25. August 2000 • Die Zukunft der Universaldienstleistungen • Norbert Knoll, Anna Obermair

Die Rahmenbedingungen für die Versorgung mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen haben sich seit Ende der achtziger Jahre in vielen europäischen Staaten grundlegend geändert. Die Liberalisierung des Marktzutritts, zunehmender Wettbewerb und Privatisierungen in den Sektoren Telekommunikation, Post, Transport und Verkehr bewirken Änderungen der Geschäftsstrategien der bislang unter Monopolbedingungen und im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Versorgungsunternehmen. Zunehmender Wettbewerb hat zwar im Bereich der Infrastrukturleistungen einzelne Produkte deutlich verbilligt, stellt aber durch verstärktes Kostenbewusstsein und Gewinnorientierung in manchen Bereichen auch ein ausreichendes Leistungsangebot in Frage (Nebenbahnen). Neben der Sicherung des Wettbewerbs muss die moderne Infrastrukturpolitik Regelungen vorsehen, die das öffentliche Interesse am Versorgungsgrad im Auge behalten und in den einzelnen Sektoren die Verwirklichung sozial- und regionalpolitischer Ziele (wie des flächendeckenden Angebotes von gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu erschwinglichen Preisen) gewährleisten. Dies ist das zentrale Ergebnis eines international besetzten Symposiums zur "Zukunft der Universaldienstleistungen", dessen Ergebnisse das WIFO im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen vorgelegt hat.

Aktuelle Diskussionen zur Auflassung von Nebenbahnen und zur Schließung unwirtschaftlicher Postämter machen die mit der bevorstehenden Liberalisierung und Privatisierung von Infrastrukturleistungen einhergehenden Probleme der Versorgung mit Universaldienstleistungen deutlich. Österreich folgt hier internationalen Entwicklungen. Seit Ende der achtziger Jahre wird die Liberalisierung des Marktzutritts zu einem bestimmenden Element der europäischen Infrastrukturpolitik. Ausgehend von der Telekommunikation zielt die Reform des Regulierungsrahmens nunmehr auch in den Sektoren Post, Transport und Verkehr auf eine Harmonisierung des Angebotes von Dienstleistungen und eine Einführung von Wettbewerb ab. Im Zuge dieser Reformen wird eine Anpassung der Regelungen zur Aufrechterhaltung der Versorgung mit gemeinwohlorientierten Leistungen (gemeinwirtschaftlichen Leistungen, Universaldienst) zu erschwinglichen Preisen erforderlich. Trotz wichtiger Strukturunterschiede ist in den Sektoren eine Reihe von Gemeinsamkeiten auszumachen:

  • In allen drei Sektoren erfolgt eine schrittweise Marktöffnung, die letztlich nur in Randsegmenten ein Monopolangebot vorsieht (insbesondere Netzinfrastruktur). Das Liberalisierungstempo unterscheidet sich in den Sektoren. Während z. B. der Telekombereich eine Vorreiterrolle einnimmt, steht die vollständige Liberalisierung der Postdienste erst bevor. Im öffentlichen Personennah- und -regionalverkehr (ÖPNRV) ergibt sich zusätzlicher Wettbewerb über Substitute, d. h. intermodalen Wettbewerb zwischen Verkehrsträgern (z. B. Pkw, Bus, Bahn usw.).
  • Die Einführung von Wettbewerb erfordert in den betroffenen Sektoren eine Anpassung des Regulierungsrahmens. Reformen haben dabei zu berücksichtigen, dass eine Weiterführung gemeinwohlorientierter Leistungen im Sinne der Daseinsvorsorge auch unter Wettbewerbsbedingungen gewährleistet wird. Immerhin veranlassen der Marktzutritt von Konkurrenten und zunehmender Wettbewerb auch öffentliche Versorger zu stärkerem Kostenbewusstsein und zu Gewinnorientierung. Vielfach steht dies im Widerspruch zur Sicherung eines hinreichenden Angebotes an gemeinwirtschaftlichen Leistungen, weil Kostendeckung und Profitabilität nicht notwendigerweise gewährleistet sind (z. B. Versorgung peripherer Regionen, Erschwinglichkeit usw.).

Mit zunehmender Liberalisierung wird einerseits eine Präzisierung der im öffentlichen Interesse zu erbringenden Versorgungsleistungen (z. B. Definition eines Universaldienstes) erforderlich. Andererseits ist die Finanzierung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen wettbewerbsadäquat zu gestalten. In Zeiten rein oder überwiegend öffentlicher Monopolangebote (z. B. durch hohen Anteil reservierter Dienste) waren Quersubventionierungen ein gangbarer Weg. Mit zunehmendem Wettbewerb wird es erforderlich, aus dem Angebot gemeinwohlorientierter Leistungen entstehende finanzielle Belastungen auf alle Anbieter aufzuteilen (z. B. sektorintern finanzierter Universaldienst) bzw. nach dem Bestellerprinzip vorzugehen (z. B. externe Finanzierung durch Bund oder Länder).

Eine steigende Zahl der Anbieter von Infrastrukturleistungen bedingt sowohl für allgemein nachgefragte Dienste als auch für die im öffentlichen Interesse (defizitär) erbrachten Versorgungsleistungen Vorteile für den Konsumenten hinsichtlich Preis, Qualität und Wahlmöglichkeiten. Gerade für den Universaldienst und sonstige gemeinwirtschaftliche Leistungen bieten sich neue Mechanismen zur Ermittlung des besten Anbieters an. Ein Paradigmenwechsel vom Modell des durch Gesetz verpflichteten Leistungserstellers hin zu marktkonformen Vergabeverfahren (z. B. Universaldienstauktionen, Ausschreibungen für zeitlich befristete Leistungserbringung) zeichnet sich ab.

Aus der Sektoranalyse wird auch ersichtlich, dass Liberalisierung für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und die Aufrechterhaltung eines umfassenden Angebotes an gemeinwirtschaftlichen Leistungen nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen birgt. Vorrangig ist eine Zielbestimmung (Definition des Umfangs) im politischen Prozess. In weiterer Folge ist sowohl durch Anpassung des Regulierungsrahmens als auch durch verstärkten Einsatz wettbewerbskonformer Vergabeverfahren eine effiziente Umsetzung der politischen Ziele zu erreichen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2000!