23. August 2000 • Kaufkraftparitäten des Dollars und des Euro • Stephan Schulmeister

Derzeit beträgt die Kaufkraftparität des Euro gegenüber dem Dollar auf Basis von "Tradables" 0,865: Ein Warenkorb international gehandelter Sachgüter und touristischer Dienstleistungen, der in der Euro-Zone 1 Euro kostet, kostet in den USA 0,865 $. Bei einem Wechselkurs von 0,958 $ war der Euro gegenüber dem Dollar auf Basis von Tradables Mitte 2000 somit um 10,7% überbewertet. Auf Basis eines gesamtwirtschaftlichen Warenkorbs beträgt die Kaufkraftparität hingegen 1,078. Eine Einheit BIP war daher Mitte 2000 in der Euro-Zone um 11,2% billiger als in den USA, der Euro auf BIP-Basis dementsprechend unterbewertet.

Der wichtigste Grund, warum eine Einheit BIP in der Euro-Zone billiger ist als in den USA, eine Einheit Tradables aber teurer, besteht darin, dass international nicht gehandelte Dienstleistungen wie jene des Gesundheits- und Bildungswesens in den USA relativ teurer sind als in der Euro-Zone, Sachgüter sowie touristische Dienstleistungen aber relativ billiger.

Abbildung 1: Der Wechselkurs des ECU bzw. Euro gegenüber dem Dollar und Kaufkraftparitäten

Q: OECD, WIFO. –  1)  Wechselkurse für 2000: 30. Juni 2000.

Weil der Grossteil des BIP, insbesondere die meisten Dienstleistungen sowie die Bauinvestitionen, international nicht oder kaum gehandelt wird (in den USA sind dies 70%, in der EU 62% des BIP), ist die Kaufkraftparität des BIP kein geeigneter Maßstab für das "faire" Niveau eines Wechselkurses – jenes Niveau, bei dem kein Land über wechselkursbedingte Preisvorteile oder -nachteile im internationalen Handel verfügt.

Abbildung 2: Realer Wechselkurs des Euro bzw. ECU und die Dynamik der Gesamtexporte der EU im Vergleich zu den USA

Q: OECD, WIFO.

Das WIFO hat deshalb das traditionelle Konzept der Kaufkraftparität auf Basis des BIP um die Kaufkraftparität auf Basis international gehandelter Güter und Dienstleistungen ergänzt. Die Entwicklung der Exportmarktanteile von EU und USA stimmt in hohem Maß mit dem Verlauf der Über- oder Unterbewertung des Euro bzw. ECU gegenüber dem Dollar auf Basis von Tradables überein (Abbildung 2). So lag der Wechselkurs des ECU bzw. Euro zwischen 1987 und 1999 um durchschnittlich 32,6% über der Kaufkraftparität auf der Basis von Tradables; gleichzeitig sank der Anteil der EU an den Gesamtexporten der Triade (EU, USA, Japan) von 68,4% auf 63,2%, während jener der USA von 19,1% auf 26,0% stieg. Umgekehrt konnte die EU in der ersten Hälfte der achtziger Jahre, als der Euro gegenüber dem Dollar stark an Wert verlor, ihre Position im internationalen Handel zulasten der USA merklich verbessern. Diese Zusammenhänge verdeutlichen nicht nur den Einfluss nachhaltiger Preisverschiebungen im internationalen Handel auf die relative Exportdynamik, sondern lassen auch die vom WIFO errechneten Kaufkraftparitäten plausibel erscheinen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2000!