6. Oktober 2000 • Erdölverteuerung und Budgetkonsolidierung dämpfen Wirtschaftswachstum. Prognose für 2000 und 2001 • Ewald Walterskirchen

Der Anstieg der Rohölpreise und die forcierte Budgetkonsolidierung werden das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr abschwächen. Nach einem kräftigen Konjunkturaufschwung 2000 (+3,5%) wächst die Wirtschaft 2001 um nur noch 2,8%.

Der Konjunkturaufschwung erreicht in Österreich heuer einen Höhepunkt. Das reale Bruttoinlandsprodukt steigt um 3½% – das ist die höchste Wachstumsrate seit 1990. Kräftige Impulse kommen von allen Nachfragekomponenten: Export, Investitionen und Konsum.

Im Jahr 2001 werden die aus der Erdölverteuerung und der forcierten Budgetkonsolidierung resultierenden Kaufkrafteinbußen den Aufschwung verlangsamen. Das Wirtschaftswachstum wird auf 2,8% zurückgehen. Gemäß dem WIFO-Konjunkturtest hat die Einschätzung der Geschäftslage ihren Plafond erreicht, sie verbessert sich seit einigen Monaten nicht weiter.

Die Rohölpreise stiegen im Herbst auf mehr als 30 $ je Barrel, seit ihrem Tief Ende 1998 haben sie sich damit verdreifacht. Die Anhebung der OPEC-Förderquoten hat die Preisentwicklung bisher kaum beruhigt. Wenn der Erdölpreis dieses Niveau längere Zeit hält, muss mit spürbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft gerechnet werden. Nach einer vorsichtigen Schätzung erreicht die Wachstumsdämpfung 2001 ¼ Prozentpunkt. Eine rasche Steigerung der Exporte in die erdölproduzierenden Länder würde den Kaufkraftverlust mildern, doch fehlten in den Sommermonaten in Österreich Hinweise darauf.

Der hohe Erdölpreis ruft Erinnerungen an die Preisschocks 1973/74 und 1979/80 wach. Seither haben jedoch alle OECD-Staaten ihre Abhängigkeit von den Rohölimporten deutlich reduziert. Weiters dürfte der verstärkte Wettbewerb es heute erschweren, die Verteuerung von Erdöl auf Löhne und Verbraucherpreise zu überwälzen. Die Risken für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft haben aber zweifellos stark zugenommen.

Restriktive Effekte werden in Österreich im nächsten Jahr auch von der forcierten Budgetkonsolidierung ausgehen. Die Lohnsteuereinnahmen werden durch das neue "Sparpaket" um rund 10 Mrd. S angehoben, Sozialleistungen werden gekürzt, und Vorauszahlungen an Körperschaft- und Einkommensteuern von 15 Mrd. S belasten die Wirtschaft. Angesichts der Abschaffung der Investitionsprämie mit 1. Jänner 2001 werden Unternehmen Investitionen in das laufende Jahr vorverlegen. Wegen dieser Vorzieheffekte wird die Investitionstätigkeit 2001 etwas gedrückt sein.

Die geplanten Einsparungen im Bereich der Pensionen und Beamtengehälter bremsen den Kaufkraftzuwachs. Nach ersten vorläufigen Schätzungen könnte das "Sparpaket" das Wirtschaftswachstum 2001 und 2002 um jeweils ¼ Prozentpunkt dämpfen. Aufgrund des "Sparpakets" wird das Defizit der öffentlichen Haushalte 2001 auf 0,8% des BIP sinken. Die Lücke im Bundeshaushalt wird etwa 1½% des BIP betragen, die Länder könnten durch Einsparungen und Auslagerungen einen Überschuss von 0,7% des BIP erzielen. Die Steuer- und Abgabenquote wird 2001 auf fast 46% steigen.

In den USA werden von der Geldpolitik restriktive Effekte ausgehen. Die Notenbank der USA hat wegen zunehmender Inflationsrisken ihre Politik gestrafft. Die Zinsstruktur ist in den USA seit mehreren Monaten invers, d. h. die kurzfristigen Zinssätze übersteigen die langfristigen. In der Vergangenheit hatte eine solche Konstellation mit einer gewissen Verzögerung eine Konjunkturabschwächung zur Folge. Auch die europäische Zentralbank hat die Leitzinsen im Laufe des Jahres kräftig angehoben. In der Euro-Zone liegen die kurzfristigen Zinssätze jedoch noch unter den langfristigen. Dämpfende Wirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung werden hier deshalb vorerst begrenzt sein.

Die Leistungsbilanz wird heuer durch den Anstieg der Energieimporte stark belastet. Ihr Defizit steigt um rund 10 Mrd. S auf 3% des BIP. Ein hohes Passivum bedeutet jedoch kein unmittelbares währungspolitisches Problem mehr, seit Österreich der Euro-Zone angehört. Die Gefahr wird auch geringer eingeschätzt, seit die florierende, wettbewerbsstarke Wirtschaft der USA ein enormes Leistungsbilanzdefizit aufweist. Überdies wird das Leistungsbilanzdefizit Österreichs 2001 wieder sinken, sobald die Rohölnotierungen nachgeben.

Unter der Annahme, dass im nächsten Jahr der Rohölpreis auf etwa 27 $ je Barrel zurückgeht und der Euro-Kurs steigt, dürfte die Inflationsrate 2001 auf 1,5% sinken – vor allem weil der Beitrag der Energiepreise zur Teuerungsrate (+0,8 Prozentpunkte im Jahr 2000) wegfällt. Weiters wird unterstellt, dass die Überwälzung der Rohölverteuerung auf die Verbraucherpreise wegen des verschärften Wettbewerbs geringer ausfällt als in der Vergangenheit.

Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums wird sich auch auf das Tempo der Beschäftigungsausweitung auswirken. Im nächsten Jahr wird die Zahl der Erwerbstätigen um etwa 25.000 höher sein als heuer (2000: +30.000). Die Arbeitslosenquote (laut AMS) geht weiter deutlich zurück (von 5,9% auf 5,3%), weil die neuen Arbeitsplätze nicht mehr im selben Ausmaß wie in der Vergangenheit durch jene besetzt werden, die neu auf dem Arbeitsmarkt auftreten. Das demographisch bedingte Arbeitskräfteangebot ist rückläufig. Weiters hat die hohe Intensität der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (z. B. Job Coaching) den Nebeneffekt, dass die Arbeitswilligkeit und -fähigkeit der Arbeitslosen besser eingeschätzt werden kann. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird häufiger gesperrt als früher. Aus all diesen Gründen wird die Arbeitslosenquote laut Eurostat – nach Einbeziehung der Arbeitskräfteerhebung – viel schwächer zurückgehen als jene laut AMS.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2000!