11. Juli 2000 • Direktinvestitionen in den Oststaaten 1999/2000: Dynamik deutlich differenziert • Jan Stankovsky

Neunte Ausgabe der WIIW-WIFO-Datenbank über Direktinvestitionen in Osteuropa und der früheren UdSSR erschienen.

Der Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen in die Oststaaten erreichte 1999 24,9 Mrd. $ und lag damit leicht über dem Niveau von 1998. Der Anteil des Ostens an den weltweiten Direktinvestitionsströmen ging dennoch auf etwa 2% zurück. Rund zwei Drittel der Neuinvestitionen im Osten waren für die 5 fortgeschrittenen Länder (Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Slowenien) bestimmt. Den höchsten Zuwachs verzeichnete 1999 Tschechien; auch Polen, Kroatien, Bulgarien und Russland erhielten mehr Investitionskapital aus dem Ausland als 1998.

Der Bestand an Direktinvestitionen in den Oststaaten stieg 1999 auf 124 Mrd. $. Die erfolgreichen Transformationsländer vergrößerten ihren Vorsprung weiter. In Ungarn, Estland und Tschechien entsprechen die Direktinvestitionsbestände etwa 30% des BIP. Die Bedeutung von Direktinvestitionen ist in diesen Ländern auch im internationalen Vergleich sehr hoch und kann als Indikator hoher Standortattraktivität bewertet werden. Weniger als 15% des BIP erreichen die Direktinvestitionen in der Slowakei, in Rumänien und Slowenien.

Eine Analyse der Direktinvestitionen nach Ursprungsländern zeigt, dass große Investoren große Länder bevorzugen, während kleinere Länder hauptsächlich in den Nachbarstaaten investieren. Der wichtigste Partner für Außenhandel und Direktinvestitionen der 5 fortgeschrittenen Transformationsländer ist die EU. Die Spitzenränge nehmen Unternehmen aus Deutschland, den Niederlanden und Österreich sowie multinationale Unternehmen aus den USA ein. Deutschland ist der wichtigste Investor in Tschechien, Ungarn und Polen. Die USA stehen an zweiter Stelle in Polen und an dritter Stelle in Ungarn, wobei sie gemessen an den Neuinvestitionen Marktanteile verlieren. Österreich ist ein wichtiger Investor in kleineren Ländern, etwa der Slowakei und Slowenien, am stärksten sind österreichische Investoren aber in Ungarn engagiert. In den baltischen Staaten investieren Unternehmen aus Schweden und Finnland beträchtlich.

Ein Vergleich der Branchenstruktur der Direktinvestitionen spiegelt Unterschiede in der Wirtschaftstruktur und der Privatisierungspolitik wider. Der Großteil der Investitionen entfällt mit etwa 50% auf die Industrie. Nur in Bulgarien, Polen und Slowenien, wo die Privatisierung des Dienstleistungssektors nur langsam vorankommt, überschreitet der Anteil der Industrie am Investitionsbestand die 50%-Marke. Finanzdienstleistungen (Banken und Versicherungen) haben einen hohen und wachsenden Anteil an den Direktinvestitionen in Polen. Tschechien und Ungarn erhielten erhebliche Investitionen im Bereich der Industrie, aber auch der Finanzdienste und des Handels. Ungarn nimmt eine Sonderstellung mit hohen Direktinvestitionen in der Strom- und Gasverteilung sowie im Bereich der Immobilien und der produktionsnahen Dienstleistungen ein.

Die Aussichten auf Direktinvestitionen im Jahr 2000 aufgrund der Ergebnisse des I. Quartals zu schätzen, ist schwierig. Die meisten Indikatoren sprechen dafür, dass sich die allgemeinen Bedingungen für Direktinvestitionen verbessert haben:

  • Infolge der Konjunkturbelebung in den meisten westeuropäischen Staaten werden die Länder Osteuropas in diesem Jahr ein höheres Wirtschaftswachstum als 1999 erreichen. Ein wachsender Binnenmarkt und günstige Exporterwartungen werden das Interesse der westlichen Investoren für die ganze Region – insbesondere aber für die an die EU angrenzenden Länder – erhöhen. Auch Russland hat infolge der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung an Standortattraktivität gewonnen.
  • Die Privatisierung wird die Grundlage für wachsende Direktinvestitionen in Tschechien und Polen sein, diese beiden Länder werden das höchste Direktinvestitionsvolumen im Osten anziehen. In Bulgarien und Rumänien verliert die Privatisierung hingegen an Tempo, sodass auch die Direktinvestitionen zurückgehen werden. Das zeitliche Profil wichtiger Privatisierungsprojekte ist schwierig zu prognostizieren.
  • Ein neues Phänomen im Osten sind die Unternehmensübernahmen (mergers & acquisitions) im Privatsektor. Die Beteiligung des ungarischen Mineralölkonzerns MOL an der slowakischen Slovnaft ist das bekannteste aktuelle Beispiel.
  • Die Wirtschaftspolitik hat in Osteuropa von der Stabilisierung zur Förderung des Wirtschaftswachstums umgeschwenkt, wozu auch Anreize für Direktinvestitionen zählen. Über das am stärksten ausgebaute Fördersystem verfügt Ungarn; es schließt sowohl Steuer- und Zollbegünstigungen als auch Subventionen für Forschung und Entwicklung sowie Infrastruktur mit ein. Die Unternehmenssteuern sind in Ungarn niedrig, sie wurden heuer in der Slowakei, in Polen und Rumänien gesenkt, in Estland sogar abgeschafft. Länder, die bisher nur geringe Direktinvestitionen erhielten, wie die Slowakei und Slowenien, haben attraktive Fördersysteme eingeführt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der Studie "WIIW-WIFO Database: Foreign Direct Investment in Central and East European Countries and the Former Soviet Union" von Gábor Hunya (WIIW) und Jan Stankovsky (WIFO), 50 Seiten, ATS 650,– bzw. EUR 47,24 (erscheint halbjährlich; Bestellungen bitte an das WIFO, z. Hd. Frau Christine Kautz, Tel. +43 1 798 26 01/282, Fax +43 1 798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at)