8. Juni 2000 • Perspektiven der Bauwirtschaft in Europa bis 2002 • Margarete Czerny

Kräftige Nachfrage 2000, Abschwächung 2001 und 2002

Die europäische Bauwirtschaft hat sich nach einer sehr schwachen Entwicklung seit Mitte der neunziger Jahre erst gegen Ende des Jahrzehnts erholt. 1999 stieg das reale Bauvolumen in den 19 der europäischen Bauforschungsgruppe "Euroconstruct" angehörenden Ländern um 2,9%. Das Wachstum beschleunigt sich nach den jüngsten Euroconstruct-Prognosen im Jahre 2000 auf 3,1%. In den Jahren 2001 und 2002 wird allerdings wieder mit einer Verlangsamung auf 1,8% und 1,7% gerechnet.

Erstmals seit zehn Jahren expandierte die europäische Bauproduktion 1999 etwas kräftiger als die Gesamtwirtschaft. Das Wirtschaftswachstum wird 2001 und 2002 weiterhin stabil sein und nur geringfügig an Schwung verlieren. Die Rahmenbedingungen sind damit günstig: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wächst, die Reallöhne und die persönlich verfügbaren Einkommen steigen. Die Beschäftigungssituation ist gut – zahlreiche neue Arbeitsplätze werden geschaffen. Die Inflationsrate bleibt niedrig (unter 2%), und die Kreditzinsen liegen – trotz der jüngsten Erhöhung – weiterhin deutlich unter dem langfristigen Niveau. Dennoch rechnen die 19 Euroconstruct-Länder (15 westeuropäische und 4 ostmitteleuropäische Länder) für heuer mit einer regen Baunachfrage, in den kommenden zwei Jahren hingegen mit einem merklichen Nachlassen der Dynamik auf +1½%.

Die Ursachen dieser Abschwächung liegen vor allem im derzeit hohen Niveau der Wohnungsversorgung in ganz Westeuropa. In zwei Drittel der Länder dämpfen regional Sättigungstendenzen, zunehmende Verwertungsschwierigkeiten sowie steigende Leerstehungsquoten die Investitionsneigung. Zudem zieht sich der Staat in den meisten Ländern immer mehr aus der Förderung des Wohnungsbaus zurück. Zugleich steigt die Zahl der Einwohner und der Haushalte nur mehr geringfügig, sodass dem Wohnungsneubau aus demographischer Sicht künftig Grenzen gesetzt sein werden. Gefragt sind Wohnungen mit exklusiver Ausstattung und kleinere Einheiten für Singlehaushalte sowie Einfamilienhäuser und billige Wohnungen für Einkommenschwache. Der Wohnungsneubau stagniert insgesamt 2001/02 in Westeuropa. Wegen des hohen Anteils dieser Bausparte (etwas weniger als die Hälfte des europäischen Bauvolumens) bremst eine Stagnation der Wohnbautätigkeit das Wachstum der gesamten Bauwirtschaft.

Wachstumsmotor der westeuropäischen Bauwirtschaft sind der Nicht-Wohnbau (2000 +3½%, 2001 +1,9%, 2002 +1,2%) und der Infrastruktursektor. Der Sanierungssektor entwickelt sich seit Jahren kontinuierlich und wird immer mehr zur Stütze der gesamten europäischen Bauwirtschaft. Mehr als ein Drittel der gesamten Bautätigkeit tragen bereits Renovierungs- und Modernisierungsleistungen im Hochbau bei. Davon entfällt ein wesentlicher Teil auf den Wohnungsbau, beinahe die Hälfte der gesamten Wohnbauleistungen sind heute Bestandsmaßnahmen. In allen Bausparten haben Renovierungsinvestitionen zunehmende Bedeutung. Insgesamt steigen die Renovierungs- und Modernisierungsleistungen im Hochbau im Jahre 2000 um 3%, in den Jahren 2001 und 2002 wird sich das Wachstum mit +2% etwas abgeschwächt fortsetzen.

Der Tiefbau wird nach einer Steigerung von 3,0% im Jahre 2000 bis 2002 überdurchschnittlich wachsen (2001 2,1%, 2002 2,3%), die Abschwächung fällt hier gering aus. Die Lockerung der Budgetpolitik nach der erfolgreichen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte hat in vielen Ländern den Spielraum für Infrastrukturinvestitionen wieder erhöht. Zudem besteht großer hoher Nachholbedarf, insbesondere im Bereich des Ausbaus der TEN- und TINA-Verkehrsnetze. Großzügigen Infrastrukturinvestitionen stehen aber weitere Konsolidierungsbemühungen einiger Länder entgegen.

Abbildung 1: Bauprogramm für die Bauwirtschaft in Europa bis 2002

Insgesamt

Q: Euroconstruct, WIFO.

Die 49. Euroconstruct-Konferenz findet am 8. und 9. Juni 2000 im Julius-Raab-Saal der Wirtschaftskammer Österreich statt (Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien).