzungen und Berechnungsmethoden von Arbeitsmarktaggregaten verbunden, was einen Bruch in den Datenstrukturen und Berechnungsmodalitäten zur Folge hatte. Das löste eine gewisse Unsicherheit über die relative Position des österreichischen Arbeitsmarktes in der EU aus. Zunächst wurde die Frage nach der "wahren " Arbeitslosigkeit gestellt, derzeit befasst sich die Diskussion mit der Höhe der Arbeitsproduktivität im internationalen Vergleich.

Um einen besseren Einblick in die Entwicklung der Aggregate des Arbeitsangebotes – die Zahl der Beschäftigten und deren durchschnittliche jährliche Arbeitszeit – zu gewinnen, hat das WIFO Zeitreihen nach Branchen berechnet. Eine Zeitreihe der Arbeitsproduktivität ermöglicht einen internationalen Vergleich ab 1995. Demnach stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Österreich in den letzten 35 Jahren schwächer als im EU-Durchschnitt. Die Beschäftigungsentwicklung war von massiven Verlagerungen aus schrumpfenden in expandierende Branchen geprägt. Zusätzliche Arbeitsplätze wurden vor allem im öffentlichen Sektor geschaffen.

Gemäß dem traditionellen österreichischen Lebensunterhaltskonzept, d. h. ohne geringfügige Beschäftigung, erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 1964 und 1999 von 3,143.200 auf 3,406.400 (+263.200, +8,4%). Einschließlich der geringfügig Beschäftigten im Jahre 1999 – dies ist insofern gerechtfertigt, als diese Beschäftigungsform in den frühen sechziger Jahren kaum anzutreffen war – erreichte die Beschäftigungssteigerung 478.000 oder 15,2%. Damit war die Zunahme aber ebenfalls geringer als im Durchschnitt der EU 15 und deutlich schwächer als in Nordamerika oder Japan.

Die im internationalen Vergleich mäßige gesamtwirtschaftliche Beschäftigungssteigerung ist nicht als mangelnde Arbeitsmarktdynamik zu werten, sondern als Folge einer relativ späten Abwanderung der Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft. In den sechziger und siebziger Jahren war eine massive Reallokation der Arbeitskräfte aus dem primären in den sekundären und tertiären Sektor zu verzeichnen. Die Land- und Forstwirtschaft hatte 1964 mit 607.800 Arbeitskräften noch 19,3% aller Arbeitsplätze gestellt; 1999 waren nur noch 145.700 oder 4,3% aller Arbeitskräfte im Primärsektor tätig.

Die Jahresarbeitszeit je Erwerbstätigen hat sich im selben Zeitraum stark verringert und ist derzeit etwas niedriger als im EU-Durchschnitt. Dieser Rückgang ist sowohl die Folge einer Abnahme der gesetzlichen wöchentlichen Arbeitszeit (Vollzeit-Normarbeitszeit) als auch der Verlängerung des Mindesturlaubs und der Einführung des Pflegeurlaubs. Überdies bewirkte die Veränderung der demographischen Zusammensetzung des Arbeitskräfteangebotes, insbesondere der Anstieg der Frauenbeschäftigung, einen Rückgang, da Frauen in höherem Maße als Männer teilzeitbeschäftigt sind. Auch der Rückgang des Anteils der Selbständigen an der Erwerbstätigkeit trug zur Verringerung der durchschnittlichen Wochen- und Jahresarbeitszeit bei. In jüngerer Zeit verstärkte die Zunahme der Zahl der geringfügig Beschäftigten die sinkende Tendenz der durchschnittlichen Arbeitszeit je Erwerbstätigen.

Die Branche mit der längsten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit war stets die Land- und Forstwirtschaft vor dem Gast- und Schankgewerbe – eine Folge des großen Anteils von Selbständigen in diesen beiden Wirtschaftszweigen. Die hohe Wochenarbeitszeit der Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Trennung zwischen Arbeitszeit, Freizeit, Eigenproduktion, Hobby u. Ä. im Gegensatz zu Unselbständigen sehr schwierig ist.

Der öffentliche Dienst im weitesten Sinn umfasst die Bereiche mit der traditionell geringsten durchschnittlichen Arbeitszeit (gemäß Lebensunterhaltskonzept 1964 41,6 Stunden, Gesamtwirtschaft 48,4 Stunden, 1999 rund 37 bzw. 37,9 Stunden). Da im öffentlichen Dienst überdurchschnittlich viele geringfügig Beschäftigte eingesetzt werden, liegt die geleistete Wochenarbeitszeit pro Kopf nach dem Labour-Force-Konzept deutlicher unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt: In der öffentlichen Verwaltung einschließlich Sozialversicherungen und Interessenvertretungen arbeiteten die Beschäftigten 1999 nach dem Labour-Force-Konzept 36,9 Stunden, im Unterrichtswesen 32 Stunden, im Gesundheitswesen 34,8 Stunden (Gesamtwirtschaft einschließlich der geringfügig Beschäftigten 1999 37,2 Stunden).

Gemessen an der Entwicklung der Erwerbstätigkeit und der durchschnittlichen Arbeitszeit je Erwerbstätigen sank das Jahresarbeitsvolumen zwischen 1964 und 1999 von 7.914 auf 6.704 Mio. Stunden (–1.210 Mio. Stunden, –15%). Die anfallende Arbeit verringerte sich demnach langfristig und wurde überdies auf mehr Beschäftigte verteilt. Das Arbeitsvolumen nahm aber nicht stetig ab, sondern schrumpfte vor allem in den sechziger Jahren und in der ersten Hälfte der siebziger Jahre; danach verlangsamte sich der Rückgang und mündete gegen Ende der achtziger Jahre und zu Beginn der neunziger Jahre in einen Wachstumsschub. Im Anschluss an die Rezession 1992/93 sank das Arbeitsvolumen wieder, war aber seit Mitte der neunziger Jahre tendenziell expansiv.

Trotz der Abnahme des Arbeitsvolumens zwischen 1964 und 1999 wurde die Wertschöpfung über diesen Zeitraum mehr als verdoppelt – eine Folge des technischen Fortschritts, einer Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte und einer effizienteren Arbeitsorganisation: von Faktoren also, die die Arbeitsproduktivität positiv beeinflussen.

Gemäß den Berechnungen von Statistik Österreich (ESVG 95 zu Preisen von 1995) erreichte die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung 1998 2.410 Mrd. S bzw. 298.000 S je Einwohner. Bezogen auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (1998 5,5 Mio.) betrug die Wertschöpfung 442.000 S, bezogen auf die Zahl der Erwerbstätigen einschließlich geringfügig Beschäftigter 675.300 S. Die Stundenproduktivität (BIP je Arbeitsstunde) lag zwischen 350 S (nach dem Labour-Force-Konzept) und 364 S (Lebensunterhaltskonzept).

Der internationale Vergleich des Produktivitätsniveaus wird durch Wechselkursschwankungen erschwert, die sich in der Bewertung des Bruttoinlandproduktes (BIP) niederschlagen. Im Jahr 1998 war die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität in Österreich gemessen am BIP je Einwohner um 17% niedriger als in den USA, um 13% geringer als in Japan, aber um 16% höher als im Durchschnitt der EU. Gemessen an der Zahl der Erwerbstätigen blieb die Arbeitsproduktivität in Österreich um nur 5% bis 10% hinter den USA zurück und überstieg den EU-Durchschnitt um 7%, weil die Beschäftigungsquote in den USA mit 49% der Gesamtbevölkerung deutlich höher ist als in der EU (41%) und in Österreich (45%). Der Abstand ist noch geringer, wenn man das BIP auf die geleisteten Arbeitsstunden bezieht. Eine genaue Festlegung der Differenz ist allerdings schwierig, da Informationen über die Zahl der Arbeitsstunden je Erwerbstätigen im Jahr sehr unsicher sind. Für den vorliegenden internationalen Vergleich wurden für das Ausland die Erhebungen des International Institute for Management Development verwendet. Diesen Berechnungen zufolge war die Stundenproduktivität in Österreich um 10% bis 6% niedriger als in den USA, um 2% geringer als in Japan und um 14,8% höher als im EU-Durchschnitt. Gemäß WIFO-Berechnungen (zu Kaufkraftparitäten) wurde der Produktivitätsabstand Japans, der EU und Österreichs gegenüber den USA in den letzten 5 Jahren größer.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2001!